Zugunglück: Fahrdienstleiter könnte Gleise verwechselt haben
Nach dem Zugunglück in Aichach prüfen die Ermittler, ob der Fahrdienstleiter die Gleise verwechselt hat. Es geht außerdem um die Frage, ob er abgelenkt war.
Welche Rolle spielte eine Besonderheit im Fahrplan der Deutschen Bahn für das tödliche Zugunglück in Aichach am Montagabend? Dieser Frage gehen nach Informationen des Spiegel derzeit die Ermittler nach.
Zum Hintergrund: Täglich fahren 19 Regionalbahnen von Augsburg über Aichach nach Ingolstadt. 17 von ihnen fahren auf Gleis zwei in den Aichacher Bahnhof. Nur die Züge um 6.11 Uhr und um 21.16 Uhr nutzen Gleis eins, um Güterzügen Platz zu machen. Am Montag passierte dann jedoch der folgenschwere Fehler: Eine Weiche war manuell falsch gestellt worden und so fuhr der Unglückszug um 21.16 Uhr irrtümlich auf Gleis zwei Richtung Bahnhof – und kollidierte mit einem dort stehenden Güterzug. Der 37 Jahre alte Lokführer der Regionalbahn sowie eine 73 Jahre alte Passagierin starben, 14 weitere Fahrgäste wurden verletzt.
Fahrdienstleiter sagte nach dem Zugunglück ausführlich aus
Laut Spiegel überprüfen die Ermittler nun, ob der am Montag verantwortliche Fahrdienstleiter möglicherweise die zwei Gleise verwechselt hat. Der 24-Jährige soll erst seit gut einem Jahr im Dienst sein. Außerdem werde geprüft, ob er bei der Weichenstellung durch Gespräche abgelenkt gewesen sein könnte. In unmittelbarer Nähe seines Arbeitsplatzes im Stellwerk befinde sich ein Aufenthaltsraum. Dort habe zum Unglückszeitpunkt offenbar ein Lokführer gewartet, der seinen Kollegen im Personenzug habe ablösen sollen.
Der Fahrdienstleiter, gegen den unter anderem wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt wird, hat bei der Polizei inzwischen ausführlich über den Unfall ausgesagt. Das bestätigte am Freitag Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai unserer Redaktion. Zu Details der Aussage wollte sich Nickolai nicht äußern. Die Ermittlungen liefen, ein Gutachten zum Ablauf des tödlichen Unfalls werde erstellt. Bis dieses vorliege, werde er keine weiteren Auskünfte mehr zum Stand der Ermittlungen geben, erklärte er.
Kritik an der veralteten Stellwerk-Technik
Während Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft bislang davon ausgehen, dass menschliches Versagen des Fahrdienstleiters für den Unfall ursächlich war, kam zuletzt auch Kritik an der veralteten Technik im Stellwerk des Aichacher Bahnhofs auf. Dort müssen die Fahrdienstleiter noch händisch Signale und Weichen stellen.
Vertreter des Fahrgastverbandes „Pro Bahn“ sind davon überzeugt, dass das Unglück mit einer modernen und computergestützten Technik hätte verhindert werden können. Die Deutsche Bahn hielt sich diesbezüglich und mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen am Freitag bedeckt.
Deutschlandweit werde jedes vierte Stellwerk mechanisch betrieben, insgesamt 752. Jedes einzelne Stellwerk sei „für einen sicheren Eisenbahnbetrieb durch die zuständigen Behörden zugelassen“. Die Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik auf dem insgesamt rund 33.200 Kilometer langen Streckennetz erfolge „perspektivisch“ und hänge von den vom Bund dafür zur Verfügung gestellten Geldern ab. Das gelte prinzipiell auch für den Bahnhof in Aichach.
„Wir werden das Ergebnis der Ermittlungen abwarten und dann über mögliche Konsequenzen entscheiden“, sagte eine Sprecherin der Bahn auf Nachfrage unserer Redaktion. Der von den Ermittlern in den Fokus genommene Fahrplan in Aichach sei derweil „keine Besonderheit“. Dass Regionalzüge auf unterschiedlichen Gleisen durch einen Bahnhof fahren, sei vielerorts der Fall und der Komplexität des Fahrplans geschuldet. Für einen Fahrdienstleister sei eine derartige Regelung „ganz normales Tagesgeschäft“. (mit afp)
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