Evangelium für die Armen
Die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma vor barocker Kulisse dicht und lebensnah wie nirgends sonst
Der kurze Wintereinbruch am Sonntagnachmittag steigerte die Spannung. Witterungsbedingt waren die drei Künstler, die zuvor noch im Landkreis Dachau aufgetreten waren, verspätet. Geduldig harrte das Publikum in der Pfarrkirche von Edelstetten aus, denn Ludwig Thomas „Heilige Nacht“ von einem Schauspieler vorgetragen und mit passender Musik unterlegt zu bekommen, dazu gibt es nicht alle Tage Gelegenheit. Es handle sich gleichsam um das „Evangelium für die Armen“, erklärte Professor Klaus Wolf, 1. Vorsitzender des Vereins „Schwäbisches Literaturschloss Edelstetten“, der die Lesung organisiert hatte. Der Dichter hatte seine „Weihnachtslegende“ im 1. Weltkrieg verfasst, im sogenannten Steckrübenwinter, als ganz Deutschland schrecklich fror und hungerte. Und er widmete sie den Bauern und Kleinbürgern, welche die Last der geschichtlichen Ereignisse zu tragen haben. Ludwig Thoma verlegte das Weihnachtsgeschehen, wie es der Evangelist Lukas berichtet, ins Oberbayern des angehenden 20. Jahrhunderts. Er charakterisiert Josef und Maria als brave kleine Leute, die im Winter unterwegs sind auf Befehl des Kaisers, weil der Staat benötigtes Geld allemal von den kleinen Leuten zusammentreibe. Allerlei Beschwernis erfahren die beiden und während Josef stets mit den unzumutbaren Verhältnissen hadert, strahlt die hochschwangere Maria Einsicht und Zuversicht aus. Die Not ist groß und die Reichen, denen Josef und Maria begegnen, erweisen sich als hartherzig, grob und „geschert“. Die Armen aber helfen, wiewohl sie doch selber unter den Verhältnissen leiden. Oder waren es nicht vielleicht doch Engel, die in ausweglos scheinenden Situationen helfend eingreifen? Am Ende erfahren die Armen das Weihnachtsgeschehen hautnah in seiner ganzen wundersamen Größe, wohingegen die Reichen das Wunder regelrecht verschlafen: „Und fragt’s enk, ob dös nix bedeut’, daß’s Christkind bloß Arme g’segn’n hamm.“
Peter Greif, Mitglied des Theaters Ingolstadt, holte aus dem Text all seine Dramatik und Poesie. Dem Rhythmus und den Reimen entlockte er je nach Situation eine große Ruhe oder die Zuspitzung der Ereignisse. In all die unterschiedlichen Rollen schlüpfte er elegant. Er verkörperte das Grobe der Knechte und Kutscher, das Hartherzige der Verwandtschaft Josefs, als er dort um Herberge nachfragt. Er mimte die keifende Base von Josef mit schnarrender Stimme und wechselte kurz darauf mühelos ins Engelhafte, als die Welt im Abglanz des neugeborenen Heilands erstrahlte. Es ist ein ganzer kleiner Kosmos in diesem Text und Peter Greif erfüllte ihn scheinbar mühelos mit prallem Leben. Vom „Haberer Zwoagsang“, Siegfried und Gisela Bradl, kam passende Musik zur Lesung. Zither, Gitarre und Zwiegesang weckten einerseits den Eindruck der heilen und herzerwärmenden Welt der Stubenmusik, gaben andererseits erhellende Kommentare zum Geschehen. So dicht und lebensnah ist Weihnachten kaum anderswo zu spüren.
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