Welche Reiseziele wollen Sie sehen, bevor Sie Sterben?
Wie ein Film viele Menschen dazu inspiriert, persönliche Sehnsuchtslisten zu führen. Und wohin es sie dann tatsächlich zieht
Bevor du den Löffel abgibst, gib dir noch einmal alles – das ist kurz gesagt das Thema des Films „Das Beste kommt zum Schluss“ mit Jack Nicholson und Morgan Freeman. Auf Englisch heißt der Film „The Bucket List“, denn auf eine Liste schreiben die beiden todkranken Protagonisten ihre letzten Wünsche. Im Deutschen hat sich dafür der Ausdruck Löffelliste durchgesetzt, frei nach der Redewendung eben.
„Listen geben Orientierung, Inspiration und Motivation“, sagt Alina Staudner, Redakteurin einer Bucket List beim Berliner Reiseportal Tripdoo. Unter dem Titel „Diese zehn Dinge müsst Ihr zumindest einmal im Leben gemacht haben“ erscheinen Ziele, von denen die 24-Jährige schon mit 16 Jahren träumte. „Auf meiner ersten eigenen Bucket List standen die Maya-Ruinen in Tikal, Guatemala oder mal in einem Baumhaus im Dschungel übernachten“, erzählt sie. Als sie einige Jahre später nach Guatemala reiste, war das eines der schönsten Erlebnisse ihres Lebens. „Das wollte ich einfach weitergeben, und zugleich die Information vermitteln, dass es bezaubernde Maya-Stätten nicht nur in Mexiko gibt“. Andere Ziele, wie das Übernachten im Baumhaus, trafen nicht so ein. „Hoch über der Erde im Dschungel habe ich zwar eine tolle Party gefeiert, aber nicht übernachtet“, erzählt Staudner. „Das darf man nicht so eng sehen – abhaken konnte ich den Punkt trotzdem.“
Natürlich verkaufen Veranstalter Reisen schon immer über das emotionale Erlebnis. Über Lebensziele, Extremsituationen, aktives Miterleben und –gestalten wird diese Strategie noch einmal verschärft. Orte allein ziehen nicht mehr, das Versprechen vom weißen Strand oder dem Eiffelturm in Paris ist zu starr. Stattdessen stehen Gefühle und Erleben noch mehr im Vordergrund: Zum einsamen Strand in Australien gehört das Taucherlebnis in einem der weltschönsten Korallenriffe und zu Paris die unvergessliche Romanze zu zweit. Es geht um Inspiration für ein anspruchsvolles Publikum, das vieles schon gesehen hat. In der Konkurrenz um das schönste und exklusivste Erlebnis soll der eigene Urlaub die vielen anderen im Massentourismus noch einmal toppen.
Mit dem Helikopter über Las Vegas fliegen
Daher spielen die Löffellisten im Netz auch mit dem guten Gefühl, ein Urlaubserlebnis abgehakt zu haben, das für andere begehrenswert ist. Das Bedürfnis, eigene positive Erfahrungen der Welt zu präsentieren, und zugleich Tipps und Ideen an andere weiterzugeben, hat auch diesen Trend befeuert. In dem Überangebot erschwinglicher Reisen, das vielen Kunden die Entscheidung für ein konkretes Ziel schwer macht, bieten Listen zudem in kompakter Form Priorisierung. „Wenn ich fünf Wochen Urlaub im Jahr habe und immer schon mal auf den Malediven tauchen wollte, dann weiß ich wenigstens, wofür ich den Rest des Jahres arbeite“, sagt Alina Staudner.
Dazu passt, dass Autoren wie Alexander Hartmann dem bürgerlichen Leben überhaupt ein akutes ADS (Abenteuer Defizit Syndrom) attestieren. Familie, Job und Urlaub seien bis zum i-Tüpfelchen durchgetaktet und unbefriedigend, suggeriert Hartmann. Sein Gegenmittel steht im Blog gleichen Namens: richtig „geile“ Sachen machen, bewusst Erfahrungen sammeln, die das Leben verändern. Dieses Lebensgefühl prägt mit griffigen Parolen schon lange den Zeitgeist: yolo (you only live once – du lebst nur einmal), klassisch „carpe diem“ genannt, oder auch: Es ist nie zu spät.
Die Vorstellung, dass individuelle Extremsituationen und der kommerzielle Massengeschmack zusammengehen, scheint abwegig und passt doch ganz gut. In den Bucket-Listen, die Reiseveranstalter auf alle münzen, erscheinen viele Prototypen unter den Menschheitsträumen: Einmal fliegen? Das geht mit dem Helikopter über Las Vegas, oder im Ballon über Kappadokien.
Spektakuläre Natur hautnah erleben? Das ist unter den Nordlichtern in Island, in Salzwüsten oder Canyon-Wanderungen so gut wie garantiert. Es braucht nur noch eine Husky-Schlittentour oder einen einsamen Spaziergang am frühen Morgen, um das Erlebnis listentauglich zu machen. Jüngere dagegen freuen sich über Tipps für ausgefallene Festivals von der Wüstenparty in Nevada bis zur Matschlocation in England.
„Selbstverständlich triggern wir mit den Listen Orte an, die später über unsere Seiten gebucht werden können“, erklärt Alina Staudner das Konzept. Die Strategie scheint aufzugehen. Durchschnittlich verweilten Leser auf der Bucket List bei Tripdoo drei bis vier Minuten, so die Redaktionsleiterin. „Das ist ein gutes Ergebnis.“
Die ultimative Löffelliste der Autorin
Conni Biesalski, selbsternannte spirituelle und digitale Zen-Nomadin, fasst in ihrem Blog planetbackpack.de knackig zusammen, was an der Bucket-List so toll ist: „Das erinnert dich an dein ganz eigenes persönliches Warum – warum du hier auf dieser Welt bist, was dein Sinn ist. Sie lässt dich klar über deine Träume werden – und gibt dir ein sensationelles Gefühl, wenn du Dinge darauf abhaken kannst.“
Deshalb folgt nun die ganz persönliche, ultimative Bucket List der Autorin:
- In einer kalten Winternacht über die Brooklyn Bridge spazieren
- Mit einem Eremiten über Paarbeziehungen sprechen
- Im lauwarmen Salzsee von Dschibuti baden
- Mit der Karawane durch die Wüste ziehen
- Die Quelle des Nils entdecken
- Zu Pferd die Alpen überqueren
- Den Traumpfaden der Aborigines folgen (oder anderer mündlich tradierter Kulturen)
- Die Mayatempel in Guatemala besuchen
- Mit einem neapolitanischen Sänger tanzen
- Am See Genezareth beten
P.S.: Ein paar Punkte konnte sie schon abhaken.
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