Verhafteter Kinderarzt: Zwei Autos geben Ermittlern Rätsel auf
Nach der Verhaftung des Augsburger Kinderarztes prüft die Kripo viele alte Fälle. Einige haben auffällige Ähnlichkeiten. Doch auch zwei Autos geben den Ermittlern Rätsel auf.
Sonntag, 4. März 2007, im Augsburger Stadtteil Bärenkeller: Ein unbekannter Mann spricht abends gegen 17.45 Uhr auf einem Spielplatz ein sechsjähriges Mädchen an. Erst verwickelt der Mann das Kind in ein Gespräch, dann hält er es fest, zieht es teilweise aus und begrapscht es. Danach flüchtet der Mann. Das Kind läuft nach Hause, die Eltern erstatten Anzeige.
Es sind Fälle wie diese, die die Augsburger Kripo jetzt noch einmal genau untersucht. Denn die Beschreibung, die das Mädchen damals vom Täter abgegeben hat, trifft ziemlich exakt auf den Kinderarzt Dr. Harry S. zu, der am vergangenen Dienstag in Augsburg unter dem Verdacht des schweren Kindesmissbrauchs festgenommen worden ist.
Weitere ungeklärte Fälle
Und es gibt im Raum Augsburg weitere ungeklärte Fälle des sexuellen Missbrauchs an Kindern aus den vergangenen Jahren, bei denen die Vorgehensweise und/oder die Täterbeschreibung auffällige Ähnlichkeiten mit dem 39-jährigen Mediziner aufweisen. Wie zum Beispiel der jüngste Vorfall Ende September im Neusäßer Stadtteil Steppach: Ein Unbekannter sprach aus einem Auto einen zehnjährigen Jungen an und versuchte vergebens, ihn mit Gummibärchen in den Wagen zu locken. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Harry S. noch auf freiem Fuß.
Die Polizei in Hannover beschäftigt sich derweil intensiv mit den Fahrzeugen des Kinderarztes, der nach Jahren am Augsburger Klinikum seit September an der Medizinischen Hochschule Hannover gearbeitet hat. Denn offenbar nutzte Harry S. mindestens zwei verschiedene Autos.
Nachbarn aus dem Hannoveraner Stadtteil List berichten übereinstimmend, dass der Mediziner neben einem BMW auch einen Geländewagen fuhr. Dieses Auto soll ebenfalls ein Augsburger Kennzeichen gehabt haben. Der Wagen war demnach in einer Tiefgarage am Podbi-Park unweit der Wohnung abgestellt. Das wiederum weckt Assoziationen zu dem Münchner Fall, der Harry S. zur Last gelegt wird. Dort soll er im Juni 2012 im Stadtteil Moosach einen vierjährigen Jungen mit Versprechungen in eine Tiefgarage gelockt und missbraucht haben.
Ein Auto aufs Rote Kreuz zugelassen
Der BMW der X-Reihe mit Augsburger Nummernschild weist zudem eine weitere Auffälligkeit auf: Er ist zwar der Privatwagen des 39-Jährigen, ist aber nach Informationen unserer Zeitung auf das Rote Kreuz in Augsburg zugelassen. Dort hatte sich der Mediziner ehrenamtlich engagiert und war als Notarzt im Einsatz. Das mutmaßliche Tatfahrzeug aus Hannover soll deshalb über Funk und Blaulicht verfügen. Daher die Zulassung auf das Rote Kreuz. Nutzte der Kinderarzt bewusst zwei verschiedene Autos, damit man ihm nicht so einfach auf die Spur kommt?
Und ein weiteres Detail gibt zumindest Rätsel auf: Die Wohnung in Hannover-List wurde nach Informationen unserer Zeitung bisher nicht akribisch von der Spurensicherung untersucht. Lediglich ein Laptop und eine Kamera wurden beschlagnahmt. Darauf sollen Aufnahmen der Tat in Hannover sein.
Möglicherweise gehen die Ermittler in Niedersachsen nicht davon aus, dass sich der Missbrauch des fünfjährigen Jayden in der Wohnung von Harry S. abgespielt hat. Darauf deutet auch hin, dass ein Kellerraum der Wohnung von der Polizei nicht überprüft wurde. Er ist noch nicht einmal versiegelt. Und das, obwohl sich die Augsburger Fälle jeweils in Kellerräumen zugetragen haben sollen.
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