In Venedig gefeiert: Kriegsdrama "Tödliches Kommando"
Rom (dpa) - Weibliche Action-Regisseure sind rar, und wenn sie die Qualität einer Kathryn Bigelow haben, dann ist ihnen Aufmerksamkeit sicher.
In keineswegs zimperlichen Filmen wie "Blue Steel" oder auch "Gefährliche Brandung" hat sich die 57-jährige Kalifornierin aus San Carlos den Ruf erworben, in einem "männlichen Stil" zu arbeiten - und mit einer exzellenten Kameraführung. Ihre Fähigkeiten stellt Bigelow nun auch in ihrem jüngsten Film "Tödliches Kommando" (Originaltitel: "Hurt Locker") eindringlich unter Beweis. Das Kriegsdrama spielt im Irak und galt als ein Favorit beim Rennen um den Goldenen Löwen von Venedig - ausgerechnet die einzige Filmemacherin im 65. Wettbewerb hatte im vergangenen Herbst den härtesten Kriegsfilm präsentiert.
Mit "Tödliches Kommando" im Wettbewerb unter den insgesamt 21 Beiträgen in Venedig zu sein, war angesichts des prägnanten Stils der experimentierfreudigen Amerikanerin nicht überraschend. In dem Streifen über eine US-Elite-Einheit im Irakkrieg lotet sie die Frage aus, warum Männer eine solche Herausforderung annehmen, die viele das Leben kostet und andere traumatisiert. "Krieg ist eine Droge", so hält der Film fest, in dem die Regisseurin auf die Berichte eines Kriegsreporters zurückgreift, der bei US-Truppen "embedded" tätig war. In der ihr eigenen Dynamik verfolgt Bigelow über zwei Stunden lang den lebensgefährlichen Job der Bomben-Entschärfer: "Ich wollte dem Krieg ein menschliches Gesicht geben", sagte sie zur Begründung.
Die Einzelgänger unter den Elitesoldaten gehen dabei das höchste Risiko ein, wühlen selbst in einer mit Sprengstoff vollgepumpten Leiche nach dem Zünder oder kneifen sich nach jeder gelungenen Entschärfung ein kleines Stück des todbringenden Apparates als "Andenken" ab. Bigelow zeigt in ihrer hautnahen Meditation über den Krieg, dass auch diese "Helden" keineswegs seelenlose Maschinen sind - sie haben Gefühle und Zweifel. Und selbst diese abgebrühten Elitesoldaten - ja, sie müssen cool bleiben, wollen sie ihren Job meistern - zählen die Tage, die sie noch mit ihrem immens erhöhten Adrenalinspiegel in der irakischen Hölle im Einsatz sind. Kommt das nächste Bombenteam in Bagdad an, dürfen sie endlich back home.
Der Film "Tödliches Kommando" mit Jeremy Renner, Anthony Mackie und Brian Geraghty geht, weil so realistisch, unter die Haut. Er war jedoch in Venedig noch durchaus ein Stück weit politisch unkorrekt - zeigt er doch die Menschenleben rettenden Leistungen von US-Elite-Soldaten in dem bei Millionen verhassten "Krieg George W. Bushs". Umso mutiger Bigelow, deren Film mancher heute vorurteilsfreier würdigen kann. Sie selbst wünscht sich eine "Zukunft, in der die Diplomatie den Krieg ersetzt", und hofft auf Bushs Nachfolger Obama. Über den Irakkrieg werde in den USA so wenig berichtet, klagte sie am Lido drei Monate vor der Wahl ihres Hoffnungsträgers zum Präsidenten.
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