Wie sinnvoll ist ein Handyverbot an Schulen?
Gefährden Smartphones den Schulerfolg der Kinder? Viele Ältere machen sich Sorgen. Doch ein neuer Vorstoß für ein Handyverbot erntet Kritik.
Das Thema Smartphones im Klassenzimmer ist an vielen Schulen ein Dauerbrenner. Eltern fürchten, dass ihre Kinder in Chatgruppen gemobbt werden. Lehrer sind genervt, wenn die Aufmerksamkeit von Schülern von den kleinen Computern aufgesogen wird. Nun sind mit der jüngsten TIMSS-Bildungsstudie auch noch besorgniserregende Mathe-Probleme an Deutschlands Grundschulen deutlich geworden. Zeit für ein Handyverbot an Schulen?
Für Otto Wulff ist die Sache klar - der Vorsitzende der Senioren-Union ist für ein Verbot. Die Kinder würden durch Handys zu stark abgelenkt. Als er neulich in einer Schule war, erzählt Wulff, traf er sechs Jungen zwischen 11 und 14 Jahren. "Sie sprachen kein Wort miteinander", sagt der 83-Jährige. "Alle hatten ein Handy in der Hand. Wie wollen die Kinder da kommunizieren lernen?"
Der CDU-Politiker betont, er habe nichts gegen die Technik. Sein Handy schalte er aber oft aus. Das ist für ihn auch eine Freiheit. Bei den Kindern geht es ihm um Leistungen, um Konzentration - aber auch um Freiräume. "Man muss den Kindern helfen, die nötige Ruhe für Ideen, Träume zu haben." So etwas komme sonst gar nicht auf. "Wenn man permanent abgelenkt wird, geht das Gespür dafür verloren, sich um die Umgebung zu kümmern, zu horchen, was drumherum ist." Wulff fürchtet falsche Weichenstellungen für Kinder. "Sie werden zu früh in eine Welt hineingeworfen, die sie zum Spielball der Technik macht."
Der Vorstoß erscheint aus der Zeit gefallen. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hatte erst im Oktober angekündigt, fünf Milliarden Euro lockerzumachen, um die 40 000 Schulen computertechnisch aufzurüsten. Mit dem Deutschen Lehrerpreis wurde im Herbst ein Projekt aus Freiburg ausgezeichnet, bei dem Schüler den Nutzen von Smartphones im Unterricht erkunden. Und die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die Bremer Senatorin Claudia Bogedan, sorgte mit dem Aufruf für den Gebrauch von Smartphones im Unterricht für Schlagzeilen.
Doch geht die digitale Euphorie nicht an den Problemen vorbei? Der Wuppertaler Lehrer und Autor Arne Ulbricht wirbt für ein Handyverbot. "Schüler schauen im Unterricht ständig aufs Smartphone und haben, wenn man sie aufruft, keine Ahnung", so Ulbricht bei Spiegel Online. "Für die meisten Schüler hat das verheerende Folgen."
Der Deutsche Philologenverband hält nichts von einem Verbot. "Das ist eine Geisterdebatte", sagt sein Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger. Im Unterricht seien Handys ohnehin meist verboten - Lehrer könnten sie aber etwa für bestimmte Recherchen erlauben.
Mobile Geräte sinnvoll in den Unterricht integrieren
Smartphones im Unterricht auszuschalten hält Meidinger für sinnvoll. Doch geschätzt zu 80 bis 90 Prozent umgingen die Schüler entsprechende Vorgaben - und schalteten nur auf stumm. "Ein Verbot geht an der echten Lebenssituation vorbei, da müsste man den Schülern die Geräte schon abnehmen." Zur Kontrolle bräuchte man am Ende aber noch Leibesvisitationen und Taschenkontrollen - das wolle niemand. Und es sei auch juristisch heikel. Ganz abgesehen davon, dass Eltern ihre Kinder auch oft zumindest in Pausen erreichen können wollten.
Der Digitalverband Bitkom hat für Otto Wulff eher ein müdes Lächeln übrig. "Wir verstehen den Vorschlag der Senioren-Union als gut gemeinten Ratschlag älterer Menschen an den Nachwuchs", sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. 69 Prozent der Älteren nutzten kein Smartphone. Dagegen gebrauchten 72 Prozent der Kinder und Jugendlichen in der Schule ein Handy oder Smartphone. Mobile Geräte müssten sinnvoll in den Unterricht integriert werden. Sie ermöglichten individuelles Lernen. "Wer ein Handyverbot an Schulen fordert, frustriert Schüler und verbaut ihnen Bildungschancen."
Meidingers ist übrigens selbst Schulleiter, und seine Schule, ein Gymnasium im bayerischen Deggendorf, zieht demnächst um - in ein Gebäude, das auch in digitaler Hinsicht Vorzeige-Charakter hat. Im alten Haus aus den 70er Jahren sind einige Unterrichtsräume extra fensterlos. "Das hat man damals gemacht, damit die Fenster die Schüler nicht ablenken", sagt er. "Heute sieht niemand mehr in Fenstern ein Ablenkungsrisiko." Viele Lehrer wären wohl froh, würden die Schüler nur verträumt in den Himmel gucken. Von Basil Wegener, dpa
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