Superstar Angie wird im Bierzelt gefeiert
Beim politischen Schlagabtausch wird Angela Merkel wie ein Popstar gefeiert. Die Kanzlerin hält sich mit Kritik zurück. Stattdessen geht sie die Probleme mit der CSU an.
Die Luft ist schlecht, der Hitzepegel steigt immer weiter. Im Zelt riecht es nach Schweiß und Bier. Menschen quetschen sich auf Bänke und drängen sich in Gänge. Dabei ist nicht Mick Jagger mit seinen Rolling Stones auf Abschiedstournee und auch der Charme von George Clooney ist nicht für den Ausnahmezustand verantwortlich. In Abensberg wollen alle nur Angela Merkel sehen. Die Kanzlerin war am Montagmorgen zu Gast auf dem Gillamoos-Volksfest in Niederbayern. Jedes Jahr schicken Parteien einen Spitzenpolitiker für einen verbalen Schlagabtausch in den kleinen Ort zwischen Ingolstadt und Regensburg. Und für die CSU kam sie persönlich, die CDU-Chefin.
Um 11.26 Uhr sollte sie die Bühne betreten, ab kurz nach neun waren alle 4200 Sitzplätze belegt. Dann war sie da. Die Menge johlte, die Menge jubelte. Jagger wäre sicher neidisch gewesen.
Bei ihrer 40-minütigen Rede ging Merkel mit ihren politischen Gegnern aber nicht sonderlich hart ins Gericht. „Energiewende schafft man nicht mit einer Dagegen-Partei“ (Anmerkung der Redaktion: die Grünen), die Sozialdemokraten würden ständig für Steuererhöhungen eintreten. Alles recht harmlos. Etwas anderes hatte auch niemand erwartet.
Stattdessen versuchte Merkel die Wogen mit der CSU zu glätten. „Natürlich gibt es auch Streit, aber wenn’s drauf ankommt, halten CDU und CSU immer zusammen – und das war immer gut für Deutschland.“ Dobrindt und Co. gingen in den vergangenen Monaten oft andere Wege als die große Schwesterpartei in Berlin. Die harschen Töne aus der CSU, zuletzt mit der Forderung nach einem Griechenland-Austritt, würdigte die Kanzlerin nicht einmal mit einer Antwort.
Im Gegenteil. Sie bekräftigte auch auf dem Gillamoos ihren Euro-Kurs. Länder wie Griechenland müssten zwar ihre Hausaufgaben machen und die dringend notwendigen Reformen voranbringen. Aber: „In einer solch schwierigen Phase haben diese Länder unsere Solidarität verdient, dass wir ihnen wünschen, dass sie diese Schwierigkeiten überwinden können.“
Hochkarätig war das Volksfest immer besetzt, Merkel war aber die erste Bundeskanzlerin auf der Bierzeltbühne. Vor zehn Jahren war sie schon einmal dort, damals um als CDU-Vorsitzende die Kanzlerkandidatur von Edmund Stoiber anzukurbeln.
Bei Kabarettist Wolfgang Krebs sorgte ihr Kommen für reichlich Spott. In seiner Paraderolle als sich verzettelnder Stoiber zog er die Kanzlerin durch den Kakao. „Der Gillamoos, liebe Freundinnen und Freunde, das ist eben nicht nur ein Jahrmarkt und ein Volksfest, wie die Frau Merkelbunzlerin, äh die Frau Kandisbrunzler, äh die Merkelkanzlerin soeben ausgeführt hat.“
Merkel sang die Bayernhymne
Nach der Rede der Kanzlerin wurde die Nationalhymne angestimmt. Merkel sang – um jeglichen Diskussionen vorzubeugen – kräftig mit. Sogar bei der Bayernhymne stimmte sie mit ein. Vorsichtshalber. Und am Ende kam sogar Mick Jagger. Mit dem Rolling-Stones-Klassiker „Angie“ wurde Merkel von der Bühne begleitet. Die wirkte von der Rockballade nicht unbedingt begeistert. Vielleicht ging ihr beim Gang aus dem Zelt auch die ein oder andere Liedzeile durch den Kopf. „All the dreams we held so close, seems to all go up in smoke“ Übersetzt: „Alle Träume, die wir so festgehalten haben, scheinen sich in Rauch aufzulösen.“ Oder: „Angie, ist es nicht Zeit, goodbye zu sagen?“
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