Blues Brothers Premiere: Die schmissige Sause geht weiter
Schulden drücken, Terror ängstigt? Die „Blues Brothers“ machen wieder Mut und entführen in einen Vergnügungspark voll großartiger Musik.
Die Schuldenkrise ist in Augsburg angekommen. Varoufakis und Tsipras heißen hier allerdings Jake und Elwood Blues. Aber den Blues kriegen die beiden Brüder im schwarzen Anzug und tarnenden Sonnenbrillen eigentlich nie, mögen auch noch so horrende Zahlungsforderungen an sie gestellt werden, weil sie bei allen in der Kreide stehen. Ihre Bühne ist nicht Brüssel, sondern der Red Gate Park am Roten Tor in Augsburg mit Looping-Achterbahn, Autoscooter, Burgerbude und Showbühne (Bühnenbild/Kostüme Timo Dentler und Okarina Peter). Die Spaßzone ließ Regisseur Manfred Weiß fürs neue Sommermusical des Theaters Augsburg auf der Freilichtbühne aufbauen.
Unverwüstliche Lebensfreude auf dem Rummelplatz der Blues Brothers
Hier wird seit Samstagabend hemmungslos das Leben gefeiert, mag die Welt rundum in Flammen stehen. „It Burns, Burns, Burns“ schmettert Lea Sophie Salfeld, die als Dolly die Burgerbude schmeißt, und das Feuer schlägt hoch. Die Show erreicht nach der ersten Viertelstunde – die Blues Brothers sind noch gar nicht wirklich in Aktion getreten – ihre volle Betriebstemperatur und wird sie den Abend lang nicht mehr verlieren. Allenfalls mischen sich ein paar melancholische Molltöne darunter. Denn manchmal ist einem zum Heulen zumute. Und seien es auch nur geheuchelte Tränen, um ein Herz weichzuklopfen.
Gibt es echte Probleme auf diesem Rummelplatz des Lebens? Nicht wirklich. Nicht einmal dräuende Regenwolken im Augsburger Nachthimmel konnten der gefeierten Premiere etwas anhaben. Die Cops, die wiederholt mit geschwellter Brust aufmarschieren, um vermeintliche Bösewichte zu schnappen, haben selber nur das eine im Sinn: ihren Spaß mit den Mädels. Den gerissenen Gaunern Jake (Andy Kuntz) und Elwood (Florian Innerebner), die geschmeidig über die Bretter fegen und mit ihren Evergreens der Sixties und Seventies ordentlich für Dampf sorgen, kann die Ordnungsmacht eh nicht beikommen. Denn die beiden haben einen mächtigen Schutzpatron: unverwüstliche Lebensfreude.
Hervorragende handgemachte Musik statt großer Geschichte
Was bedeutet da schon das kriminelle Anzapfen einer Tankstelle oder das mutwillige Überschreiten des Tempolimits (jawohl, es gibt auf der Freilichtbühne Verfolgungsjagden wie im Film. Allerdings nur auf Leinwand, aber mit fiebernder Tatort-Musik!). So richtig böse mag Manfred Weiß die beiden Brüder nicht zeichnen. Wenn oben auf der Brüstung die Zapfsäule explodiert, sieht es eher aus wie ein lustiger Knalleffekt als wie ein terroristischer Akt. Von den resoluten Klosterschwestern des katholischen Waisenhauses kriegen die Jungs für jedes schlimme Wort sowieso eine geknallt. Und in ihrer Geldgier geht die fromme Oberin den Gaunern eh voran. Alle schnorren fröhlich auf Kosten der Anderen. Alle verschulden sich ohne Gewissensbisse.
Aber wird auf der Freilichtbühne überhaupt eine Geschichte erzählt und gespielt? Es überwiegt hier eine dichte Abfolge mitreißender Hits, die vom Jazzpianisten Tim Allhoff zusammen mit seinem Oktett großartig arrangiert mit sattem Sound (man höre die Bläsergruppe, die Gitarrenriffs!) gespielt werden. Handgemachte Musik, das ist eine der Kernbotschaften des Musicals, drückt unvergleichlich alle Lebenslagen aus; synthetischen, seelenlosen Digitalpop aus dem Computer kannst du vergessen.
Stimmlich lassen Andy Kuntz als Jake und Florian Innerebner als Elwood nichts anbrennen, ihr Blues kommt cool rüber. Auch in anderen musikalischen Gefilden bewegen sie sich stilsicher. Lea Sophie Salfelds kerniger Sopran strahlt dazu wie ein Kraftwerk, der man das ermutigende „Stand By Your Own Man“ sofort abnimmt. Zusammen mit Sebastian Baumgart als Cop bildet sie ein Liebesduo, das sich im blauen Licht quer über die gesamte Bühne derart herzensbrecherisch anschmachtet, dass jedem Zuhörer die Gänsehaut über den Rücken läuft. Christopher Busietta als Funpark-Chef Curt ist mit einem schmalzigen Tenor gesegnet, der innig den unbescheidenen Wunsch „I Wanna Be A Billionaire“ trällert. David Bruce Whitley als der blinde Pianist Ray Charles röhrt aus tiefer Kehle soulig „Unchain My Heart“. Stephen Shivers hat als eleganter Cab Calloway ganz in Weiß seinen großen Auftritt, während sich Mezzosopran Kerstin Descher als strenge Oberschwester auch sängerisch echauffiert.
Augsburger Ballettcompagnie beweist Wandlungsfähigkeit
Die Ballettcompagnie (Choreografie Natalie Holtom) tobt auf der großen Bühne unglaublich wandlungsfähig herum, mal als bodenständige Cowboys, mal als diensteifrige Cops, mal als ausgeflippte Hippies und mal als sexy Klosterfrauen, schließlich im quer gestreiften Overall als muntere Knacki-Truppe. Der nahen Wiederkunft des Herrn fiebert indes ein aufgepeitschter Gospelchor entgegen – auch dies eine Art und Weise, der irdischen Misere zu entkommen versuchen.
Einen besonderen Jux macht sich Regisseur Weiß mit braunen Dumpfbacken, die auch ihren Auftritt auf der Showbühne haben möchten. Sie stolpern die Stufen herauf, verheddern sich in ihrer Fahne, blödeln auf Kommando – kurzum, die Braunhemden unterm schwarzen Helm geben eine einzige Lachnummer ab. Auch so kann man mit dem Neonazi- und Pegida-Spuk in Deutschland begegnen. Sogar die schwarze tschetschenische Witwe (Descher), die mit immer schwereren Feuerwaffen gegen die feierwütigen Westler anrückt, kann der guten Laune nichts anhaben.
Und wandern am Ende alle in den Knast, dann singen sie halt den „Jailhouse Rock“. Lange bleiben sie sowieso nicht drin. Denn die schmissige Sause muss weitergehen. Wer wird schon den Blues kriegen, dass die Welt so ist, wie sie ist? Nur nicht den Kopf hängen lassen, die Zeche wird irgendwer bezahlen.
Bis zum 1. August fast täglich auf der Freilichtbühne am Roten Tor. Besucherservice Telefon 0821/3244900, bei fragwürdigem Wetter Auskunft ab 17.15 Uhr unter der Rufnummer 0821/3241984.
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