In den italienischen Dolomiten kommen Golfer auf ihre Kosten
In den italienischen Dolomiten bieten Neun-Loch-Plätze sportliche Herausforderungen und spektakuläre Aussichten. Für einen guten Score müssen die Spieler zwei Dinge mitbringen.
Über unseren Köpfen ein strahlend blauer Himmel, zu unseren Füßen der Hang, der eine genussvolle Abfahrt verspricht. Wir malen uns die Ideallinie aus: Erst ein paar weite Schwünge in der Mitte, dann nach rechts an den Waldrand und die letzten Meter im Schuss zum Paolina-Sessellift, der uns wieder an den Ausgangspunkt bringt. Aber halt – da fehlt doch was! Kein Fetzen Schnee liegt auf den Pisten unter den Felszacken von Latemar und Rosengarten! Ist aber auch kein Wunder. Schließlich haben wir gerade Sommer. Hier, am Karerpass, beginnt unsere Golftour durch die italienischen Alpen.
Wenn im Juli und August unten im Eisacktal der Asphalt der Brennerautobahn glüht, dann verspricht die Fahrt hinauf in die Berge angenehme Temperaturen. Am Abend könne man hier oben auch im Hochsommer einen Pullover vertragen, erzählt Simone Diozzi, der Manager des Golfclub Carezza. Diese Sommerfrische entdeckten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts Reisende aus ganz Europa für sich. Aus der ehemaligen Residenz der österreichischen Kaiserin Sisi wurde damals das Grand Hotel Carezza. Gleich daneben entstand 1905 der erste Golfplatz in den Dolomiten.
Golfspielen auf fast 1600 Metern Höhe
„The Mountain Beast“, wie die Neun-Loch-Anlage auch genannt wird, liegt auf fast 1600 Metern über dem Meer. Der Beiname „Bergbestie“ kommt nicht von ungefähr, denn auf der Runde legt der Golfer an die 400 Höhenmeter zurück. Wer hier spielen will, muss schon ein bisschen Kondition mitbringen. Für einen guten Score sollte man außerdem alle Arten von Schräglagen beherrschen – mal steht man unter dem Ball, mal darüber, mal geht der Fairway hinauf, mal hinab. Eben ist es fast nie. Etwas geringer als in Carezza fallen die Höhenunterschiede im Golfclub Alta Badia aus. Dennoch haben es die Spielbahnen am Campolongo-Pass nahe Corvara in sich. Die Vier, ein Par-5-Loch mit über 450 Metern vom mittleren Abschlag, geht gehörig bergauf, fordert Länge und Präzision sowie einen beherzten Schlag auf das zur Seite versetzte Grün. Die Mühen des Aufstiegs belohnt schließlich ein spektakulärer Blick auf die Felsstöcke von Piz Boè und Sassongher, die sich auf der anderen Seite des Tals erheben.
Auch wenn das Gebiet rund um die Sella in erster Linie für den Wintersport bekannt ist – Golf gewinne an Bedeutung, berichtet Francesco Morini nach der Runde beim Mittagessen im Rifugio Col Alto. Bequem geht es mit der Gondel hinauf auf 2000 Meter Höhe. Rifugio, zu deutsch Schutzhütte, ist eine gelinde Untertreibung. Wirt Fabio bietet seinen Gästen sogar frische Austern und die Auswahl aus 16 verschiedenen Champagnermarken.
Einen Golfplatz zu betreiben, zahlt sich hier nicht immer aus
Bei zart schmelzenden Ziegenkäse-Ravioli und einem Glas sizilianischem Rotwein berichtet Francesco, wie seine Familie zusammen mit anderen Hoteliers aus der Umgebung in den Bau des Platzes investiert hat und auch für den Unterhalt alljährlich ein ordentliches Sümmchen auf den Tisch legt. Einen Golfplatz zu betreiben, zahlt sich in dieser Gegend nicht unmittelbar aus. Der Pflegeaufwand ist hoch in 1700 Metern über dem Meer, während die Saison in der Regel nur von Anfang Juni bis Mitte Oktober dauert. Doch die Sommergäste erwarten eben ein solches Angebot, weiß Francesco Morini, der das Hotel Sassongher in Corvara betreibt. Seit 80 Jahren ist das Hotel in Familienbesitz.
Von Corvara aus lassen sich weitere lohnenswerte Golfplätze gut erreichen. So geht es anderntags über kurvenreiche Strecken hinüber nach Cortina d’Ampezzo. Die Neun-Loch-Anlage liegt ein paar Kilometer südlich des 6000-Einwohner-Ortes, der nach den Olympischen Winterspielen von 1956 zum Treffpunkt des Jetset und Schauplatz des James-Bond-Klassikers „In tödlicher Mission“ wurde. Die rumpelige Zufahrt zum Golfplatz, die etwas versteckt von der Hauptstraße abzweigt, eignet sich allerdings doch mehr für Gelände- als für Sportwagen.
Roger Moore wäre mit seinem Lotus Esprit Turbo wahrscheinlich stecken geblieben. Doch dann steht man staunend vor einem mondänen Klubhaus, das traditionelle Bauformen und Materialien mit modernem italienischem Design verbindet – das ist die Handschrift von Silvio Bernardi, der für seine Architektur im Stil der Ampezzaner Berghütten bekannt ist.
Ein abwechslungsreicher Kurs mit Höhenunterschieden
Zu den Größen seines Berufsstandes gehört auch Peter Harradine. Der Schweizer zeichnet für die Gestaltung des Golfplatzes verantwortlich und hat den Hang auf der Ostseite des Tales geschickt genutzt. Ein abwechslungsreicher Kurs führt mit erträglichen Höhenunterschieden durch einen Lärchenwald und nutzt die Gipfel der Dolomiten als allgegenwärtige Kulisse. Vom Abschlag der Zwei aus, einem 150 Meter langen Par 3, geht der Blick hinüber zu den Cinque Torri. Und immer wieder rückt die Tofana ins Blickfeld, bevor der Golfer am Ende der Runde angelangt ist. Schade, dass die bereits für das Jahr 2013 angekündigte Erweiterung auf 18 Löcher immer noch auf sich warten lässt. Von diesem Platz hätte man gerne mehr gehabt.
Freilich kann man auf diese Weise die Einkehr auf der hölzernen Terrasse des Klubhauses länger genießen. Der Platz ist inzwischen nicht nur in den Sommermonaten geöffnet, erzählt Micaela Barone, der gute Geist im Sekretariat. Immer öfter erlebt man inzwischen auch in den Dolomiten das, was Wissenschaftler die „Christmas-Easter-Shift“ nennen: Der Winter kommt, wenn überhaupt, spät. Bei durchgängig zweistelligen Tagestemperaturen im Dezember 2016 wurde wie schon im Jahr zuvor selbst an Heiligabend in Cortina noch Golf gespielt.
Von der spektakulären Aussicht sollte man sich nicht ablenken lassen
Über den Falzarego-Pass, vorbei am Lagazuoi mit dem Weltkriegsmuseum und der kühnen Seilbahn, fahren wir zurück nach Corvara. Am nächsten Morgen genießen wir vom Zimmer aus noch einmal den Blick in Richtung Mittagstal, das tief in das Gestein des Sellastocks schneidet. Dann steht auf der Heimreise der letzte Platz auf dem Programm. In einer Dreiviertelstunde geht es mit dem Auto zum Golfclub Pustertal nahe Bruneck. Annamaria und Gabi, zwei Kennerinnen des Platzes, erklären dem Gast die Finessen der abwechslungsreichen Bahnen. Denn nach dem beschaulichen Start mit einem übersichtlichen Par-3-Loch wird es ziemlich knackig.
Es folgen ein Par 4 mit über 400 Metern, ein Par 5 mit Dogleg, Graben und Wasser direkt vor dem Grün und schließlich der spektakulärste Fairway: Von einem erhöhten Plateau geht der Abschlag an der Sieben hinunter ins Tal.
Von der Aussicht auf den Brunecker Hausberg, den Kronplatz, sollte man sich nicht ablenken lassen. Dichtes Rough zu beiden Seiten der Spielbahn, ein Teich links vor dem Tee, zehn Bunker in der Landezone und fünf rings ums Grün bestrafen jede Nachlässigkeit. An der Neun reichen schließlich zwei gute Schläge, um das Grün in 350 Meter Entfernung zu treffen und auf der Scorekarte ein Par zu notieren. So ein Abschluss freut. Wir kommen wieder – nicht nur zum Skifahren.
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