Waffenscheine: Fühlen sich die Bürger nicht mehr sicher?
Immer mehr Menschen im Freistaat erhalten einen kleinen Waffenschein. Das ergab eine Anfrage der Grünen im Landtag. Politiker sind beunruhigt und auch Experten warnen vor Hysterie.
Die Menschen in Bayern rüsten auf. Von rund 66.000 kleinen Waffenscheinen (siehe Infokasten), die es Ende März in Bayern gab, wurde ein knappes Fünftel allein in den Monaten Februar und März ausgestellt. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der Grünen-Fraktion hervor. Allein im Februar wurden mit 7435 kleinen Waffenscheinen mehr Lizenzen ausgegeben als im kompletten Jahr 2015. Und in dem zählte das Innenministerium bereits mehr als doppelt so viele kleine Waffenscheine wie im Vorjahr. Die Zahl der Bürger, die in Bayern scharfe Waffen tragen dürfen, ist konstant bei rund 1800 geblieben.
„Es gibt ein Gefühl der Unsicherheit.“
Woher kommt plötzlich dieses Bedürfnis nach Waffen? Ingo Meinhard, Sprecher des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB), vermutet: „Es gibt ein Gefühl der Unsicherheit.“ Er glaubt, dass viele Kunden ihre Waffe nur zur Beruhigung haben. „Die Allermeisten werden diese Abwehrmittel niemals gebrauchen.“
Ausschlag nach Silvesternacht in Köln
Die Flüchtlingskrise geht mit einem Boom der Schreckschusswaffen einher, ist aber nicht alleinige Ursache, sagt Meinhard weiter. Einen Ausschlag gab es nach der Silvesternacht. „Das war ja nicht nur Köln, das war auch München.“ Die Polizei hatte zum Jahreswechsel den Hauptbahnhof der Landeshauptstadt sowie den Bahnhof im Stadtteil Pasing wegen einer Terrorwarnung geräumt. Fast zeitgleich kam es in Köln und anderen Großstädten zu Übergriffen vor allem auf Frauen.
Zudem wurden laut Meinhard nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 deutschlandweit deutlich mehr kleine Waffenscheine beantragt. „Irrational“ nennt der Waffenexperte dieses Verhalten. „Mit einer Schreckschusspistole bin ich nicht auf dem gleichen Niveau wie ein Terrorist mit Maschinengewehr“, sagt Meinhard.
Pfefferspray ja, Schreckschusspistole lieber nicht
Manfred Gottschalk vom Polizeipräsidium Schwaben Nord beunruhigt diese Entwicklung: „Von einer Schreckschusspistole geht keine Sicherheit aus“, sagt er. Die Gefahr, sich im Ernstfall selbst zu verletzen, sei groß. Außerdem könne man damit sogar Täter noch provozieren, sagt der Polizist. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betont: „Die Menschen haben ein Recht auf Selbstverteidigung. Pfefferspray in der Handtasche kann da durchaus vernünftig sein“, sagte er gegenüber der Deutschen Presseagentur. Bei einer Schreckschusspistole sei er aber skeptisch. Die Politik müsse „der Bevölkerung ein klares Bild vermitteln, dass die Polizei, dass der Staat alles für die Sicherheit der Menschen tut“. Deshalb werde man die Polizei im Freistaat weiter stärken und besser ausstatten.
Mehr kleine Waffenscheine - „Besorgniserregenden Entwicklung“
Katharina Schulze, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, spricht von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. „Für Sicherheit und Ordnung ist die Polizei zuständig“, sagt Schulze. „Politiker in Verantwortung dürfen nicht so viel Angst schüren“, sagt sie weiter. Das habe die Bevölkerung verunsichert. „Einen rationalen Grund für die Aufrüstung gibt es nicht.“ Zwar ist die Zahl erfasster Straftaten laut Polizeilicher Kriminalstatistik 2015 um fast 24 Prozent zum Vorjahr gestiegen. Ohne Verfahren, die mit dem Asyl- und Aufenthaltsgesetz zu tun haben, ist die Zahl aber um 2,1 Prozent gesunken.
Doch angenommen, es tritt der Ernstfall ein – ist der kleine Waffenschein beziehungsweise die Schreckschusspistole überhaupt das Mittel der Wahl? VDB-Sprecher Meinhard ist vorsichtig. Das laute Durchladen der Waffe könne Einbrecher abschrecken, eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Und man müsse sich seiner Sache sicher sein. „Wer mit der Waffe nicht übt, dem würde ich keine Schreckschusspistole empfehlen.“
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