Können Sie ein Gewitter verhindern?
Eine Diplom-Theologin spricht in Dillingen über Sekten und Esoterik
Unsere lokalen Straßenmärkte und der Weltmarkt sind voll von Offerten für unsere materiellen und leiblichen Bedürfnisse. Aber da wie dort finden sich auch Angebote, die nichts weniger als Lebenssinn versprechen. Um dieser Werbung mit einer soliden „Warenkunde“ begegnen zu können, verschaffte sich der Katholische Akademikerkreis letzthin einen breiteren und vertieften Einblick in die Welt der Sekten, neuer freikirchlicher Gruppierungen und der Esoterik.
Die Referentin des Abends im Faustussaal, Diplom-Theologin Klaudia Hartmann, leitet den Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen bei der Diözese Augsburg (Am Kappelberg 1), der neben allgemeiner Information individuelle Beratung und Orientierungshilfe bietet. Ihre Ausführungen fesselten und überzeugten durch eine umfängliche Sachkenntnis und durch Zeugnisse aus der Erfahrung, die sie ständig in den Gesprächen mit Klienten gewinnt – etwa mit Auskunft-Suchenden, mit besorgten bis verzweifelten Angehörigen, mit verunsicherten Sektenangehörigen und Aussteigern. Immer gilt dabei für sie der Grundsatz, dass auch jemand, der Absurdes glaubt, als Glaubender zu respektieren ist, und dass „Sekte“ nicht als Kampfbegriff verwendet wird. Hinterfragt aber werden darf und muss – übrigens auch selbstkritisch in den Kirchen –, erstens wie das Welt-, Menschen- und Gottesbild einer religiösen oder weltanschaulichen Organisation aussieht, und zweitens, wie es sich aufs Leben auswirkt. Für die „Zeugen Jehovas“ und „Scientology“, die die Referentin besonders ausführlich behandelte, ist zum ersten Punkt eine fundamentale Unvereinbarkeit mit dem christlichen Glauben festzustellen. Zum Zweiten ist bei allen Sekten zu beobachten: Der einzelne Anhänger hat sich einer unfehlbaren Führung oder einem Guru total zu unterwerfen. Das ist das Gegenteil von Lebenshilfe: Dem Gläubigen wird die Fähigkeit zur Selbststeuerung fortschreitend entzogen. Die Referentin wies anhand konkreter Beispiele auf Lehrinhalte und Praktiken hin, die teils fatale Auswirkungen haben: Höllen- und Vernichtungsszenarios, religiöser Leistungsdruck, verbunden mit der Angst, sich durch eigenes Versagen das Heil zu verscherzen, können krank machen. Die Hoffnung auf Fähigkeiten, wie etwa: mit Engeln verkehren, Gewitter verhindern, selbst einen Atomkrieg unbeschadet überstehen, lässt einen unweigerlich aus der Realität abdriften. Selbst ernste Gefahren für die Allgemeinheit sind nicht ausgeschlossen und werden auch bereits vom Verfassungsschutz im Auge behalten, wenn etwa Sektenanhänger in wichtige gesellschaftliche Positionen eingeschleust werden mit dem Ziel, die Demokratie zugunsten eines totalitären Herrschaftssystems auszuhebeln. Raffinierte Werbung und harmlos erscheinende Einstiegskontakte führen zunächst unmerklich, dann immer schwerer umkehrbar in psychische Abhängigkeit. „Der Weg in die Sekte ist leicht, heraus ist er sehr schwierig.“ Das war eine von vielen weiteren Einsichten, zu denen Klaudia Hartmann ihrem Publikum verhalf. Sie konnte dafür starken Applaus als Dank und zur Bestärkung ihrer verdienstvollen Beratungstätigkeit mitnehmen.
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