Der Vater, der jetzt Sigurd Rakels Sohn sein könnte
Zeitgeschichte: Der Krumbacher Galerist Sigurd Rakel über eine Fahrt nach Weißrussland, seinen an der Ostfront gefallenen Vater, das „Absurde“ des Lebens und die Hoffnung, mit sich selbst ins Reine zu kommen
„Plötzlich überfiel ihn ein Gedanke, der ihn bis ins Mark erschütterte … Der unter dieser Steinplatte begrabene Mann, der sein Vater gewesen war, war jünger als er.“ Es ist eine Schlüsselszene aus dem Roman „Der erste Mensch“ (le premier homme) des französischen Autors Albert Camus (1913 bis 1960). „Der erste Mensch“ hat starke autobiografische Züge. Albert Camus` Vater fällt im Ersten Weltkrieg 1914 an der Westfront, sein Sohn Albert ist noch nicht einmal ein Jahr alt. Als der bekannte Krumbacher Galerist Sigurd Rakel auf den letzten Brief blickt, den sein Vater Anfang Januar 1944 von der Front in Weißrussland an seine Frau schrieb, scheint sich die Szene aus „Der erste Mensch“ auf beklemmende Weise zu wiederholen.
Wenige Tage nach der Absendung des Briefes an seine Frau Lina fällt der Feldwebel Erwin Rakel – mit 30 Jahren. Rakels Blicke verlieren sich für Momente im Raum, dann greift er in schnellen Bewegungen aus einem Karton Bild um Bild heraus. Kleine, weißgerahmte, erstaunlich scharfe Schwarz-Weiß-Fotos, die seinen Vater in der Uniform der Wehrmacht zeigen. „Als mein Vater fiel, war er nicht einmal halb so alt wie ich es jetzt bin. Er könnte jetzt mein Sohn sein“, sagt der bald 72-Jährige. „Etwas entsprach hier nicht der natürlichen Ordnung und eigentlich herrschte hier, wo der Sohn älter war als der Vater, nicht Ordnung, sondern nur Irrsinn und Chaos“, schreibt Albert Camus in „Der erste Mensch“. Rakel formuliert es deutlicher. „Eigentlich ist das absurd. Mein Vater ist ja immer ein junger Mann für mich gewesen, irgendwie auch wie ein Phantom, aber ich weiß nicht, ob das das richtige Wort ist.“
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