Trotz 1,0-Schnitt bekommen Referendare keinen Job
Trotz Examen mit 1,0-Schnitt erhalten Referendare an bayerischen Gymnasien in bestimmten Fächern keine Stelle. Nun regt sich Widerstand.
Es war der schwarze Freitag für die bayerischen Referendare: Vor einer Woche wurde den Anwärtern auf das Gymnasiallehramt, die im Dezember ihre Prüfungen absolviert haben, mitgeteilt, dass in bestimmten Fächerkombinationen selbst die Abschlussnote 1,0 nicht reicht, um eine Stelle zu kriegen. Laut Bayerischem Lehrer- und Lehrerinnenverband ein „Schlag ins Gesicht“ der Junglehrer.
Welche Note gebraucht wird, gibt das Ministerium nicht preis
Ulrich Weber (Name von der Redaktion geändert) ist wie viele andere von der Entwicklung betroffen. Der 27-Jährige ist Referendar für Englisch und Geschichte und hat seine Ausbildung mit 1,6 abgeschlossen. „Ich habe mich erst mal riesig gefreut“, sagt er. Der Grund: „Wenn man vom Schnitt vom Herbst 2013, vor der Landtagswahl, ausgeht, würde es reichen.“ Vor einem Jahr seien noch Absolventen bis zur Note von 1,68 übernommen worden. Doch nun gehen auch deutlich bessere Absolventen leer aus.
Ungünstig seien die Einstellungschancen vor allem bei Fächerkombinationen mit modernen Sprachen, sagt Henning Gießen vom bayerischen Kultusministerium. Günstigere Bedingungen gebe es bei Mathematik, Physik, Kunst oder Musik. Welche Note in welcher Fächerkombination gebraucht wird, gibt das Ministerium nicht preis. Gießen bestätigt aber, dass auch Referendare mit sehr guten Noten keine Stelle kriegen. Rund 20 Prozent der gut 800 Absolventen, die zum Halbjahr fertig werden, würden übernommen. Im Februar würden aber stets weniger Lehrer eingestellt als zum Schuljahresanfang.
Als er und seine Kollegen ihre Bescheide erhielten, waren sie „alle sehr schockiert“, erzählt Weber. Dann jedoch sei der Entschluss gereift, öffentlich zu protestieren. Im Moment schicken sie viele Briefe an Medien und Politiker. Und es gibt Pläne für Demonstrationen.
Weber ist sich der Problematik seines Handelns bewusst. „Es ist schwierig, weil ich Angestellter des bayerischen Staates bin“, sagt er. „Als ich aber gehört habe, dass selbst Leute mit 1,0 nicht eingestellt werden, existierte der Loyalitätskonflikt nicht mehr.“ Der Vorjahresschnitt von 1,68 sei zwar schwer, aber machbar gewesen. Jetzt jedoch habe er den Eindruck, dass der Staat Referendare einstelle, um sie zwei Jahre arbeiten zu lassen und dann in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
Weber: Wir brauchen mehr Lehrer
Dabei gäbe es seiner Meinung nach großen Bedarf an Lehrern. „Eine Klassenstärke von 30 wird oft erreicht“, sagt er. Dem hält Gießen entgegen, dass die 5. bis 10. Klassen am Gymnasium im Schuljahr 2006/07 noch durchschnittlich 28, im Schuljahr 2012/13 nur noch 26,3 Schüler gehabt hätten.
Dennoch beklagen viele Referendare, dass sie oft 17 Wochenstunden unterrichten müssen. Die öffentlich einsehbare Ausbildungsordnung sieht elf Stunden vor. Bis zu 17 Stunden sind nur bei Aushilfen zulässig. Laut Weber haben viele Referendare jedoch regulär 17 Stunden in ihrem Wochenplan. Darunter leide die Ausbildung, aber vor allem auch der Unterricht, ist Weber überzeugt. „Für die Vorbereitung einer 45-minütigen Geschichtsstunde brauche ich 180 Minuten“, sagt er. Er kenne Kollegen, die wegen der Vorbereitungen erst um 2 Uhr ins Bett gehen. „Man hat am Anfang einfach noch nicht die Routine erfahrener Lehrer“, sagt Weber.
Die hohe Wochenstundenzahl der Referendare kritisiert auch Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes. „Referendare geben vergleichsweise günstig Unterricht“, sagt er. Referendare verdienen deutlich weniger Geld als fertig ausgebildete Lehrer. Auch wenn es Klassen mit über 30 Schülern laut Schmidt nur noch „in Einzelfällen“ gebe: Mehr Planstellen würden immer gebraucht.
Der Plan fürs zweite Schulhalbjahr: Nachhilfe geben oder Kellnern
Weber sucht nun nach Alternativen. Er hat sich bei privaten und städtischen Schulen beworben. Das zweite Schulhalbjahr werde er wohl mit Nachhilfe überbrücken müssen. Oder alte Studentenjobs wieder aufnehmen, etwa in einer Bar ausschenken. „Mir tut es weh“, sagt er. „Weniger finanziell, sondern weil ich genau gemerkt habe, dass Lehrer mein Beruf ist.“
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