Viele Kinder können nicht Rad fahren
Vor allem in der Stadt bewegen sich Kinder nicht sicher auf zwei Rädern. Dort fallen mehr Schüler durch die Fahrradprüfung als auf dem Land. Eltern sind daran nicht ganz unschuldig.
Viertklässler in bayerischen Städten können immer häufiger nicht richtig Fahrrad fahren. Die Folge: Sie fallen durch die Prüfung für den Fahrradführerschein. Der berühmte Wimpel, den Generationen von Kindern wie eine Siegesfahne am Fahrrad spazieren fuhren: An ihrem Rad baumelt er nicht.
Fahrradführerschein ist für manche in weiter Ferne
„In der Stadt liegt die Quote derer, die bestehen, immer ein bisschen unter der auf dem Land“, sagt Ralf Bührle, Polizeioberrat im Sachgebiet Einsatz und Verkehr des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Regelmäßig erlebten es die Verkehrserzieher, sagt Bührle, dass „ein Teil der Kinder keine oder nur wenig Erfahrung auf dem Fahrrad hat“. Zwölf Prozent der Schüler haben allein im Stadtgebiet Augsburg 2013 keinen Fahrradführerschein erhalten. Rechnet man diejenigen heraus, die die Prüfungen in Theorie und Praxis erst im zweiten Anlauf und mit Nachschulungen bestanden haben, sind sogar 16 Prozent im ersten Versuch gescheitert.
Kinder auf dem Land fahren besser Rad
Kinder vom Land hingegen bewegen sich auf zwei Rädern fast so sicher wie auf zwei Beinen. Rund 97 Prozent der Viertklässler in den Landkreisen schaffen die Prüfung Bührle zufolge mit links. Die Schüler aus ländlichen Gebieten sind es dann auch, die die Quote retten: Nimmt man den Gesamtschnitt her, haben vergangenes Jahr 95 Prozent aller Viertklässler im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Nord die Radfahrausbildung geschafft. Im bayerischen Durchschnitt liegt die Zahl nach Angaben des Innenministeriums seit Jahren konstant um die 93 Prozent. Das sind Zahlen, die schon viel weniger alarmierend klingen.
Fahrrad fahren in der Stadt nach wie vor gefährlich
Dass die Arbeit der Verkehrserzieher vielerorts trotzdem immer mühsamer wird, dafür macht Polizist Ralf Bührle vor allem zwei Ursachen verantwortlich: Erstens kämen in städtischen Schulen häufiger Kinder aus Kulturkreisen zusammen, in denen das Fahrrad als Fortbewegungsmittel nicht so verbreitet sei wie hierzulande. Schüler aus Afrika oder Syrien etwa, wo noch dazu die Verkehrsinfrastruktur viel weniger ausgeprägt sei als im Freistaat. Und dann bemerkt Bührle noch eine Tendenz: Kinder seien viel weniger draußen unterwegs als noch vor zehn, zwanzig Jahren. „Gerade in der Stadt werden viele zu sämtlichen Terminen mit dem Auto gefahren.“ Ein Kind aber, das nur hinten im Wagen sitze, oft noch mit dem Handy in der Hand, lerne nicht, sich sicher auf dem Rad und im Verkehr zu bewegen. Martin Jobst, stellvertretender Landesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Bayern, findet das alarmierend: „Rad fahren ist eine Kulturtechnik“, sagt der Münchner. „Ein Kind, das nicht richtig Fahrrad fahren kann, ist in seinen Bewegungsmöglichkeiten massiv eingeschränkt.“ Er bestätigt, dass viele Eltern – vor allem in Großstädten – es für zu gefährlich hielten, den Nachwuchs allein mit dem Rad loszuschicken. Jobst kann diese Sorge nachvollziehen. „Die Verkehrsplanung ist immer noch zu stark aufs Auto zentriert.“ Es sei Aufgabe der Politik, das zu ändern.
Eltern sollen mit den Kindern üben
Damit Kinder dennoch lernen, verantwortungsvoll Rad zu fahren, appelliert Ralf Bührle von der Augsburger Polizei an die Eltern: „Sie sollten die Kinder anfangs begleiten, ihnen zeigen, wo gefährliche Situationen entstehen können und wie man richtig handelt.“ Nur so könnten die Verkehrserzieher auf vorhandenes Wissen aufbauen. Und wenn ihr Spross den Fahrradführerschein in der Tasche habe, wüssten die Eltern: „Sie können ihr Kind guten Gewissens allein im Straßenverkehr fahren lassen.“
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