Mit Lippenstift wird der Ernstfall geprobt
Weil es im echten Leben auf mehr ankommt als auf das Schießen mit der Waffe, übt die Polizei in Senden – mit kiloschwerer Ausrüstung und viel Farbe.
Ein Knall. Dann folgt gespenstische Stille. Die Welt scheint kurz den Atem angehalten zu haben. Vier vermummte Gestalten bewegen sich auf den Raum zu, in dem der Schuss durch die Luft peitschte. Sie tragen Helme, darunter schwarze Masken, dicke Schutzkleidung – und schwere Waffen. Diese richten sie auf die Person am Boden. Reglos liegt der Körper auf dem kalten Boden der ehemaligen Uhrenfabrik in Senden. Es folgt ein Kommando, die vier Vermummten senken plötzlich ihre Waffen, plaudern – der Tote steht auf. In den leer stehenden oberen Stockwerken proben Polizisten aus den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg sowie aus Memmingen beim bayernweiten Training, wie sie in lebensbedrohlichen Situationen vorgehen sollten. Dabei geht es nicht um wilde, unkontrollierte Schusswechsel wie im Krimi, sondern um taktisches Vorgehen.
Wie Christian Löckher-Hiemer, Polizeihauptkommissar beim Präsidium Schwaben Süd/West, erklärt, dreht sich alles darum, dass jeder Polizist, der auf Streife ganz plötzlich zum Einsatz gerufen werde, mit der Situation umzugehen weiß. Er soll lernen, wie er sich verhalten muss, wenn der Notruf eingeht, wie er die Schutzkleidung anzieht, wie er die Situation richtig einschätzt – bis zum Aufeinandertreffen mit einem möglichen Täter. „Wir lernen das Nicht-Schießen genauso wie das Schießen.“ Wildes Dauerfeuer, wie es in Krimiserien oft vorkommt, gebe es nicht. „Wenn meine Frau den Tatort einschaltet, verlasse ich den Raum“, sagt Löckher-Hiemer und muss schmunzeln. Die Szenen im Film seien so unrealistisch dargestellt, dass Fachleute wie er da nur die Augen verdrehen. „Kein Polizist hält ganz lässig und ohne Schutzkleidung die Waffe nah am Kopf.“ Wie ein Einsatz im echten Leben abläuft, konnten die 1000 Polizisten in den vergangenen acht Wochen üben.
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