Ärger auf Reisen: Wenn der Koffer nicht ans Ziel kommt
Es ist eine Horrorvorstellung: Man fliegt in den Urlaub und das Gepäck kommt nicht mit. Das kommt immer wieder vor. Warum das so ist und welche Rechte Passagiere haben.
Voller Vorfreude steigt man aus dem Flugzeug, nimmt den ersten tiefen Atemzug nach dem langen Flug. Jetzt nur noch schnell den Koffer holen und dann kann es endlich losgehen mit dem Urlaub. Vor dem Gepäckband hat sich schon eine Traube an wartenden Passagieren gebildet. Und schon bald kommen die ersten Koffer angefahren. Die Traube der Wartenden wird allmählich kleiner. Schließlich drehen nur noch ein paar nicht abgeholte Taschen ihre Runden. Der eigene Koffer fehlt.
So ging es dem Autor dieses Artikels, als er mit der niederländischen Fluggesellschaft KLM nach Norwegen flog. Der Koffer ging beim Umsteigen in Amsterdam verloren. Das Ende vom Lied: Beschwerde am Schalter der Airline, stundenlanges Warten in der Hotline, enttäuschte Hoffnungen, eine einzige Hose für den ganzen Urlaub. Der Koffer wurde mehr als zwei Wochen später direkt in die Heimat zurückgeliefert.
Fluggesellschaft haftet für verspätetes oder beschädigtes Gepäck
Welche Rechte Passagiere in so einem Fall haben, ist klar festgelegt, weiß Juliane von Behren von der Verbraucherzentrale Bayern. "Geregelt ist das im sogenannten Montrealer Übereinkommen. Demnach haftet die Fluggesellschaft für aufgegebenes Gepäck. Wenn es beschädigt wird oder verloren geht, muss die Airline den Schaden ersetzen." Die Höchstgrenze für den Schadenersatz liegt derzeit bei etwa 1400 Euro. (Hier das Übereinkommen im Wortlaut)
Auch wenn das Gepäck verspätet am Urlaubsort ankommt, muss die Fluggesellschaft zahlen. "Der Fluggast darf dann alles, was er dringend braucht, vor Ort neu kaufen. Die Fluggesellschaft muss ihm nach Vorlage der Quittungen die Kosten erstatten. Allerdings sollten sich Passagiere darauf beschränken, wirklich nur das Nötigste zu kaufen, anderenfalls kann es passieren, dass sie auf einem Teil der Kosten sitzenbleiben." Denn was genau zum nötigen Bedarf zählt, ist nicht genau festgelegt. Jede Airline kann selbst entscheiden, wofür sie aufkommt und wofür nicht.
Weil sie haftet, sei die Fluggesellschaft immer der erste Ansprechpartner bei Gepäckverlust, erklärt Claudia Nehring vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. "In der Regel haben die Fluggesellschaften einen Schalter am Zielflughafen. Dort muss der Passagier eine offizielle Meldung abgeben, dass ein Koffer vermisst wird." Vorsicht: Wer das nicht gleich nach der Landung mache, erschwere die Durchsetzung seines Anspruchs auf Schadenersatz. "Dann dreht sich die Beweislast um und der Fluggast muss nachweisen, dass die Airline am Verlust oder der Beschädigung des Gepäcks Schuld hat. Den Abschnitt, den man bei Check-In bekommt und auf dem die Gepäcknummer steht, sollte man deshalb immer als Beweis aufbewahren." Für beschädigtes Gepäck gilt eine Frist von sieben Tagen. Wer bei verspätetem Gepäck nach 21 Tagen seinen Koffer noch nicht wieder hat, hat dann Anspruch auf Schadenersatz.
Wenn wenig Zeit zum Umsteigen ist, bleiben Koffer manchmal zurück
Ein so großes Problem, wie der Gepäckverlust für Betroffene ist, ist es für die Luftfahrtindustrie aber nicht. Laut dem "SITA Baggage Report", einer jährlich erscheinenden Studie des belgischen Luftfahrt-Dienstleisters SITA, gibt es nur bei 7 von 1000 Passagieren Probleme mit dem Gepäck. Bei insgesamt 3,5 Milliarden Menschen, die 2015 per Flugzeug unterwegs waren, stehen nach dieser Rechnung aber immer noch 24,5 Millionen Fälle zu Buche. An großen Verkehrsflughäfen, die täglich Zehntausende Fluggäste abfertigen, passiert es täglich.
Die Gründe dafür sind vielfältig, wie eine Sprecherin des fünftgrößten europäischen Flughafens Schipohl in Amsterdam sagt. "Am häufigsten sind die kurzen Umsteigezeiten schuld. Denn der Transfer von Gepäck von einem Flugzeug zum anderen nimmt mehr Zeit in Anspruch als der Umstieg der Passagiere. Manchmal gehen aber auch die Markierungen am Gepäck verloren oder das Personal macht einen Fehler."
Aber was passiert eigentlich mit dem Gepäck, wenn es am Check-In-Schalter abgegeben wird? Das erklärt Florian Steuer vom Flughafen München. "Sofern am Check-In alles in Ordnung ist, was Größe und Gewicht angeht, bekommt der Koffer eine Banderole mit einem Barcode. Sie dient zur Identifizierung, darauf steht das Ziel und mögliche Zwischenstopps. Denn ab dem Check-In läuft alles vollautomatisch." Der Koffer landet in einer Wanne und wird über ein System von Förderbändern zum entsprechenden Flugzeug befördert. Allein im Terminal 2 des Münchner Flughafens ist das Gepäcksystem 45 Kilometer lang, insgesamt werden in München rund 70.000 Gepäckstücke pro Tag transportiert, zu Ferienbeginn oder zur Wiesn sind es schon mal 100.000.
In München werden keine Koffer durch die Gegend geworfen
Auf diesem Weg wird der Koffer auch geröntgt. "Wird dabei ein verdächtiger Gegenstand entdeckt, wird noch einmal geröntgt. Weiß man dann immer noch nicht, was es ist, muss der Koffer geöffnet werden." Wenn nichts auffällt, plumpst der Koffer am Ende auf ein Gepäckband, wo Mitarbeiter des Flughafens ihn auf einen Karren laden und zum Flugzeug bringen. Falls bis zum Abflug noch einige Stunden Zeit sind, wird das Gepäck in Containern zwischengelagert. Ein solches System sei an den meisten großen Flughäfen in Europa im Einsatz.
Mit einem verbreiteten Gerücht räumt Steuer auf. "Zumindest bei uns in München werden keine Koffer durch die Gegend geschmissen. Unsere Leute müssen zügig arbeiten, aber sie machen das mit der gebotenen Vorsicht. Denn wenn es da Schäden geben würde, würde das ja auf uns zurückfallen." Zwar haften die Airlines für Schäden am Gepäck, die nötige Logistik stelle aber der Flughafen, so Steuer.
Generell empfehlen Fluggesellschaften, Kontaktinformationen am Koffer anzubringen. Das hilft, den Koffer schneller seinem Besitzer zuzuordnen, wenn die Markierung verloren geht. Um die Scanner nicht zu verwirren, sollte man zudem alte Markierungen entfernen. Damit der Urlaub nicht durch einen verspäteten Koffer versaut wird.
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