Warum die Rückkehr zum G9 richtig ist
Das G8 steht in Bayern vor dem Aus. Das ist auch der mehrheitliche Wille von Lehrern, Eltern und Schülern. Und dennoch droht ein bildungspolitisches Chaos im Freistaat.
Die rot-grüne Regierung in Hannover hat es vorgemacht. Als erstes Bundesland schaffte Niedersachsen das Turbo-Abitur wieder ab und kehrte zum neunjährigen Gymnasium zurück. In Bayern wünscht sich diesen Schritt eine große Mehrheit der Lehrer, Eltern und Schüler. Doch die regierende CSU will sich noch immer nicht auf ein konkretes Modell festlegen und nach wie vor den Ausgang des laufenden Dialogprozesses abwarten. Dabei steht das Ergebnis doch längst fest: Das vor 13 Jahren noch unter Ministerpräsident Edmund Stoiber im Hopplahopp-Verfahren überstürzt eingeführte G8 will nur eine verschwindend geringe Minderheit.
Noch gibt es in der CSU-Landtagsfraktion Widerstände. Wohl auch deshalb, um sich vor der Schmach zu bewahren, mit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums einen schweren Fehler gemacht zu haben. Doch letztlich dürfte sich auch unter den CSU-Abgeordneten die Überzeugung durchsetzen, den Kampf nicht mehr gewinnen zu können. Die G-8-Bastion steht vor dem Fall.
Schüler sollen das Abitur in acht und in neun Jahren machen können
Als sich Ministerpräsident Horst Seehofer jüngst klar zur Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium bekannt hatte, sahen sich die Streiter für das G9 bereits auf der Zielgeraden. Doch so weit ist es noch nicht. Denn Seehofer hat auch gesagt, dass es den Schülern weiter freigestellt bleiben soll, ob sie das Abitur schon nach acht Jahren am Gymnasium ablegen wollen. Wie das zu organisieren ist, sei Sache des Kultusministers.
Und genau darin liegt ja das Problem. Die Verantwortung wird an die Schulen abgewälzt. Sie sollen selbst entscheiden, ob sie vom Schuljahr 2018/19 an bei der achtjährigen Dauer bleiben, auf ein neunjähriges Modell wechseln oder im Einzelfall auch beide Varianten parallel anbieten. Kurz gesagt: Es ist ein fauler Kompromiss.
Besonders gute Schüler sollen auch zukünftig schneller zum Abitur kommen
Selbstverständlich gibt es Schüler, die das Gymnasium in acht Jahren schaffen und mit einem ausgezeichneten Abiturzeugnis abschließen. Schon heute beenden 40 Prozent einer Jahrgangsstufe das Gymnasium mit einem Notenschnitt von 1,5 und darunter. Auch für sie sollte es in Zukunft Möglichkeiten geben – sozusagen auf der Überholspur –, zum Ziel zu kommen.
Seehofer hat ja auch gesagt, dass Bildung auf die einzelnen Personen und ihre unterschiedlichen Talente ausgerichtet sein sollte. Der Bayerische Philologenverband plädiert seit langem für flexible Modelle. Allerdings, und gerade das sollte der Politik zu denken geben, haben sich in einem Pilotversuch an 47 Gymnasien im Freistaat immerhin knapp 70 Prozent der Eltern und Schüler für eine „Mittelstufe plus“ – also die vierjährige Variante in der Mittelstufe – und damit gegen das Turbo-Abitur ausgesprochen.
G8 oder G9: Gymnasien sollten nicht selbst entscheiden müssen
Die Gymnasien selbst über G8 oder G9 entscheiden zu lassen, kann keine Lösung sein. Denn wer bitte trifft an den Schulen die Entscheidung, welches Modell letztlich favorisiert wird? Die Lehrer, die Eltern oder der Schulträger? Dann droht ein quälender Prozess, der schnurstracks ins bildungspolitische Chaos führt und die Flickschusterei nur noch befeuert.
Geradezu grotesk erscheint es, beide Varianten parallel laufen zu lassen. Dieses Modell ist nicht finanzierbar und führt zwangsläufig zur Frage, wer etwa den zusätzlichen Bedarf an Pädagogen bezahlt. Ist es der Staat, sind es am Ende die Kommunen?
Er wolle Ruhe an der Schulfront, hat Ministerpräsident Seehofer einmal gesagt. An dem Gymnasium könnte er sie bekommen, wenn sich die Staatsregierung endlich zu einem klaren Kurs durchringt. Am Ende dieses Weges kann nur die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium stehen und damit der Abschied vom Turbo-Abitur. Niedersachsen hat es vorgemacht.
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