Erst hü, dann hott
Am Donnerstag hat das Landgericht entschieden, dass der Kutschfahrer, dessen Pferde beim Leonhardiritt in Gundelfingen durchgegangen sind und einen Unfall verursacht hatten, für die Schäden aufkommen muss. Was das bedeutet.
In einem dicken Ordner, der sich gerade noch zuklappen lässt, steht alles drin. Wo es welche Genehmigungen gibt, welches Amt wann verständigt werden muss, wer alles eine Einladung bekommt. Josef Schnitzler blättert durch die Seiten und lacht. „Es ist schon viel, aber es läuft“, sagt er. Die ersten Anrufe habe er schon getätigt, langsam geht es mit der Organisation richtig los. Denn schließlich will der 65-Jährige auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Reiter und Gespanne beim traditionellen Leonhardiritt am 6. November in Lauingen am Marktplatz begrüßen. „Unser Leonhardiritt ist eine feste Tradition, die uns sehr wichtig ist“, sagt er. Nur aus diesem Grund wurde deshalb 1948 der Reit- und Fahrverein gegründet. Seit 1973 ist Schnitzler Mitglied und seit 27 Jahren ist er Erster Vorsitzender – und genau so lange leitet er den Leonhardiritt in der Mohrenstadt. „Es hat sich vieles verändert. Die Auflagen werden immer mehr.“ Nicht nur, dass sich immer wieder der Streckenverlauf änderte, mittlerweile müsse man den Teilnehmern ein Rahmenprogramm bieten. Und: Kutschfahrer und Reiter dürfen nur noch dann beim Umritt mitmachen, wenn sie eine Haftpflichtversicherung haben. Dick steht das auf den Einladungen. In Weißenhorn, einem der größten Leonhardiritte im Umkreis, muss der Veranstalter diesen Nachweis heuer laut Schnitzler sogar kontrollieren. „Wer kann diesen Aufwand noch leisten?“ Dass solch eine Versicherung aber bitter notwendig sein kann – für Teilnehmer und Veranstalter – das weiß Schnitzler. Beim Leonhardiritt 2014 in Gundelfingen ist ein Pferdegespann durchgegangen. Zwei Autos, darunter das von Josef Schnitzler, sind dabei beschädigt worden. Seit gestern Vormittag ist klar, dass der Kutscher „vollumfänglich für den Schaden aufkommen muss“, wie Andreas Dumberger, Richter am Landgericht Augsburg, bestätigte. Wie berichtet, habe alles damit angefangen, dass der Kutscher nach der Pferdesegnung auf dem Festplatz bei der Oberen Mühle mit seinen vier Pferden wieder auf die Straße fahren wollte. Als er dann schon ein gutes Stück in der Straße stand, sei ein silbernes Auto von links gekommen, das sich an seinem Gespann vorbeigedrängt hatte. Die Pferde erschreckten sich, gingen durch. Er wurde vom Kutschbock gezogen und landete auf der Deichsel. Die vorderen zwei Pferde hätten sich gelöst, seien davongerannt und hätten ein Auto gerammt. Die anderen beiden Pferde seien geradeaus davongaloppiert – ins Auto eines der beiden Kläger seien sie aber nicht gelaufen. Vor Gericht im Juli war auch die Rede von einem weiteren Pferd, das ein Auto beschädigt haben könnte. Ein Kläger war der Lauinger Josef Schnitzler.
Er hat den Vorfall nicht gesehen, sondern wurde erst dazu geholt, als sein Auto schon komplett demoliert war. „Es ist bestimmt vier Meter weggeschleudert worden. Da war nichts mehr zu retten“, erinnert er sich. Gleich am nächsten Tag habe er sich einen Anwalt genommen, um die Sache zu regeln. Erster Schritt: Kontaktaufnahme mit dem Veranstalter, die Pfarrei Gundelfingen. Deren Versicherung, die über das Bistum Augsburg lief, übernahm nichts. „Weil zu diesem Zeitpunkt die Veranstaltung schon vorüber war“, erklärt Schnitzler. Auch sein Verein sei über das Bistum versichert gewesen. Aber nach dem Unfall in Gundelfingen habe die Kirche den Umfang der Versicherung stark eingeschränkt, „sodass wir uns eine neue suchen mussten“, sagt der 65-Jährige. „Ich will ja nur mein Geld, mehr nicht.“ Denn wenn einer an der Tradition der Leonhardiritte generell festhalte, dann er. „Wir müssen sogar jährlich einen durchführen, das steht in unserer Satzung.“ Davon abgesehen, ist Schnitzler von klein an von Pferden fasziniert. Sie begleiten ihn schon sein ganzes Leben. Deshalb weiß er, dass es Fluchttiere sind und auf solchen Veranstaltungen auch mal was passieren kann – vor allem weil Schnitzler selbst schon im ganzen Ländle auf unzähligen Umritten dabei war. „Bei den meisten Teilnehmer sind deshalb Begleitpersonen dabei. Es ist vielleicht ein Prozent, das sich und sein Pferd überschätzt.“ Man solle sich bewusst sein, dass man durch Menschenmassen durchreite. „Darum stehe ich als Veranstalter jedes Mal unter Strom. Aber der Leonhardiritt ist eine Tradition, die erhalten bleiben soll. Wenn die Auflagen aber noch mehr werden, wir es immer schwieriger.“
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