Warum gehen unsere Noten eigentlich von 1 bis 6?
Heute bekommen mehr als eine Million Schüler in Bayern ihre Zeugnisse. Die besten wurden schon immer belohnt. Und die schlechteste aller Noten gibt es noch gar nicht so lange.
Am Anfang gab es Semmeln. Wer in einer Prüfung überzeugte, bekam eine Tüte mit nach Hause. So steht es in der sächsischen Schulordnung aus dem Jahr 1530. Es ist das erste Dokument, das vorschreibt, dass Schüler jedes Halbjahr beurteilt werden sollten. „Semmeln oder dergleichen“ waren so etwas wie die Note eins des 16. Jahrhunderts. Was die Nächstbesten bekamen, weiß man nicht. Zweien und Dreien waren es jedenfalls nicht. Denn das moderne Notensystem ist lange nicht so alt.
Rund 1,5 Millionen Schüler an Bayerns Schulen bekommen am Freitag ihr Zeugnis. Nicht bei allen stehen Noten von eins bis sechs darin. Am Anfang der Grundschule ersetzt ein Wortgutachten die Ziffern. Bis zum Ende der dritten Klasse können Grundschulleiter weiter darauf verzichten und den Eltern in einem Gespräch sagen, wie viel ihr Kind schon weiß.
Rund 50.000 Schüler in Bayern drehen Extrarunde
Den Stress mit den Noten, das nervenaufreibende Ausrechnen des Schnitts gibt es überhaupt erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Würzburger Bildungsforscher Johannes Jung untersucht schon so lange die Geschichte der Schulbildung in Bayern, dass er die Zahlen nahezu auswendig weiß. Jung forscht am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. „Die allgemeine Schulpflicht“, erzählt er, „wurde Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt.“ Am Ende ihrer – damals noch weitaus kürzeren – Laufbahn erhielten die Schüler in Bayern Jung zufolge nur eine Bescheinigung darüber, die Schulpflicht „abgeleistet“ zu haben. „Wer sie besaß, durfte einen Beruf ergreifen, heiraten und ein Grundstück kaufen.“
So wichtig für alle Lebensbereiche kann kein Jahreszeugnis heute sein. Ein Trost also für jährlich rund 50.000 Schüler in Bayern, die nach den Sommerferien eine Klasse wiederholen – freiwillig oder weil das Zeugnis es nicht zulässt.
Warum gehen unsere Noten von eins bis sechs?
Die Noten fünf und sechs, heute oft verantwortlich für heimlich vergossene Tränen und Dramen beim Abendessen, gab es bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch gar nicht. Erst als sich um 1812 das Gymnasium als Vorbereitung auf das Studium etablierte, mussten die Schüler nachweisbar Leistung bringen – damals allerdings nur in Abstufungen von eins bis drei. Mehr als eine grobe Orientierung waren diese Noten wohl nicht, denn selbst mit unterdurchschnittlichem Wissen durfte ein Schüler an die Hochschule wechseln. Nach und nach wurde die Bewertungsskala differenzierter, über ein Jahrhundert lang bestand das deutsche Notensystem aus fünf Stufen – eine Praxis, auf die ein Großteil der europäischen Länder bis heute schwört.
Aber wann kam die deprimierende Zusatz-Zensur? Warum gehen unsere Noten heute von eins bis sechs? Die Antwort des Bildungsforschers Johannes Jung dürfte Schüler und Eltern schwer treffen: Die Sechs ist demnach im Grunde nur dazu da, zu viele Dreien zu vermeiden. Wer das verstehen will, muss in Statistik zumindest ein bisschen aufgepasst haben. „Bei einem fünfstufigen Notensystem ist es einfach verlockend, die mittlere Note zu vergeben“, erklärt Jung. Diese Tendenz könne man mit einer geraden Zahl an Noten verhindern. Da lag es nahe, einfach die Sechs hinzuzufügen. „Theoretisch könnten es auch 20 Stufen sein – oder hundert.“
Dauer der Ferien: 75 Werktage sollten es sein
Dass es nicht so kam, liegt am Hamburger Abkommen, in dem die Bundesländer im Oktober 1964 die Vereinheitlichung des Schulwesens beschlossen haben. Mit ein paar Ergänzungen gilt es noch immer. In dem siebenseitigen Schreiben haben die Ministerpräsidenten auch noch etwas anderes festgelegt: die Dauer der Ferien. 75 Werktage sollten es sein. Und der größte Teil davon fängt gerade erst an.
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