Unbekannte verüben Brandanschlag auf Asylbewerberheim
Ein halbes Jahr nach dem Brandanschlag von Vorra brennt in Bayern wieder eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Unbekannte zünden ein Gebäude in Reichertshofen an.
Unbekannte haben in der Nacht zum Donnerstag ein künftiges Asylbewerberheim in Oberbayern angezündet. Wie die Polizei mitteilte, wurde am frühen Morgen an zwei Eingängen des Gebäudekomplexes Feuer gelegt. Schmierereien seien nicht gefunden worden. "Ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist nicht auszuschließen", sagte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. "Wenn es zwei Brandherde gibt, ist das ein deutlicher Hinweis auf Brandstiftung", betonte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Rande der Landtagssitzung in München.
Von den mutmaßlichen Brandstiftern fehlte nach Polizeiangaben zunächst jede Spur, eine Sonderkommission wurde gegründet. Außerdem wurden Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes in München in die Ermittlungen eingebunden.
Etwa um 2.50 Uhr in der Nacht hatte ein Nachbar die Einsatzkräfte alarmiert, weil er das Feuer in dem leerstehenden Gasthaus in Reichertshofen (Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm) entdeckt hatte. Die Ermittler stellten dann fest, dass am Haupteingang des Gasthofes und auch am Nebengebäude der Brand gelegt wurde.
Reichertshofen: Flüchtlinge kommen trotz Anschlag
Die Feuerwehr konnte die Flammen schnell unter Kontrolle bringen. Der Gastraum des früheren Landgasthofs brannte völlig aus, der Sachschaden beträgt mindestens 150.000 Euro. Das angrenzende Wohnhaus, in dem ab September Flüchtlinge untergebracht werden sollten, wurde weniger stark beschädigt.
67 Asylbewerber sollten nach Angaben des Polizeisprechers in der geplanten Unterkunft eine Bleibe finden. Im Ort hatte es allerdings hitzige Diskussionen über die Unterkunft gegeben. "Es gab Proteste aufgrund des geplanten Umfanges einer Unterbringung", sagte der Polizeisprecher. Ursprünglich hätten mehr als 100 Asylbewerber dort einziehen sollen, die Zahl sei aber dann reduziert worden.
Trotz des Brandanschlags sollen die 67 Flüchtlinge wie geplant in das Heim einziehen, betonte Landrat Martin Wolf. "Das soll ein Signal an die Täter sein." Der Bürgermeister von Reichertshofen, Michael Franken, hofft, "dass ein Ruck durch den Ort geht nach dem Motto: Jetzt erst recht". Die Unterkunft war innerhalb der Dorfgemeinschaft umstritten.
"Ich bin empört und erschüttert über die hinterhältige Straftat", sagte der oberbayerische Regierungspräsident Christoph Hillenbrand und betonte, die ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingen müsse weitergehen. "Sie ist wichtiger denn je."
Sonderkommission gegründet
Von den mutmaßlichen Brandstiftern fehlte nach Polizeiangaben zunächst jede Spur, eine Sonderkommission wurde gegründet. Außerdem wurden Spezialisten des Bayerischen Landeskriminalamtes in München in die Ermittlungen eingebunden, ein Brandspürhund war vor Ort.
Vor etwas mehr als einem halben Jahr hatten im mittelfränkischen Vorra zwei geplante Flüchtlingsunterkünfte gebrannt. Auch in anderen Teilen der Bundesrepublik gab es Vorfälle dieser Art: Im Mai brannte ein im Bau befindliches Flüchtlingsheim in Limburgerhof in Rheinland-Pfalz, im April legten Unbekannte in einer fast fertigen Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz in Sachsen-Anhalt Feuer.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International rief Politiker dazu auf, Flüchtlinge in Deutschland besser zu schützen und keine Ablehnung zu schüren. "Der starke Anstieg rassistisch motivierter Gewalt muss ein Weckruf für die Politik sein, sich rassistischen Ressentiments in der Gesellschaft klar entgegenzustellen", sagte die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Selmin Caliskan. Es sei beschämend, wenn sich Politiker "in einem reichen Land wie Deutschland auf eine angebliche Überforderung berufen, statt ihrer Pflicht nachzukommen und Flüchtlinge zu schützen".
Politiker von Linken und Grünen kritisierten scharf die bayerische Staatsregierung. "Verbales Zündeln ist Brandbeschleuniger", sagte der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, in Berlin. "Man muss schon sehr blauäugig sein, wenn man meint, dass dieser unerträgliche Populismus rechtsaußen nicht als Aufruf zum Handeln verstanden wird." Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Christine Kamm, sagte: "Die unverantwortlichen Hetzreden der CSU-Lautsprecher Söder und Scheuer gegen angeblichen massenhaften Asylmissbrauch haben den Brandstiftern die Argumente für ihre schändliche Tat geliefert."
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Markus Rinderspacher, mahnte: "Wir brauchen einen politischen Diskurs, in dem auf geistige Brandstiftung verzichtet wird, da dies reale Feuerteufel nach sich zieht." . dpa/lby
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