Tag der Muttersprache: "Dasd fei schee schmatzt!"
Warum der Sprachpfleger Sepp Obermeier von Horst Seehofer enttäuscht ist, und warum Kindergärten so wichtig für den Erhalt des Dialekts sind.
Sepp Obermeier ist auf Horst Seehofer nicht gut zu sprechen. Nicht erst seit gestern, schon seit Jahren. Denn Bayerns Ministerpräsident, so sein Vorwurf, unternehme nicht genug Anstrengungen, um das Aussterben der bairischen Mundarten zu stoppen.
Bereits vor fünf Jahren hatte der Vorsitzende des Bundes Bairischer Sprache mit Sitz in Niederbayern die Staatsregierung aufgefordert, die Kindergärten wieder dem Zuständigkeitsbereich des Kultusministeriums zu unterstellen (derzeit ist das Sozialministerium dafür verantwortlich). Der CSU-Chef hatte das im Mai 2013 kurz vor seiner Wiederwahl auch auf dem Landkreistag in Altötting versprochen. „Passiert ist aber nichts“, klagt Obermeier zum Tag der Muttersprache an diesem Sonntag.
Der Niederbayer verspricht sich von dem Wechsel eine ganze Menge. Denn Obermeier sieht den Schlüssel für das Überleben der Dialekte in Bayern im vorschulischen Bereich. Im Kultusministerium erwartet er mehr Verständnis und Sensibilität für die Dialektpflege. „Unsere Kindergärten sind auf dem sprachwissenschaftlichen Stand von 1970. Da wird den Kindern von vielen Erzieherinnen und Erziehern der Dialekt immer noch ausgetrieben!“, ärgert sich der Niederbayer.
Bayerns Lehrerverbände haben Obermeier bereits in der Vergangenheit übrigens bestätigt: Das Vorurteil, Mundart behindere die Sprach- und Lernfähigkeit Heranwachsender, sollte schnellstens abgebaut werden, hieß es beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV).
Mundartpfleger sorgt sich um Dialekte
Sechs Jahre nach der laut Obermeier „höchst blamablen“ Aufnahme des Bairischen in den Weltatlas der bedrohten Sprachen durch die Unesco habe die Politik seiner Ansicht nach noch immer nichts unternommen, um die Dialekte wieder besser zu pflegen. Im Gegenteil: Die zur Bestandsaufnahme notwendigen Prozentzahlen der Dialektsprecher in bayerischen Kindergärten würden seit Jahren unter Verschluss gehalten, klagt er. In jeder Einrichtung würde die Zahl bairisch sprechender Kinder im Fragebogen „Seldak“ registriert. Sozialministerin Emilia Müller solle sie anfordern und herausgeben, so der Mundartpfleger. Der nennt auch ein aktuelles Beispiel, wie es um die bairischen Dialekte derzeit bestellt ist: „In und um Cham, einem Gebiet, in dem ich eine hohe Dialektdichte erwartet hätte, hat eine Gymnasiastin bei einer Umfrage erschreckende Werte ermittelt“, so Obermeier. In einem Kindergarten, in einem an der tschechischen Grenze liegenden Ort würden noch 48 Prozent Mundart sprechen. In einem fünf Kilometer vor Cham nur mehr 35 Prozent und in einer Kindertagesstätte in der oberpfälzischen Kreisstadt nur noch sechs Prozent. „Mit dem Tempo, in dem das Bairische verschwindet, kann nicht mal der Klimawandel mithalten“, witzelt der Vorsitzende des Bundes Bairischer Sprache.
Eltern von Vorschulkindern in Regensburg hätten den Bund Bairische Sprache um Unterstützung gebeten, weil ihren zu Hause Mundart sprechenden Kindern („Dasd fei schee schmatzt!“) die Muttersprache im Kindergarten verwehrt worden sei. Ein wenig Hoffnung macht Obermeier ein Pilotprojekt. In der Oberpfalz soll in einer Kindergartengruppe mit mindestens 60 Prozent Dialektsprechern die Mundart bewusst an die nächste Generation weitergegeben werden. Es ist wichtig, dass dies frühzeitig passiere, so Obermeier, denn mit etwa zehn Jahren gehe das sprachliche Zeitfenster zum Erwerb der Muttersprache zu. Obermeier hoff darauf, dass das Pilotprojekt andernorts Nachahmer findet.
Die Diskussion ist geschlossen.