Wer wird Ulms Oberbürgermeister?
Der bisherige Amtsinhaber Ivo Gönner tritt nach 24 Jahren nicht mehr an. Am Sonntag entscheiden die Bürger über seine Nachfolge. Sieben Kandidaten gehen ins Rennen
Als Ivo Gönner im Juli seine letzte Schwörrede hielt, war der historische Weinhof so voller Menschen wie noch nie. Alle wollten noch einmal den Oberbürgermeister auf dem Balkon des Schwörhauses sehen, der am Schwörmontag, dem „Ulmer Feiertag“, Rechenschaft vor den Bürgern ablegt. Die Feier zeigte einmal mehr, wie populär Gönner bei den Ulmern ist. Die meisten hätten nichts dagegen gehabt, wenn der 63-Jährige noch eine halbe Amtszeit drangehängt und bis 2019 weitergemacht hätte. Doch Gönner hat für sich entschieden, dass 24 Jahre als Stadtoberhaupt genug sind. Ende Februar 2016 tritt er als Oberbürgermeister ab. Der Sozialdemokrat will künftig wieder als Rechtsanwalt arbeiten. Über Gönners Nachfolge entscheiden die Ulmer am 29. November.
Bei der Oberbürgermeister-Wahl in Ulm gibt es keinen haushohen Favoriten
Die OB-Wahl wird spannend. Anders als vor acht Jahren, als die CDU aus Angst vor einer Blamage erst gar keinen Kandidaten ins Rennen geschickt hatte und Gönner mehr als 80 Prozent der Stimmen holte. Diesmal gibt es keinen haushohen Favoriten. Sieben Bewerber stellen sich zur Wahl. Als aussichtsreichste Kandidaten gelten Gunter Czisch (CDU) und Martin Rivoir (SPD).
Czisch ist seit 15 Jahren Erster Bürgermeister der Stadt Ulm und damit auch verantwortlich für den städtischen Haushalt. Er kennt die Verwaltung aus dem Effeff und ist außerdem für die Tochtergesellschaften der Stadt zuständig. Der 52-jährige Familienvater ist also im Rathaus bestens vernetzt. „Schwäbisch solide Finanzpolitik“ erklärt er zu seinem Markenzeichen. Der gebürtige Stuttgarter hat bei der Stadt Ulm seine Ausbildung gemacht und sich über den zweiten Bildungsweg hochgearbeitet. Eines seiner Ziele ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Er will Ulm in diesem Bereich zu einer Art Vorzeigestadt machen.
Noch tiefer in der Münsterstadt verwurzelt ist Martin Rivoir. Der gebürtige Ulmer wurde im Münster getauft, ging in Ulm zur Schule und arbeitete nach dem Studium viele Jahre als Ingenieur bei AEG in der Weststadt. Seit 2001 ist der 55-Jährige Landtagsabgeordneter. Das Mandat will er sofort niederlegen, falls er zum Oberbürgermeister gewählt wird. Seine Kontakte nach Stuttgart will er aber weiter nutzen. Rivoirs großes Thema ist der Wohnungsbau. Er verspricht eine Offensive mit mindestens 700 neuen Wohnungen im Jahr und sagt: „Als Oberbürgermeister werde ich der oberste Kümmerer für große und kleine Anliegen sein.“
Zukünftiger Oberbürgermeister bekommt guten Einstieg in Amtszeit
Auch die Büroangestellte Birgit Schäfer-Oelmayer (Grüne) und der Kulturmanager Ralf Milde (parteilos) haben als Stadträte jahrelange kommunalpolitische Erfahrung. Dennoch dürften sie nur Außenseiterchancen haben. Das gilt noch mehr für die Dokumentarin Anja Hirschel (Piraten), die Software-Entwicklerin Lisa Collins (Die Partei) und die Ethnologin Sevda Caliskan (parteilos).
Die Wahl fällt in eine Zeit, in der Ulm gut dasteht. Der Haushalt ist ausgeglichen, die Gewerbesteuereinnahmen sind auf hohem Niveau stabil. Auch im nächsten Jahr macht die Stadt keine neuen Schulden. Stattdessen investiert sie so viel wie noch nie – 124 Millionen Euro. Doch die beschlossenen Großprojekte binden die finanziellen Mittel auf Jahre hinaus. Und weil überall gleichzeitig gebuddelt wird, droht der Innenstadt ein Verkehrskollaps. Der Bau der neuen Straßenbahnlinie 2 zur Uni und zum Schulzentrum hat bereits begonnen. Der Bahnhofsplatz wird bald neu gestaltet, darunter entsteht eine Tiefgarage mit 520 Parkplätzen.
Später kommen ein neues Bahnhofsgebäude und ein unterirdischer Zugang zur Fußgängerzone dazu. Einen Steinwurf entfernt baut ein privater Investor das neue Einkaufsquartier Sedelhöfe. Ulm steht also vor großen Herausforderungen, doch das große Streitthema gibt es momentan nicht. Der Wahlkampf lief deshalb bislang äußerst unaufgeregt und fair ab.
Weil sieben Kandidaten ins Rennen gehen, wird es auch für die Favoriten schwer, die absolute Mehrheit zu holen. Eine baden-württembergische Besonderheit: Falls kein Bewerber mehr als die Hälfte der Stimmen bekommt, gibt es am 13. Dezember keine Stichwahl, sondern eine Neuwahl. Dann können alle Bewerber noch einmal antreten, und es können sogar weitere Kandidaten dazukommen. Bei diesem zweiten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Spätestens dann steht also fest, wer Nachfolger von Ivo Gönner wird.
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