Gotthard-Basistunnel: Das berichten die Arbeiter vom Bau in der Tiefe
Der Gotthard-Basistunnel wurde am heutigen Mittwoch eröffnet. Wie war es, tief im Berg daran gebaut zu haben? „Fantastisch“, sagen diejenigen, die daran beteiligt waren.
Mit einem "Bahn frei" hat der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Amman den neuen Gotthardtunnel eröffnet. Auf das Signal hin fuhren zwei Züge mit jeweils 500 Bürgern vom Nord- und Südportal aus in den mit 57 Kilometern längsten Eisenbahntunnel der Welt.
Schneider-Ammann würdigte die Eröffnung als historischen Tag. An der Fertigstellung des "Jahrhundertwerks" hätten mehrere Generationen mitgewirkt. "Es ist ein wichtiger Schritt für die Schweiz, für unsere Nachbarn und den Rest des Kontinents", sagte das Schweizer Staatsoberhaupt. Zu den Feierlichkeiten wurden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi erwartet.
Der in 17-jähriger Bauzeit für umgerechnet rund 11 Milliarden Euro (12,2 Mrd. Franken) fertiggestellte Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der "Neuen Eisenbahn-Alpentransversale" (NEAT). Mit diesem europäischen Großprojekt sollen weite Teile des Güterverkehrs zwischen dem Nordseehafen Rotterdam und Genua am Mittelmeer von der Straße auf die Schiene verlegt werden.
Was berichten die Arbeiter über den Bau des Tunnels?
So unglaublich der Gotthard-Basistunnel ist, man könnte ihn auch ganz nüchtern betrachten. „Im Rohbau sieht jeder Tunnel gleich aus“, sagt Edy Aschwanden beispielsweise. „Die einzigen Unterschiede sind Länge und Breite.“ Der Mann weiß, wovon er spricht. In den vergangenen 30 Jahren hat er in jedem Bahntunnel rund um Zürich geschuftet. Ein Projekt nach dem andern. Da muss man Routine entwickeln.
Und doch ist das hier nicht irgendein Tunnel. Auch nicht für Edy Aschwanden. Kann es gar nicht sein. „Die Dimension Gotthard-Basistunnel, das ist einfach wahnsinnig!“ Sagt es und nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette, Marke Select. Vier Jahre lang, bis zu seiner frühzeitigen Pensionierung vor knapp zwei Jahren, war seine Baustelle der längste Eisenbahntunnel der Welt und sein Einsatzort Faido im Schweizer Kanton Tessin.
Welch ein Abschluss für ein Berufsleben. Ausgerechnet der Gotthard, Quellgebiet des Rheins, der Rhone, von Goethe in „den Rang eines königlichen Gebirges“ erhoben. Und gleichzeitig wichtigstes Bindeglied der Verkehrsachse zwischen Nordsee und Mittelmeer, seit kühne Baumeister im 13. Jahrhundert die wilde Schöllenenschlucht mithilfe einer hölzernen Brücke überwanden. Kein Wunder also, wenn jetzt einmal mehr von „historischen Dimensionen“ die Rede ist, vom „Stolz einer ganzen Nation“. Morgen wird hier zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Tessin mit einem großen Staatsakt der Gotthard-Basistunnel eröffnet.
Gotthard-Basistunnel ist sieben Kilometer länger als der Tunnel unter dem Ärmelkanal
Das Jahrhundertbauwerk, das sieben Kilometer länger ist als der Eurotunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und England, dürfte Verantwortliche für Großprojekte in Deutschland vor Neid erblassen lassen. Trotz der gewaltigen Dimensionen wurde das größte Investitionsprojekt in der Geschichte der Eidgenossenschaft mit der sprichwörtlichen Präzision eines Schweizer Uhrwerks durchgezogen – ohne große Kostenüberschreitungen und am Ende sogar ein Jahr schneller als geplant.
12,2 Milliarden Franken, umgerechnet 11,0 Milliarden Euro, waren allein für das Kernstück des Gotthard-Basistunnels veranschlagt. Das gesamte Alpentransit-Projekt, mit weiteren Röhren durch den Lötschberg und dem Ceneri-Basistunnel zwischen Bellinzona und Lugano (Inbetriebnahme Ende 2020), soll 23 Milliarden Franken kosten.
In Spitzenzeiten haben fast 2500 Menschen gleichzeitig an dem gigantischen Bau des Gotthard-Basistunnels gearbeitet. Darunter eben auch Edy Aschwanden. Geplant war das in seinem Fall nicht. Überhaupt ist der jetzt 67-Jährige zu diesem Job gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Als es im Hochbau kriselte, hat man dem gelernten Baupolier angeboten, im Tunnelbau weiterzuarbeiten. Wenig begeistert sagte Aschwanden damals zu. Und blieb, bis zum Schluss. „Bist du einmal drin, willst du nicht mehr raus.“
Gotthard-Basistunnel-Eröffnung: Mann schwärmt von seinem Beruf
Spricht man ihn auf seinen Beruf an, gerät er noch heute ins Schwärmen. Die Arbeit sei vielfältig und abwechslungsreich, kein Tag wie der andere. Trotz Lärm, Hitze, Dreck, mancher Gefahren, der Tiefe, einem Alltag ohne Tageslicht und teilweise schlechter Luft. Für einen Laien ist das schwer nachvollziehbar. Edy Aschwanden ringt um Worte. Für einen Moment hebt er Schultern und Arme und lässt sie wieder fallen. „Was es ausmacht, kann ich nicht beschreiben, das muss man einfach erleben.“
Als der Durchstich des Gotthard-Basistunnels geschafft war, erhielt Aschwanden das Angebot, in einem Tunnel in Winterthur weiterzuarbeiten. In seinem Alter wollte er sich das aber nicht mehr antun. Er ließ sich frühzeitig pensionieren. An den neuen Lebensrhythmus, die Stille, das Tageslicht, die Luft, musste er sich erst gewöhnen. Mit Sport habe er nichts am Hut, und im ersten Jahr hat ihm „einfach etwas gefehlt“, gibt er zu. Inzwischen, sagt er, hat sich das gelegt. Was bleibt? Was wohl: „Dass ich als einer von vielen zur Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels beigetragen habe, darauf bin ich stolz.“
Im ersten Zug, der morgen durch den neuen Tunnel fährt, werden nicht die üblichen Politiker und Ehrengäste sitzen, sondern hunderte „Normalbürger“. Schließlich ist das Projekt 1998 überhaupt erst durch eine Volksabstimmung ermöglicht worden. Dies ist ein Tunnel vom und für das Volk, soll dies wohl signalisieren. Erst im zweiten Zug folgt die Prominenz. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi werden erwartet. Bis zur Aufnahme des regulären Bahnbetriebs wird noch einige Zeit vergehen. Erst nach 3000 weiteren Testfahrten soll die Strecke kurz vor Weihnachten endgültig freigegeben werden. Dann endlich kann der 1882 in Betrieb genommene Gotthardtunnel zwischen Göschenen und Airolo in die Ruhestandsreserve geschickt werden.
---Trennung _Frau erzählt von Arbeit im Tunnel_ Trennung---
Eröffnung: Neuer Gotthard-Basistunnel ist viel tiefer als der alte
Was den neuen vom alten Tunnel unterscheidet, ist neben der viel größeren Länge vor allem die enorme Tiefe, die gerade Strecke und seine Ebenerdigkeit. Der Basistunnel verläuft bei nur geringfügigen Steigungen sowie ohne enge Kurven auf einer Höhe von maximal 550 Metern über dem Meeresspiegel. Statt etwa 1100 Meter Gebirgsmasse wie beim alten türmt sich über dem neuen Tunnel bis zum Gipfel des Gotthards eine Felsabdeckung von 2300 Metern auf.
Personenzüge können den Tunnel mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern durchrasen. Die Verbindung zwischen Zürich und Lugano soll sich um 45 Minuten auf rund zwei Stunden verkürzen. Doch wichtiger als größere Bequemlichkeit für Reisende sind für Volkswirtschaft und Umwelt die Effekte im Güterverkehr. Pro Tag können künftig 260 Güterzüge das Gotthardmassiv durchqueren statt bisher maximal 180. Damit soll ein Teil der Gütertransporte zwischen Nord- und Südeuropa von der Straße auf die Schiene verlagert werden.
Effekte, Kosten, Nutzen – Sabine von Büren kann solche Aspekte nachvollziehen. Aber wenn man wie die 47-Jährige so lange, nämlich 16 Jahre, so viel Herz in diese Sache gesteckt hat, dann ist da einfach noch mehr. „Ein Berg ist nicht bloß ein Stein. Er hat ein Leben und bewegt sich“, sagt sie. Diese ungeahnten Kräfte habe sie schon mehrmals erlebt. „Da steht man mitten im Tunnel und es gibt einen Knall, ohne dass jemand eine Sprengung gezündet hat. Wow! Das fährt ein!“
Wie eine Frau die Arbeit im Gotthard-Basistunnel erlebte
Schichtbetrieb. Zehn Tage arbeiten, vier Tage frei. Eine Zeit lang bestimmte dieser Arbeitsrhythmus das Leben von Sabine von Büren. Die gelernte Tiefbauzeichnerin und studierte Bauingenieurin war in einem Leitungsteam zeitweise für zwei Abschnitte gleichzeitig tätig. Sie musste auf die Einhaltung von Terminen achten, auf Qualitätssicherung, natürlich auf die Kosten. Ständig gab es neue Ansprechpartner. „Da prallten Interessen aufeinander und es gab hart geführte Diskussionen“, sagt sie. „Hart, aber immer mit dem nötigen Respekt.“
Diesen Respekt in einer von Männern dominierten Arbeitswelt musste sie sich allerdings hart erarbeiten. „Eine Frau gehört nicht in den Tunnel, sie bringt nur Unglück!“ Dieser Spruch, ja Aberglaube war vor 16 Jahren unter manchen männlichen Kollegen, gerade unter Sprengexperten (in der Schweiz Mineure genannt), noch verbreitet. „Ich weiß von Mineuren, die den Tunnel verließen, wenn Politikerinnen eine Tunnelbaustelle besichtigten.“ Heute, sagt sie, sei so ein Klischeedenken kaum mehr Thema unter den Kollegen.
Und jetzt, wo alles geschafft ist – ist da die große Leere? Bei Sabine von Büren eher die große Dankbarkeit. „Ich stand an Orten, wo noch nie ein Mensch war, und durfte ein Bauwerk für mehrere Generationen erstellen und mitgestalten. Das erfüllt mich mit Befriedigung und Stolz.“ Es geht ja weiter. Für sie wie vor allem für die Kollegen, die an den anderen großen Tunnelprojekten mitten in den Bergen arbeiten.
Dazu gehört neben dem geplanten Mont-Cenis-Basistunnel zwischen Italien und Frankreich (ebenfalls 57 Kilometer, kaum vor 2026 fertig) der Brenner-Basistunnel zwischen Österreich und Italien. Dieses Kernstück der neuen Brennerbahn soll 64 Kilometer lang und damit zum nächsten „Tunnelweltmeister“ werden. Doch bis frühestens 2026 Züge durch die Brenner-Riesenröhre rollen, bleibt der Gotthard die Heimstatt des Eisenbahntunnel-Weltrekordlers. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.
Der Tunnel ist ja richtig billig, wenn man bedenkt, was für den BER schon verpulvert wurde und nichts ist fertig. Aber so ist es halt, wenn Politiker Bauherrn sein wollen und es ist ja nicht ihr Geld.