Fahrerflucht: Nach Unfall Polizei rufen? Zettel hinterlassen?
Was tun, wenn beim Einparken ein Unfall passiert? Polizei rufen? Zettel hinterlassen? Ab wann man von Fahrerflucht spricht.
En abgefahrener Außenspiegel, Kratzer im Lack, ein kaputtes Rücklicht: Die Schäden am Auto sind meist gering, der Ärger aber groß, wenn sich der Schuldige aus dem Staub macht. Unfälle mit Fahrerflucht sind längst ein Massendelikt - und sie nehmen aus Sicht mancher Polizeipräsidien sogar zu. Kleinere Blechschäden machen dabei den Löwenanteil aus. Viel seltener, aber umso tragischer, sind Unfälle, bei denen der Verursacher Verletzte oder gar Tote zurücklässt.
Doch ab wann spricht man von Fahrerflucht? Und wie verhält man sich richtig? Wir klären die wichtigsten Fragen.
Beim Einparken kracht es: Ich streife ein anderes Auto, eine Delle wölbt sich in dessen Seite. Der Besitzer des Wagens ist nicht zu sehen. Wie lange muss ich warten?
Als Unfallverursacher ist man laut Gesetz verpflichtet, auf den Geschädigten am Unfallort zu warten, und zwar eine "den Umständen angemessene Zeit". Was bedeutet "angemessen"? Die Polizei hält bis zu eine Stunde für zumutbar, wenn es sich etwa um einen Parkrempler auf einem Supermarktparkplatz handelt. Bei Nacht in einem Wohngebiet sieht die Lage aber wohl anders aus. Die Rechtssprechung zu dem Thema ist nicht einheitlich.
Muss ich einen Zettel hinterlegen?
Dem anderen Unfallbeteiligten lediglich einen Zettel unter den Scheibenwischer zu klemmen, auf dem man seine Telefonnummer und seinen Namen notiert, genügt im Zweifelsfall nicht. Am besten ist es, als Unfallverursacher von sich aus die Polizei zu benachrichtigen, und zwar am besten per Handy vor Ort.
Muss ich die Polizei rufen?
Autofahrer sind dem Deutschen Anwaltverein (DAV) zufolge nach einem Verkehrsunfall nicht immer verpflichtet, die Polizei zu rufen. Sind alle Beteiligten einverstanden, können sie darauf verzichten. Leichtverletzte können sich für oder gegen Polizei entscheiden. Zu solchen Leichtverletzungen zählen etwa Stauchungen und Prellungen. "Immer dann, wenn man das Gefühl hat, besser einen Krankenwagen zu rufen, ist auch die Polizei ratsam", sagt Swen Walentowski vom DAV. Das sei neben eigenen Fotos auch als Beweissicherung für etwaige Spätfolgen sinnvoll.
Ein Muss ist die Polizei allerdings, wenn es bei dem Unfall schwerere Verletzungen oder gar Tote gegeben hat. Ebenfalls zu alarmieren ist sie immer, wenn einer der Unfallbeteiligten das möchte. In diesem Fall müssten auch die anderen so lange vor Ort warten, bis die Polizei eintrifft. Die Beamten sind auch zu rufen, wenn ein Unfallbeteiligter etwa bei Fahrerflucht nicht mehr am Unfallort ist.
Muss ich ein Unfall-Protokoll führen?
Um Bagatellunfälle ohne Polizei zu regeln, ist immer ein Protokoll sinnvoll. Es sollte mindestens das Kennzeichen des Unfallgegners, Namen und Adressen der beteiligten Fahrer sowie Zeugen, Ort und Zeit umfassen. Ratsam ist es auch, sich die Ausweispapiere zeigen zu lassen und die Versicherungsgesellschaft und Nummer des Versicherungsscheines zu notieren. Fotos vom eigenen und gegnerischen Fahrzeugschaden - wenn möglich aus verschiedenen Perspektiven - ergänzen das Schreiben. Darauf weist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hin. Der Zentralruf der Autoversicherer ist unter 0800/25026-00 zu erreichen. Weitere Infos der GDV finden Sie hier.
Was hat es mit der 24-Stunden-Regel auf sich?
Immer wieder ist zu hören, dass man als Unfallverursacher 24 Stunden Zeit hat, um sich bei der Polizei zu melden. Das ist nicht richtig. Wer in einer ersten Überreaktion nach einem Parkunfall davonfährt, kann besser davonkommen, wenn er sich innerhalb von 24 Stunden meldet („tätige Reue“). Kann einen die Polizei aufgrund von Zeugenaussagen aber schon früher ermitteln, bringt das nichts. Ohnehin darf nur geringer Schaden entstanden sein. Bei Unfällen im fließenden Verkehr, bei denen auch Verletzte nicht auszuschließen sind, sollte man als Beteiligter sofort anhalten.
Welche Strafe droht bei Unfallflucht?
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort ist strafbar. Das Gesetz sieht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Bei Blechschaden läuft es meist auf eine Geldstrafe hinaus. Bei höheren Schadenssummen ab mehreren tausend Euro kann jedoch auch der Führerschein auf dem Spiel stehen - und angesichts immer aufwändiger gebauter Autos mit standardmäßig lackierten Stoßfängern, auf denen jeder Kratzer sichtbar ist, kann es schnell teurer werden. Eine Rolle spielt zudem, ob der Täter geständig oder vorbestraft ist
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Wie oft wird Unfallflucht begangen?
Zahlen für alle Unfälle mit Fahrerflucht in Deutschland gibt es nicht, das sagen auch Bundesverkehrsministerium, Bundesjustizministerium, der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) oder der Auto Club Europa (ACE). Schon gar nicht solche, die gleichzeitig das gestiegene Verkehrsaufkommen berücksichtigen. Allerdings führen viele Polizeipräsidien eigene Statistiken. 2014 hatte der Automobilclub Europa (ACE) die Angaben von Polizeibehörden verschiedener Bundesländer ausgewertet. Er schätzte die Zahl angezeigter Fluchtdelikte auf rund 500.000 pro Jahr - hinzu kommt eine Dunkelziffer, denn längst nicht jeder Kratzer wird angezeigt.
Während nach Angaben des Statistischen Bundesamtes die Zahl von schweren Unfällen mit Sachschaden in den letzten mehr als 25 Jahren deutschlandweit gesunken ist, steigt der Anteil von Unfallflüchtigen leicht. So zählten die Statistiker 1991 rund 440.000 schwerwiegende Unfälle mit Sachschaden. Unfallflucht spielte in 8,3 Prozent dieser Fälle eine Rolle. 2016 waren es nur noch gut 130.000 Unfälle dieser Art, in 10,6 Prozent der Fälle aber floh einer der Beteiligten. Bei Unfällen mit Fahrerflucht, bei denen jemand verletzt oder gar getötet wurde, blieb die Quote der Flüchtigen konstant bei 4,5 Prozent. Erfahren Sie die konkreten Zahlen in Augsburg und die Zahlen in Bayern.
Wie geht die Polizei vor, um Unfallflüchtige zu finden?
Bei der Verkehrspolizei gibt es spezielle Unfallfluchtfahnder. Am einfachsten haben sie es, wenn vom flüchtigen Auto das abgerissene Kennzeichen am Unfallort liegt. Doch meist ist Kleinarbeit gefragt: Lacksplitter, zerbrochenes Glas oder Kunststoffteile finden sich häufig. Mit Untersuchungen unter dem Mikroskop, über Recherchen im Internet und bei Autohäusern versucht die Polizei, die Marke oder den Fahrzeugtyp zu ermitteln.
Manchmal sehen sich die Fahnder auch auf öffentlichen Parkplätzen um, wenn sie versuchen müssen, ein Kunststoffteil einem bestimmten Autotyp zuzuordnen. Haben sich Zeugen nur ein Fragment des Kennzeichens gemerkt, spuckt die Abfrage im Register etliche mögliche Fahrzeuge aus. „Die müssen dann angefahren werden, um die dazugehörigen Fahrzeuge auf mögliche Unfallspuren zu untersuchen“, sagt Katharina von Rönn, Sprecherin der Augsburger Polizei.
Wie hoch ist die Aufklärungsquote?
Die Aufklärungsquote schwankt je nach Region oder Bundesland zwischen 20 und knapp unter 50 Prozent. Meist gibt es wenig Spuren und mangels Verhältnismäßigkeit dann wenig Bereitschaft vom Staatsanwalt, etwa ein Gutachten zu beantragen, erläuterten Unfallermittlungsbeamte gegenüber der Deutschen Presseagentur.
Keinen Spaß verstehen Polizei und Staatsanwaltschaft jedoch, wenn Menschen schwer zu Schaden kommen oder gar sterben. Die Verkehrsopferhilfe, eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer, nimmt sich nach Angaben eines Sprechers jährlich konstant rund 200 solcher besonders schwerwiegender Unfallflucht-Delikte an. (AZ/dpa)