Zugunglück: Hunderte nehmen Abschied von Nicole (16)
Knapp eine Woche nach dem Zugunglück in Memmingen haben hunderte Menschen Abschied von einem der getöteten Mädchen genommen.
An der Urnenwand im Memminger Waldfriedhof ist eine Stereoanlage aufgebaut. Xavier Naidoo singt „Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt“. Mehrere hundert Jugendliche und Kinder haben sich vor der Wand versammelt. Viele von ihnen weinen, liegen sich in den Armen, trösten sich gegenseitig.
Es ist kurz vor 16 Uhr an diesem Donnerstagnachmittag. Die Urne mit der Asche der 16-jährigen Nicole aus Memmingen wird an den Ort gebracht, an dem sie in Frieden ruhen soll.
Wie berichtet, ist die Neuntklässlerin am vergangenen Freitag zusammen mit ihrer drei Jahre jüngeren Freundin Vanessa bei einem Zugunglück ums Leben gekommen. Nach dem letzten Stand der polizeilichen Ermittlungen hat es sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um einen tragischen Unfall gehandelt. Die 13-Jährige wird am heutigen Freitag ebenfalls auf dem Memminger Waldfriedhof beigesetzt.
Die Trauerfeier für Nicole beginnt an diesem Donnerstag um 15 Uhr. Die Luft in der Aussegnungshalle ist heiß und stickig. Viele der Trauernden finden keinen Sitzplatz mehr, verfolgen die Zeremonie im Stehen.
Verzweifelten Mädchen laufen Tränen über die Wangen. Sie ziehen ihnen lange schwarze Streifen übers Gesicht, als die Schminke verläuft. Zwischen ihren gesenkten Köpfen hindurch kann man Trauerredner Peter Steinhart-Ness aus Günzburg sehen.
Er steht vor den Trauernden, neben der Urne und einem Foto von Nicole. Steinhart-Ness wählt berührende, aber auch tröstende Worte, beschreibt den getöteten Teenager als einen überall beliebten, vielseitig begabten und engagierten Menschen – und bringt in seiner Rede die seit Tagen in Nicoles Freundeskreis und Verwandtschaft vorherrschende Stimmung auf den Punkt: Ein junger Mensch mit unendlich vielen Träumen ist viel zu früh, auf brutale und schockierende Art und Weise aus dem Leben gerissen worden.
„Auf die Frage, warum das so ist, werden wir keine Antwort bekommen. Wir werden dieses Geschehen nicht verstehen, nur irgendwann einmal vielleicht akzeptieren können“, sagt Peter Steinhart-Ness dann der großen Trauergemeinde. Seine Rede wird mehrmals von Petra Bucher und Uli Willer unterbrochen, die moderne Pop-Balladen spielen. Für einige der Jugendlichen sind die herzergreifenden Lieder zu viel: Weinend verlassen sie die Aussegnungshalle.
Wenig später dann wird die Urne ins Freie getragen. „Nicole, du warst ein Sonnenschein“, hat der Trauerredner über sie gesagt. Auf ihrem letzten Weg geleiten sie nun warme Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher. Auch zahlreiche junge Männer lassen ihren Gefühlen jetzt freien Lauf. Schluchzer sind zu hören, als der lange Trauerzug stumm an einem überlebensgroßen Kruzifix vorbeizieht.
Xavier Naidoos Zeile, trotz allem nicht aufzuhören, von einer besseren Welt zu träumen, kommen Nicoles Freunde und Mitschüler zum Abschluss der Trauerfeier nach: Sie lassen viele Dutzend bunte Luftballons in den Himmel aufsteigen.
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