"X-Men: Apocalypse" - Filmkritik und Trailer zum Kampf der Mutanten
"X-Men: Apocalypse" im Kino: Die berühmten Mutanten müssen gegen einen mächtigen Feind kämpfen. Überzeugt der neue Marvel-Streifen? Hier die Filmkritik und der Trailer.
Im Universum der Superhelden-Comics und ihrer filmischen Wiedergänger gehörten die „X-Men“ stets zu den politisch inspirierteren Genrewerken. Das Ringen der Mutanten um Identität und gesellschaftliche Anerkennung war eng mit der Historie des 20. Jahrhunderts und den Emanzipationsbewegungen der sechziger Jahre verknüpft.
Als allegorische Reflexion sinnierten die Filme über die Angst vor dem Andersartigen und die Folgen von Rassismus. Dabei wurde immer wieder an den Holocaust angeknüpft. So sind es die Erfahrungen des Konzentrationslagers, die Magneto als eine der Zentralfiguren zu einem verbitterten und kompromisslosen Verteidiger der Mutanten gemacht haben, der den Glauben an eine friedliche Koexistenz mit den Menschen verloren hat.
"X-Men: Apocalypse" - Magnetos Zerstörungswut als Akt des Vergessenwollens
In Bryan Singers neuer Folge „X-Men: Apocalypse“ findet sich Magneto (Michael Fassbender) vierzig Jahre nach dem Holocaust am Ort des Grauens wieder. Vor ihm liegen die Blöcke und Krematorien von Auschwitz, wo seine Eltern zusammen mit zahllosen anderen Mutanten ermordet wurden. Mit der Erinnerung kocht die Wut in ihm hoch und mithilfe seiner übernatürlichen Kräfte reißt er das ganze Konzentrationslager nieder. Auschwitz liegt in Schutt und Asche – ein starkes, unfassbares und sehr gewagtes Bild, das Singer hier als cineastische Fantasie entwirft.
Magnetos Zerstörungswut ist auch ein Akt des Vergessenwollens. Aber wer die Vergangenheit nicht (mehr) kennt, ist bekanntlich verdammt sie zu wiederholen – und darum geht es auch in „X-Men: Apokalypse“. Denn Magneto, die große, tragische Figur im X-Men-Universum, verfällt selbst den Anziehungskräften totalitärer Machtfantasien und lässt sich von einem gottgleichen Führer unter Vertrag nehmen. Apokalypse (Oscar Isaac) nennt sich der Mächtigste aller Mutanten aus dem alten Ägypten, der nun nach 5000-jährigem Koma wiederaufersteht. Was er im Jahre 1983 vorfindet, gefällt dem antiken Despoten gar nicht: Nicht die Starken haben das Sagen in dieser Welt, sondern die Schwachen, die durch Gesetze geschützt werden und per Wahlrecht mitbestimmen.
Ein Wertewandel kann nur durch eine fachgerechte Apokalypse herbeigeführt werden. „Ich werde euch befreien“, sagt der selbst ernannte Führer zu seinen Mutanten-Anhängern, und die Versuchung, die eigenen übernatürlichen Fähigkeiten endlich unkontrolliert einsetzen zu können, ist bei den Gedemütigten groß. Auf der anderen Seite des moralischen Spektrums steht Professor Charles Xavier (James McAvoy), der in seiner „Schule für Hochbegabte“ weiterhin für die Utopie des friedlichen Zusammenlebens von Mutanten und Normalmenschen eintritt. Aber auch er sieht ein, dass man diesem Gegner mit Appeasement-Politik nicht beikommt. Er und seine Schüler müssen ihre Fähigkeiten kollektiv zur Anwendung bringen, um den erstarkenden Weltzerstörer zu besiegen.
"X-Men: Apocalypse" ist Blockbuster-Kino und intellektueller Anspruch
Im Gegensatz zu den jüngsten Spektakeln „Batman vs Superman“ und „First Avenger“ wird hier das Kräftemessen zwischen Gut und Böse nicht allein im ermüdenden Gefechtsmodus ausgetragen, sondern vor allem als Kampf um die Herrschaft in den Köpfen der Menschen. Auch in dieser „X-Men“- Folge beweist Bryan Singer, dass sich großes Blockbuster-Entertainment und intellektueller Anspruch nicht widersprechen. Ob Holocaust, Kalter Krieg, atomares Wettrüsten oder Nahostkonflikt – immer wieder eröffnet der Film Assoziationsspielräume, in denen das Gesehene ins Außerfilmische weitergedacht werden kann, ohne die Unterhaltung zu beschädigen.
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