Streit um Lindauer Bahnhof - Bürger stimmen ab
Nach langen Streit haben sich die Bahn und die Stadt auf eine Lösung für den Lindauer Bahnhof geeinigt. Nun sollen die Bürger darüber abstimmen.
Seit den frühen 90er Jahren wird in Lindau über die Verlegung des Hauptbahnhofs diskutiert. Doch die bayerische Bodenseestadt und die Deutsche Bahn konnten sich lange Zeit nicht einigen. Während die Bahn einen neuen Durchgangsbahnhof auf dem Festland anstrebt, will die Stadt den jetzigen Sackbahnhof auf der Insel behalten. "Wir brauchen eine Anbindung an die Insel, weil dort das touristische Herz der Stadt schlägt", sagt Oberbürgermeisterin Petra Seidl (parteilos). Jetzt sind die Bürger gefragt. An diesem Sonntag (11. Dezember) sollen sie in einem Bürgerentscheid über die Zukunft des Bahnhofs mitbestimmen. "Diese Entscheidung ist sehr bedeutend für die Stadt. Uns ist daher wichtig, dass die Bürger mit dem Weg, den wir gehen wollen, einverstanden sind", sagt Seidl.
Bei dem Bürgerentscheid, zu dem rund 19 000 Wahlberechtigte aufgerufen sind, geht es um eine Kombi-Lösung mit zwei Bahnhöfen, auf die sich die Stadt und die Bahn inzwischen geeinigt haben. Doch selbst über die Fragestellung für den Bürgerentscheid gibt es Unstimmigkeiten. Es ist daher möglich, dass die Lindauer im kommenden Jahr bei einem zweiten Bürgerentscheid erneut zur Abstimmung gebeten werden. Nach Angaben der Stadt sammelt die CSU derzeit Unterschriften für ein eigenes Bürgerbegehren.
Fast zwei Jahrzehnte lang ist eine Verlegung des Hauptbahnhofs immer wieder Thema in Lindau. Die 24 500 Einwohner zählende Stadt liegt entlang der Bahnstrecke München-Zürich, ihr Bahnhof befindet sich am westlichen Ufer der Insel. Um ihn zu erreichen, müssen die Züge über einen langen Bahndamm fahren. Für die Eurocity-Verbindungen mit der Schweiz ist im Bahnhof jedes Mal ein Lokwechsel von E-Lok auf Diesel-Lok und umgekehrt nötig.
Die Verantwortlichen der Bahn wollen den Fahrgästen im Fernverkehr diese Verzögerungen ersparen. "Wenn die Züge nicht erst auf der Insel Kopf machen müssen, können wir kürzere Reisezeiten erzielen", begründet Volker Hentschel die Pläne, einen neuen Durchgangsbahnhof im Stadtteil Reutin zu errichten. Der Produktionsleiter der DB Netz AG in Bayern sieht darin auch einen Vorteil für die Lindauer. "Die Bevölkerungsmehrheit in Lindau hat sich von der Insel auf das Festland verlagert. Gerade diese Reisenden müssen bisher aber erst den Umweg zum Inselbahnhof in Kauf nehmen."
Schon 2003 hatte die Bahn ein Planfeststellungsverfahren für den neuen Bahnhof in die Wege geleitet. Nachdem acht Jahre später immer noch über dieses Projekt diskutiert wurde und keine Entscheidung erkennbar war, wurde das Verfahren diesen Sommer eingestellt. "Damit wollten wir ein klares Signal an die Stadt zu einem ergebnisoffenen Dialog geben", sagt Hentschel. Die Bahn habe ihr Vorhaben nicht gegen den Willen der Bürger durchsetzen wollen. Da sie aber wegen der geplanten Elektrifizierung der Strecke München-Lindau Planungssicherheit brauche, habe sie auf eine Entscheidung gedrängt.
In Lindau wurde nach Angaben der Oberbürgermeisterin lange darum gerungen, welches die beste Lösung für die Stadt ist. "Wir haben uns dagegen gewehrt, dass der bestehende Bahnhof aufgegeben wird", sagt Seidl. Damit wäre die Insel, die mit ihrer berühmten Hafeneinfahrt Besuchermagnet ist, vom Bahnverkehr abgeschnitten. Nach langen Diskussionen habe sich der Stadtrat Ende Oktober schließlich mehrheitlich für eine Kombi-Lösung ausgesprochen, die mit zwei Bahnhöfen allen Wünschen und Anforderungen gerecht werde.
In den vergangenen Monaten wurden die Bürger über Konsequenzen und Kosten aller Standortvarianten informiert. Wenn die nun angedachte Kombi-Lösung kommt, übernimmt der Freistaat laut Seidl 3,5 Millionen Euro, 7,8 Millionen Euro kommen für die gesamte Infrastruktur auf die Stadt Lindau zu. Sie selbst sei eine starke Verfechterin dieser Lösung, sagt Seidl. "Wir bekommen ein Mehr an Haltemöglichkeiten und optimieren das gesamte Verkehrssystem." Zudem öffne diese Lösung der Stadt für die Zukunft viele Optionen. Ob sie tatsächlich umgesetzt wird und damit endlich ein Schlussstrich unter die langwierigen Diskussionen gezogen werden kann, entscheiden jetzt die Bürger. dpa/lby
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