„Wildfremde Leute fragten mich, ob ich meine Zwillinge stille“
Mutter, 26, Augsburg:
Meinen ersten Sohn habe ich während meines Jurastudiums bekommen. Da schnell feststand, dass mein Mann und ich früh Kinder wollten, habe ich das mit meinen Prüfungen eingeplant. Ich wollte es auf mich zukommen lassen, ob ich in Elternzeit gehe oder das Studium nebenbei weitermachen kann. Geboren wurde unser Sohn während den Semesterferien. Etwa drei bis vier Wochen habe ich voll gestillt. Dann hatte ich eine schlimme Magen-Darm-Grippe und Vollstillen war ohne viel Aufwand mit milchbildenden Präparaten etc. nicht mehr möglich. Somit habe ich mich gegen das Vollstillen entschieden, da auch die Vorlesungen wieder begonnen haben. So konnte mein Mann unserem Sohn in der Zeit, während ich in der Uni war, die Flasche geben. Unser Sohn war flexibel und nahm Brust oder Flasche, je nachdem, was er bekommen hat. Nach etwa vier Monaten hab ich komplett abgestillt.
Ich hatte das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen
Während meines Referendariats habe ich vier Jahre später Zwillinge bekommen. Weil sie zu früh kamen, waren sie zu schwach, um an der Brust zu trinken. Deswegen habe ich acht Wochen lang abgepumpt. Drei Kinder, Milch abpumpen und Flasche geben war mir zu viel. Also habe ich abgestillt.
Bei den Zwillingen habe ich öfters das Gefühl gehabt, mich wegen des Nicht-Stillens bzw. Nicht-mehr-Stillens rechtfertigen zu müssen. So nach dem Motto, die beiden sind ja eh so klein und haben es schon schwer - gerade da wäre Muttermilch das Beste. Bei Frühchen wird Stillen zudem auch länger empfohlen. Ich wurde mehrmals beim Spazieren von Wildfremden angesprochen, wie das denn mit dem Stillen von Zwillingen geht, ob ich stille, ob ich abpumpe. Das fand ich sehr unpassend.
Da ich ja genug Milch hatte und es meine freie Entscheidung war, abzustillen, ich also die Wahl hatte, hatte ich schon ein schlechtes Gewissen meinen Kindern gegenüber. Es wird einem so suggeriert, dass "man zu stillen hat". Mütter, die selbst abgepumpt haben, waren die, die einem schon Respekt für acht Wochen zollen. Die wissen, wie unangenehm und zeitaufwendig das ist. Vor allem bei insgesamt drei Kindern, dem Pendeln zwischen Klinik und zu Hause, Haushalt.
Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus
Sonst sind die Reaktionen wie immer geteilt. Teilweise kurzes Nachfragen und verständnisvolles nicken, Zuspruch zur Entscheidung abzustillen ("lieber keine Muttermilch, dafür eine zufriedene, nicht zu gestresste Mutter"), teilweise skeptische Blicke. Man sollte Mütter, die nicht stillen, nicht verurteilen. Nicht alle Mütter können stilllen. Und nicht alle Mütter wollen stillen. Und das ist ihre freie Entscheidung, die respektiert und vor allem akzeptiert werden soll. (lea)
Dieser Text ist ein Teil unseres Wochenend-Journal-Schwerpunktes "Kampfzone Mutterbrust" zum Thema Nicht-Stillen. Mehr als 50 Frauen aus der Region haben sich daran beteiligt und ihre Geschichten erzählt. Die weiteren Gesprächsprotokolle finden Sie unter
Kampfzone Mutterbrust: Harter Streit um die Milch fürs Baby
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