Bücherherbst: Krimis statt Predigt vom Pfarrer
Kleine Buchmesse, großartige Rezensenten: Warum ein Geistlicher beim Gerblinger-Literaturabend in Wertingen ganz und gar nicht aus der Bibel vorliest.
Frankfurter Buchmesse 2016 – die gestern zu Ende gegangene größte Bücherschau der Welt kommt mit lauter Superlativen daher: Knapp 8000 Aussteller, Hunderttausende von Besuchern, fast 77000 neue deutschsprachige Titel und ebenso Antreiber der rund neun Milliarden Euro Jahresumsatz der Branche. Was das große Vorbild vom Main trotz aller Rekorde kaum zu leisten vermochte, gelang dreieinhalb Autostunden südwärts an der Zusam: Sieben höchst belesene Experten – zwei Männer und fünf Frauen –, die fast zwei Stunden lang ihr begeistertes Publikum in einen wahren literarischen Rauschzustand versetzen konnten, bevor auch nur auf eine der bereitstehenden Weinproben zurückgegriffen wurde. Dazu ein leibhaftiger Geistlicher, der Stadtpfarrer sogar, der sich als Krimispezialist outete und seine mehr als 70 aufmerksam lauschenden Lektürenjünger in seinen Bann zog.
„Niemand weiß, wie spät es ist“- hätte es nach dem kurzweiligen Abend in der herbstlich geschmückten Buchhandlung von Christine und Franz Gerblinger heißen können, denn die Zeit verging wegen der packenden Zelebration von mehr als einem Dutzend Bände wie im Fluge. Doch gemeint war damit der verlockende Titel des Buchs von René Freund, das von der leseerprobten Gabriele Stepan in einer sehr ansprechenden Weise vorgestellt wurde. Dabei geht es in wendungsreichen Geschichten um Nora, die wegen ihres verstorbenen Vaters mit einem eher fragwürdigen Erbe zurechtkommen muss. Doch es lockt nicht etwa das große Geld, sondern das Eintauchen in eine für sie völlig andere Welt und die Begegnung mit Bernhard: „Nein, die ganz große Liebe wird es nicht, aber das Buch hat mich sehr berührt“, gestand die Rezensentin, die laut den Gastgebern schon länger im Team die Zeilen zwischen den beiden Deckeln unter die Lupe nimmt.
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