Streicheleinheiten für die bayerische Seele
Mit viel Redegeschick und Klischees streichelt die Bundeskanzlerin am Mittwoch die Seele der Bayern. Über heikle Themen wie die bayerische Verwandtenaffäre schweigt sie sich aus.
Zuerst ist da ein Schuss. Ein Schuss der örtlichen Böllerschützen, der das Publikum kurz aufschrecken lässt. Dann zieht Angela Merkel ins Bierzelt ein. Hände schütteln hier, Hände schütteln dort. Die Bundeskanzlerin ist im Bierzelt in Trudering bei München zu Gast. Der Mittwochabend ist ihr erster Wahlkampfauftritt in Bayern.
Merkel in München: Die Kanzlerin "streichelt die Seele der Bayern"
Auf der Bühne angekommen, bekommt Merkel die obligatorische Maß Bier in die Hand gedrückt. Einen kleinen, höflichen Schluck kostet sie und los geht’s. Die CDU-Chefin hat sich an diesem Abend vorgenommen, die Seele der Bayern zu streicheln. Und so spart sie auch nicht mit Lob. Sie hebt die große Wirtschaftskraft des Landes und die Verdienste im Bereich der Bildung hervor. In ihrer Rede will Merkel ihre Anhänger und das Publikum vor allem darin bestärken, den von ihr und der bayerischen Regierung eingeschlagenen Weg fortzusetzen – und lässt dabei auch Klischees nicht aus. Die zahlreichen Zuhörer antworten mit viel Applaus.
Bayern spiele nur an der Spitze mit, weil die CSU hier regiere. Applaus. Und dass in Bayern viele Menschen ein tiefes Heimatgefühl besitzen, das sich auf traditionelle Werte stützt und in der Gegenwart wichtig sei: „Wer nicht weiß, wo er herkommt, der weiß auch nicht, wo er hin will“, sagt Merkel.
Angela Merkel fordert Schluss mit Schuldenmachen
Die deutlichen – und teils humorvollen Aussagen – sorgen für Zustimmung im Publikum: „Ich komme zu Ihnen nach Bayern und Sie sitzen abends schon um 18 Uhr im Bierzelt bei Bier und Brot...“, Merkel macht eine Kunstpause, „...und sind trotzdem das Bundesland mit den besten Schulabschlüssen und der größten Wirtschaftskraft.“ Die Anhänger applaudieren. „Ich weiß ja nicht, wie Sie das alles machen. Stehen Sie früher auf?“ Merkel fügt hinzu, sie verstehe jetzt auch, warum so viele Chinesen auf das Oktoberfest wollen. „Sie wollen so werden wie Sie!“
Die Kanzlerin kämpft sichtlich mit der Hitze im Zelt, spricht über die gesenkte Arbeitslosigkeit unter ihrer Regierung. Die SPD habe im Jahr 2005 einige Arbeitslose mehr hinterlassen. Merkel betont, dass Schluss sein müsse mit dem immer neuen Schuldenmachen und, dass Unternehmer nicht mehr besteuert werden dürften als bisher. Und sie bekennt sich klar zu Europa: „Nur so kann Deutschland stark sein.“
CDU-Chefin Merkel schweigt zu Verwandtenaffäre und DDR-Vergangenheit
Sogar im Gebüsch hinter dem Zelt sitzen Zuhörer und lauschen gespannt Merkels Rede. Während des Auftritts greift die Kanzlerin politische Gegner kaum an und spart auch unangenehme Themen für die Union aus. Etwa die bekannt gewordenen Details zu ihrer DDR-Vergangenheit. Auch zur Verwandten-Affäre im bayerischen Landtag verkneift sich die CDU-Chefin jedes Wort. Dafür gibt sie beim Thema Steuerflucht und -oasen ein klares Bekenntnis ab: „Wir stehen dafür, dagegen stärker zu kämpfen.“
Die Zuhörer verfolgen den kurzweiligen Besuch der Kanzlerin mit Interesse. Die CSU-Anhänger sind am Ende zufrieden mit dem Auftritt – auch diejenigen, die vor dem überfüllten Zelt kaum etwas von der Rede mitbekamen. Martin Jankowski aus dem Münchner Osten beispielsweise. Er sei ein „Merkel-Anhänger aus Prinzip“. Da sei es bei ihrem Auftritt gar nicht so wichtig, was sie inhaltlich sagt: „Im Festzelt sowieso nicht.“
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