Vertrieben und in Kissing angekommen
Gerhard Hlawa ist als Elfjähriger mit seiner Familie aus dem Sudetenland ausgewiesen worden. Warum die aktuelle Flüchtlingsentwicklung seiner Meinung nach nicht mit damals vergleichbar ist.
Kissing wirkt auf den ersten Blick für viele beschaulich, hat aber eine bewegte Geschichte hinter sich. Die Entwicklung der Gemeinde ist eng mit dem aktuellen Thema Flucht und Vertreibung verbunden. Sudetendeutsche, Donauschwaben, Schlesier und Menschen aus Ostpreußen fanden hier nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Heimat.
Der Brunnen vor dem Rathaus mit den zwei großen Granitblöcken steht für das Zusammenwachsen von Altort und Siedlung. Der Kissinger Gerhard Hlawa hat diese Entwicklung erlebt. Vor kurzem war er mit seiner Frau Helga sogar bei einer Veranstaltung im Haus des deutschen Ostens in München eingeladen, um darüber zu sprechen. Der 80-Jährige saß viele Jahre für die SPD im Gemeinderat, war auch Fraktionsvorsitzender. In Augsburg arbeitete er Bürgermeistern zu und als Amtsleiter. Aber als er am 1. August 1946 mit elf Jahren am Bahnhof in Kissing ankam, hatte er nur sehr dünne Kleidung an und große Probleme, den Dialekt der Alteingesessenen zu verstehen. Hlawa hat seine Kindheit in Braunau im nordöstlichen Teil Böhmens verbracht. Broumov wird die Stadt heutzutage in Tschechien genannt. „Meine Familie war ein rotes Tuch für das Naziregime“, sagt der 80-Jährige. Besonders sein Großvater, ein überzeugter Sozialdemokrat, warnte schon vor der Machtergreifung vor Adolf Hitler. Doch nach dem Krieg wurde Hlawas Familie genauso wie Millionen andere Sudetendeutsche ausgewiesen. Als Gegner des Naziregimes ging es im sogenannten „Anti-Faschistentransport“ in Richtung Bayern. Immerhin konnte Hlawas Großvater aushandeln, dass die Familie einen Teil ihres Hausstandes mitnehmen durfte. Eigentlich sollten die Braunauer nach Augsburg kommen – in beiden Städten gab es damals Textilindustrie. Dann brachte der Zug aber Hlawa und seine Verwandten nach Kissing. Die Alteingessenen mussten die Vertriebenen zum Teil in ihren eigenen Häusern aufnehmen. Das verlief nicht immer reibungslos. Hlawa weiß von zwei Familien, die durch die amerikanische Militärpolizei eingewiesen wurden. Der Elfjährige sollte mit seiner Schwester und seiner Mutter, der Vater war bereits ein paar Jahre zuvor gestorben, in zwei Dachkammern im heutigen Altort untergebracht werden. „Da führte nur eine Treppe ohne Geländer, ein Art Hühnertreppe, hoch“, erinnert sich Hlawa. Der Raum war aber so klein, dass sie dann ein anderes Zimmer bei einem Bauer zugeteilt bekamen.
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