Zwischen Naturpark und Wertach
Nein, ich habe mich nicht verfahren, aber schön, dass einem so viele helfen wollen. Es sind nicht nur Radler. Vor allem im Stadtgebiet drehen auch Jogger ihre Runden, Walker oder weiter draußen einzelne Reiter.
Viele sehen gleich Not am Mann, wenn hier einer neben seinem Fahrrad die Landkarte studiert. Dabei sei es doch so flach hier, so übersichtlich, so einfach: Alle fahren da. Nein, schöner wäre doch dorthin. Und einen Abstecher müsse man unbedingt machen. Es kann einem viel erzählen, wer oft die Wertachau durchrundet.
Gnadental? Kurz vor Schwabmünchen? Nein, eine Familie mit fünf Rädern aller Größen kennt den Weg nur bis Bergheim. Dafür alle Picknickplätze unterwegs. Heute geht es zum Baggersee. Einen Tipp geben sie einem noch mit auf den Weg: vorne im Dorf, rechts hinauf. Da seien die Wege besonders romantisch. Danke, aber erst nach Gnadental. Das Jägerhaus in Bergheim wäre mit seinem Biergarten eine Alternative. Doch der Weg, nicht die Rast, ist mein Auftrag.
Also erst einmal durch Natur. Wiesen und Felder, links das grüne Band des Auwaldes, in dem sich die Wertach eingräbt. Rechts gibt der schier endlose Saum der Baumwipfel an der Hangkante des Naturparks Westliche Wälder eine Ahnung von dessen Weite.
Neue Eindrücke bei Bobingen. Es geht außen herum. „Sie suchen bestimmt den Friedhof?“ An der Kreuzung in Straßberg bietet sich wieder Hilfe an. Zum Friedhof gehe es die Straße hoch, oben scharf rechts und dann links. Wohin sonst sollten Ortsunkundige wollen, wenn nicht zum Grab von Roy Black?
Danke, und wo geht’s nach Gnadental? Wohl nach Süden, da könne nicht viel falsch sein. Nächster Stopp: Wertachbrücke bei Wehringen. Die Wegbeschreibung empfiehlt, dem Schild zum Modellflugplatz zu folgen. Aber warum radeln die andern alle nach rechts dem Waldrand entgegen? Wieder ein Abstecher. Dort tauchen einige Senioren Arme und Füße in kalte Wasserbecken. Die Beine laufen sie sich danach auf dem Barfußpfad warm. Daneben erklärt ein Vater seinem Sohn den mittelalterlichen Erzabbau. Das Fachwissen haben sie von einer der Tafeln, von denen später auf dem Rückweg an der Wertach noch viele stehen.
Ach ja, der Weg. Gnadental? Spätestens ab hier kennt anscheinend jeder selbst die Speisekarte dort. Zurück zum Modellflugplatz und im Zickzack an alten Hecken und über Felder auf die Siedlung bei Großaitingen zu. Landwirtschaftliche Hallen markieren zunächst das Ziel. Dahinter duckt sich ein Weiler, dessen alte Häuser den Charme eines Museumsdorfes haben. Glücklich, wer jetzt viel Zeit hat: Hier treffen sich die wahren Geschichtenerzähler. Sie sitzen im Obstgarten oder am Stammtisch im Gnadentalstü-berl. Oder sie verraten einem über den Gartenzaun hinweg, warum die Anwesen so gepflegt sind. Sie erzählen Geschichten von der Zeit nach der Vertreibung aus der alten Heimat, als der Bürgermeister von Großaitingen ihnen die Moossiedlung unter der Auflage überließ, sie zu pflegen. Als Gnade empfinden sie das noch heute. Die Stammgäste haben längst mehr erfahren. Geschichten über Liebe, über Köche und eine Küche, die sie sich schmecken lassen. Zurückradeln? Warum jetzt schon? Zurück geht es schnell, immer flussabwärts die Wertach entlang. Also bitte auch so eine köstliche Brätstrudelsuppe und noch ein Johannisbeerschorle. Zum Weg gehört schließlich auch die Rast.
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