Ein Pilgervater wird nicht mehr wandern
Mehr als 37 Jahre organisierte Josef Wagner die religiösen Wanderungen im Ettal. Nun beendet er seine Arbeit bei den Ettal-Pilgern und erzählt anschaulich, wie sich die Tradition gewandelt hat.
„In jedem Menschen gibt es eine Stelle, die nur Gott ausfüllen kann. Die Sehnsucht nach dieser Erfüllung hat mich angetrieben.“ Das sind seine Abschiedsworte an die Ettal-Pilger, die Josef Wagner aus Altersgründen verlässt. Wagner ließ sich 37 Jahre von dieser Sehnsucht leiten. 32 Jahre setzte er sich Jahr für Jahr ein, um einem Gelübde aus der Pestzeit gerecht zu werden. Vor mehr als 350 Jahren hatten Gläubige in Ziemetshausen das Versprechen abgelegt, jedes Jahr nach Ettal zu pilgern, wenn sie von der Großen Pest verschont blieben. Seither ziehen fromme Menschen im Frühsommer in Vesperbild los, um sieben Tage lang betend und singend, aber auch plaudernd, das einst gegebene Versprechen einzulösen. Sogar in der NS-Zeit, als diese Art Frömmigkeit wenn nicht verboten, so doch kritisch beobachtet wurde, ließen sich manche Ettal-Pilger nicht abhalten und tarnten sich als ganz normale Bauersleute, die von einem Ort zu einem anderen unterwegs waren, um etwas zu erledigen. Auch nach dem Krieg erholte sich die Pilgerei nur langsam, auf weniger als 30 Teilnehmer war die Gruppe geschrumpft, blieb aber stets lebendig.
Josef Wagner kannte die Pilgerreise aus eigener Anschauung. Wenn er als Kind bei Verwandten in Langeneufnach die frommen Leute durchreisen sah, habe ihn das sehr ergriffen, erinnert er sich heute. Doch es hat lange gedauert bis der Agawanger schließlich selbst zum Pilger wurde.
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