Ein lautes Ja zum Wandel in der Medienbranche
Beim Newscamp in Augsburg rufen Medienmanager zu mehr Mut beim digitalen Wandel auf. Ihr Appell: stärker in Technologien investieren und herkömmliche Strukturen überdenken.
Dem Skandinavier wird ja gerne ein nüchternes Wesen nachgesagt. Perfekte Voraussetzungen, könnte man also sagen, wenn es um ein kontroverses Thema wie den Medienwandel geht. Da stecken ohnehin genügend Emotionen drin – und jede Menge brisanter Fragen. Hat die gedruckte Nachricht noch eine Zukunft? Können kleinere Verlage im Wettbewerb mit den globalen Mega-Konzernen Google, Facebook und Co. überhaupt überleben? Und braucht es in diesen Zeiten eigentlich noch klassische Journalisten?
Ja, ja und ja – auch wenn es einige Anstrengungen und viel Mut zur Veränderung erfordert. So lautete die klare Antwort von Fredric Karén, Chefredakteur in der skandinavischen Schibsted Media Group und Hauptredner beim diesjährigen Augsburger Newscamp, einer der führenden Digitalkonferenzen im deutschsprachigen Raum. Karén (49) hatte bei seiner Eröffnung am Mittwoch für die rund 400 Teilnehmer aus der Verlags- und Medienbranche eine spannende Geschichte im Gepäck: den radikalen Wandel der schwedische Tageszeitung Svenska Dagbladet hin zu einem digitalen Nachrichtenunternehmen.
Der Appell des smarten Schweden an die Medienschaffenden: Veränderungen annehmen und neue unternehmerische Wege finden. „Wenn wir als Verleger weiter eine Rolle spielen wollen, müssen wir in Technologie und Journalismus investieren“. Wohin das führen kann, zeigte Karén gleich mit. Rund 300 Entwickler arbeiten in dem skandinavischen Unternehmen inzwischen an technischen Lösungen, die den Redakteuren und Mitarbeitern die gigantische Menge an Informationen des Internets besser verfügbar und das Arbeiten so effizienter machen sollen. So bleibt – befreit von Technik und Produktion – mehr Zeit für das Wesentliche: investigative Recherche und fairer, ausgewogener Qualitätsjournalismus. Und der sei angesichts von Fake News, Filterblasen und einem US-Präsidenten, der mit etablierten Medien auf Kriegsfuß steht, wichtiger denn je. Ein Satz, für den es am Tag der Pressefreiheit viel Applaus gab.
Gleichzeitig, und das ist der zweite Ansatz von Schibsted, adressiert das neue Bekenntnis zur Technologie auch den Nutzer. Seit zwei Jahren wird die Homepage des Svenska Dagbladet von einem Algorithmus gesteuert. Unter anderem anhand eines Nachrichtenwertes, den der Redakteur einem Artikel mitgibt, oder etwa der Zahl der Aufrufe, entscheidet die Software darüber, wo und wie lange der Beitrag auf der Website zu sehen ist. Daneben wird das Angebot stärker auf das Interesse der Leser ausgerichtet. Das Ziel: verschiedene Seiten für verschiedene Tageszeiten für verschiedenen Nutzer(gruppen).
Medienmanager fordern beim Newscamp mehr Engagement im Digitalgeschäft
Karén war mit seinem Appell nicht alleine. Auch andere renommierte Medienmanager forderten die Verlage auf, mutig und konsequent auf das Digitalgeschäft zu setzen. Dabei skizzierten sie zum Auftakt der zweitägigen Veranstaltung teils spannende, teils noch befremdliche Einblicke in die digitale Welt von heute, morgen und übermorgen. Augmented Reality, also das Verschmelzen von digitaler und realer Welt, Big Data und künstliche Intelligenz sind nur einige Themen, die auf der Agenda stehen.
Technologie-Experte Peter Buhr von Axel Springer ist dennoch überzeugt: "Das goldene Zeitalter des Journalismus hat gerade erst begonnen". Dabei muss es die Aufgabe der Journalisten als "Menschen" sein, das zu leisten, was Maschinen nicht können: Inhalte sichten und bewerten. Und auch Design-Experten Jeremy Abbett wollte von einer bedingungslosen Digitalisierung nichts wissen: "Google und andere wollen alles digitalisieren. Aber das wird nicht passieren. Es gibt zu viele geile Sachen im echten Leben."
Live-Blog zum Newscamp 2017
Das Newscamp findet bereits im vierten Jahr in Augsburg statt. Rund 50 Referenten sprechen an zwei Tagen im Kongress am Park. Veranstalter ist die Newsfactory, ein Tochterunternehmen der Mediengruppe Pressedruck, zu der unter anderem die Augsburger Allgemeine, die Main-Post und der Südkurier gehören.
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