„Einen Zwilling habe ich gestillt, einen nicht“
Mutter, 49, Raum Krumbach:
Ich habe volljährige Zwillingsmädchen. Tochter 1 hab ich damals ganz klassisch gestillt: Sechs Monate voll, danach langsam auf Beikost umgestellt. Das letzte Mal hab ich sie mit rund 18 Monaten gestillt. Tochter 2 war aufgrund eines Hämangioms an der Lippe stark beeinträchtigt beim Trinken. Die ersten Wochen ging es einigermaßen an der Brust, mit etwa vier Wochen bekam sie voll Flaschennahrung, das war für sie weniger stressig als Muttermilch.
Die Reaktionen meiner Mitmenschen auf meine Entscheidung waren sehr unterschiedlich. Das gab es alles. Meine Mutter zum Beispiel fand es theoretisch gut, dass ich Tochter 1 gestillt habe, ich selber bin nicht gestillt worden. Ich glaube, wie sehr viele Kinder meiner Generation. Wahrscheinlich gab es auch Leute, die mir unterstellten, dass ich Tochter 2 vernachlässigte. Schließlich benötigte sie als krankes, schwächeres Baby doch viel mehr meiner Muttermilch! Ganz ehrlich: Es war mir egal, was die Leute von mir dachten oder was für Ratschläge sie draufhatten. Ich musste die sehr schwierige Situation so gut wie möglich stemmen und ich hatte vor lauter Schlafmangel, den vielen Arztterminen und Krankenhausaufenthalten keine Zeit zum Milchabpumpen.
Die Beziehung zu beiden Babys war gleichwertig
In meiner Haltung zur gemischten Säuglingsernährung hat mich sehr der Zwillings-Stammtisch bestärkt! Muss einfach sagen, da gab es alle möglichen Formen von Nahrungsaufnahmen, vor allem eine große Toleranz unter den Zwillingsmüttern. Auch von den Ärzten oder Krankenschwestern hörte ich nie ein Wort des Vorwurfes.
Tochter 2 war in den ersten Lebensjahren deutlich anfälliger, hatte häufig Erkältungen. Ab dem Schulalter war sie aber gleich robust wie ihre Geschwister. Tochter 2 ernährt sich heute im Vergleich mit ihrer Zwillingsschwester sogar etwas ausgewogener. Das war auch schon im Kleinkindalter so.
Die Beziehung zu beiden Babys erlebte ich als absolut gleichwertig. Beziehung beginnt mit dem Versorgen mit Nahrung, der Pflege. Es geht weiter mit der Hilfe bei den ersten Schritten, der Sauberkeitserziehung, Begleitung durch das Schulleben usw. Als Eltern müssen wir für unsere Kinder da sein und die Verantwortung übernehmen. Das ist Beziehung, egal ob der Anfang mit Brust oder Flasche sich gestaltete.
Ich habe übrigens noch einen gestillten Sohn, der drei Jahre jünger als seine Schwestern ist. (lea)
Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter
Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby
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