Zweieinhalb Jahre Haft - doch das Verfahren wird weitergehen
Das letzte Wort im Prozess um den Todesfahrer von Untermeitingen ist noch nicht gesprochen: Ein 21-Jähriger wurde zwar zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, doch sowohl Staatsanwalt als auch Verteidiger gehen in Berufung. Von Carmen Schaumann
Von Carmen Schaumann
Augsburg/Untermeitingen - Das letzte Wort im Prozess um den Todesfahrer von Untermeitingen ist noch nicht gesprochen: Ein 21-Jähriger wurde zwar am Dienstag zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, doch sowohl Staatsanwalt als auch Verteidiger wollen in Berufung gehen.
Die Liste der Anklagepunkte war lang: fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung, vorsätzliche Trunkenheit am Steuer, vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubtes Verlassen des Unfallorts. Der 21-Jährige wurde nach Jugendstrafrecht verurteilt.
Dreieinhalb Jahre Haft hatte die Staatsanwaltschaft im Todesfahrerprozess von Untermeitingen gefordert. Als dies der Angeklagte hörte, sei er in Tränen ausgebrochen, heißt es aus den Kreisen der Angehörigen, da die Verhandlung nicht öffentlich stattfand. Die Staatsanwaltschaft will ebenfalls in Berufung gehen.
In ihrem Plädoyer zielte die Verteidigung darauf ab, dass nicht bewiesen ist, dass der Angeklagte am Steuer saß. Anwalt Dr. Kühn forderte deswegen lediglich eine Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit am Steuer und Jugendarrest, der aber mit der U-Haft bereits abgegolten wäre. Falls es der Richter dennoch als erwiesen ansähe, dass der Angeklagte der Todesfahrer ist, setzte sich die Verteidigung für eine zweijährige Jugendstrafe auf Bewährung ein.
Richter Rolf Guder und zwei Schöffen des Jugendschöffengerichts Augsburg sahen dieSchuld des 21-jährigen Großaitingers als erwiesen an, sagte Amtsgerichtssprecher Walter Hell gestern nach der nicht öffentlichen Urteilsverkündung in einer Pressekonferenz. Sowohl aufgrund der Geständnisse, die er zunächst bei der Polizei gemacht und beim Haftrichter wiederholt hatte, als auch wegen der Aussage eines Zeugen, der auf der Rücksitzbank im Auto des Angeklagten gesessen hatte, kam es zu dieser Entscheidung. Er hatte bestätigt, einen dumpfen Aufprall gehört zu haben, woraufhin der Angeklagte das Licht ausgeschaltet habe und weggefahren sei.
Verteidiger Dr. Hermann Kühn ist dagegen anderer Meinung: "Die Schuld meines Mandanten hinsichtlich der fahrlässigen Tötung sehe ich nicht als erwiesen an." Er will in Berufung gehen. Das Landgericht wird den Fall dann voraussichtlich im Sommer 2008 neu aufrollen und möglicherweise ein milderes Urteil fällen - wenn er sich zu seiner Schuld bekennt. Bis dahin bleibt der Verurteilte auf freiem Fuß. Angeklagt war der 21-Jährige, weil er eine Frau angefahren und sein Opfer liegen gelassen hat. Sechs Monate dauerte es, bis die Polizei dem Täter auf die Spur kam.
Die Tochter der Getöteten zeigte sich nach dem Urteil erleichtert. Sie sagte aber auch, dass es keine gerechte Strafe geben könne, da ihre Mutter in keinem Fall wiederkomme.
Der Unfall: was damals geschah
Was damals geschah: Eine 41-jährige Frau wird am 9. Dezember 2006 morgens um kurz vor vier Uhr in Untermeitingen von einem Kombi angefahren. Die zierliche Frau liegt reglos im Acker. Der Fahrer aber lässt das Opfer liegen, schaltet das Licht aus, drückt auf das Gaspedal und ist weg. Die Begleiter der Frau rufen sofort den Notarzt, doch die Mutter einer 15-jährigen Tochter stirbt wenig später im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen.
Die Kriminalpolizei nimmt die Ermittlungen auf und verhaftet bald einen 35-jährigen Mann. Schnell aber stellt sich heraus, dass dieser unschuldig ist. Eine Sonderkommission (Soko) wird gegründet und eine Belohnung ausgesetzt. Aber die Polizei tappt weiter im Dunkeln. Einziger Anhaltspunkt ist ein dunkler Kombi.
Die Polizei startet eine beispiellose Suchaktion: Die Soko wird aufgestockt, überprüft Werkstätten, Schrotthändler sowie Privatpersonen, ermittelt in einer Diskothek, wertet Handydaten aus und richtet eine Hotline für anonyme Hinweise ein. Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen. "Aktenzeichen XY ungelöst", "Brisant" und "taff" berichten im Fernsehen. Erst dann, rund sechs Monate nach dem Unfall, melden sich wichtige Zeugen. Ein 21-Jähriger aus Großaitingen wird daraufhin festgenommen. Er gesteht die Tat zunächst - widerruft dies aber später. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage. Am ersten Prozesstag, am 18. September, schließt Richter Rolf Guder die Öffentlichkeit von der Verhandlung aus. Das ist möglich, da der Angeklagte zur Tatzeit erst 20 Jahre alt gewesen ist und damit als Heranwachsender gilt und rechtlich noch einen besonderen Schutz genießt. Vor Gericht macht der junge Mann keine Aussage. Rund 80 Zeugen werden gehört. Zwei von ihnen werden im Gerichtssaal festgenommen. Sie sollen falsche Aussagen gemacht haben. Beide kommen rasch wieder frei und auch der Angeklagte, der seit 16. Mai in Untersuchungshaft sitzt, wird am 13. November entlassen, weil keine Verdunklungsgefahr mehr besteht.
Die Diskussion ist geschlossen.