Streit um Stromtrasse: Scheitert die Energiewende in Bayern?
Am Montag sollen die Ergebnisse des bayerischen Energiedialogs vorgestellt werden. Doch von konkreten Plänen und Einigkeit kann nicht die Rede sein.
Die Geschichte der Energiewende in Bayern ist bisher eine Geschichte enttäuschter Erwartungen. Daran wird sich voraussichtlich auch an diesem Montag nichts ändern, wenn Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) die Ergebnisse des bayerischen Energiedialogs vorstellt. Die rund 170 Experten, die zwei Monate lang darüber diskutierten, wie eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Stromversorgung aussehen soll, wenn im Jahr 2022 der letzte bayerische Atommeiler, Isar 2 bei Landshut, vom Netz geht, haben sich dem Vernehmen nach nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können.
Am Anfang standen große Versprechen: Bayern wolle Vorreiter sein. Bayern wolle auch in Zukunft in der Summe möglichst so viel Strom selbst erzeugen, wie es verbraucht. Bayern werde für Versorgungssicherheit und stabile Strompreise sorgen. Die Angst, dass Arbeitsplätze verloren gehen könnten, wenn die vier großen Kernkraftwerke abgeschaltet werden, wies Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) einst entschieden zurück. Im Mai 2011 sagte er in einem Interview mit unserer Zeitung im Landkreis Günzburg: „Die Energiewende wird einen technologischen und wirtschaftlichen Schub auslösen. In der Summe werden durch die Energiewende in Bayern mehr Arbeitsplätze entstehen.“
Dialog über Stromtrasse hat anscheinend zu keinem Ergebnis geführt
Seither hat sich viel getan. Bis heute allerdings ist nicht klar, wie die Staatsregierung ihre Versprechen erfüllen will. Die Hoffnung, die Atomkraftwerke einfach durch Gaskraftwerke ersetzen zu können, hat sich zerschlagen. Das Kernproblem ist noch ungelöst: Selbst wenn Bayern sein Ziel erreicht und im nächsten Jahrzehnt 50 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Energien deckt, ist die Stromversorgung noch längst nicht gesichert. Das kann nur auf zwei Wegen geschehen, entweder durch zusätzliche konventionelle Kraftwerke in Bayern oder durch Stromimporte über neue Trassen.
Nach den heftigen Protesten gegen die geplanten Stromtrassen sollte der Energiedialog ausloten, ob ein Kompromiss zwischen Trassengegnern, Umweltschützern und Vertretern der Wirtschaft möglich ist und sich ein gemeinsames bayerisches Interesse formulieren lässt. Das ist offenbar nicht gelungen. Die widerstreitenden Interessen ließen sich nicht unter einen Hut bringen. Aigner hat dies bereits eingeräumt, gleichzeitig aber den Dialog verteidigt. „Allein, dass Menschen miteinander gesprochen haben, die sonst nur übereinander sprechen, war ein Mehrwert“, sagt sie.
An diesem Montag wird Aigner deshalb nicht recht viel mehr zu verkünden haben, als einige Schlussfolgerungen aus dem Dialog und mögliche Szenarien für die Zukunft. Die Entscheidungen werden ohnehin woanders fallen.
Seehofer will weiteres Gaskraftwerk in Bayern - dafür keine Trasse
Zunächst einmal wird sich, wie er bereits angekündigt hat, Ministerpräsident Seehofer die Ergebnisse vortragen lassen. Er hat sich die Entscheidung darüber vorbehalten, mit welchen Konzepten und Forderungen der Freistaat in die Gespräche mit dem Bund geht. Seehofer will angeblich auf mindestens ein weiteres Gaskraftwerk in Bayern pochen und die große Gleichstrompassage Süd-Ost von Sachsen-Anhalt nach Schwaben verhindern.
Wie viel er davon bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) durchsetzen kann, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. Denn auch auf Bundesebene treffen scharfe Interessengegensätze aufeinander. Die Wirtschaft pocht auf möglichst billigen Strom. Nordrhein-Westfalen will Strom aus Steinkohle, ostdeutsche Bundesländer wollen Strom aus Braunkohle verkaufen. Der Norden produziert massenweise Windstrom. Hinzu kommt, dass das Verhältnis zwischen Seehofer und Gabriel zuletzt deutlich abgekühlt ist. Alles läuft auf eine Machtprobe hinaus.
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