Den Lehrern auch mal Danke sagen
Oft wird nur über sie geschimpft. Aber Lehrer können uns weit über die Schule hinaus prägen. Zeit, einmal daran zu erinnern – und Danke zu sagen.
Es gibt da diese schöne Geschichte von einem Experiment an einer amerikanischen Volksschule. Der Psychologe Robert Rosenthal hatte, wie er in seinem Buch „Pygmalion im Unterricht“ berichtet, den Lehrerinnen und Lehrern mitgeteilt: Durch einen Test am Schuljahresbeginn sei ermittelt worden, welche Schülerinnen und Schüler die höchste Intelligenz hätten – und von welchen 20 Prozent nun überdurchschnittliche Leistungssteigerungen zu erwarten seien.
Tatsächlich stellte sich am Schuljahresende heraus, dass sich wirklich genau diese am besten entwickelt hatten. Auch im Verhalten, der Neugierde, der Freundlichkeit … Bloß: Die übermittelten Namen waren völlig willkürlich der Klassenliste entnommen. Ein Unterschied zu den anderen Schülern bestand also nur in den Köpfen der Lehrer – und wurde allein dadurch aber Wirklichkeit.
Jetzt kann man das wunderbar als Vorlage nehmen, um mal wieder auf die Lehrer einzuschlagen. Zwar würden wohl die meisten zustimmen, dass diese einen der wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft haben und zugleich einen der schwierigsten im Reform- und Zuwanderungsland; aber wenn es um den einzelnen Lehrer und den eigenen Nachwuchs geht: zu streng oder zu lasch, zu fordernd oder nicht fordernd genug, zu hierarchisch oder zu nett … – er ist jedenfalls nie der Richtige.
Gute Lehrer sind offen, kommunikativ und motivieren ihre Schüler
Man kann das aber auch ganz anders verstehen. Vom Philosoph Christoph Türcke stammt das Buch „Lehrerdämmerung“ (C. H. Beck, 159 S., 14,95 Euro), es ist ein Aufschrei. Denn angesichts der „neuen Lernkultur“, die so modern und hochtönend Wert lege auf die Eigenständigkeit der Schüler, auf Beweglichkeit und Vernetzung, auf Kreativität und offene Strukturen, käme dem Unterricht das Entscheidende abhanden: die Bindung an den Lehrer. Vom Lehrenden drohe er zum Lernbegleiter zu werden, bloß noch beim Absolvieren von Bildungsmodulen behilflich und dabei selbst evaluiert.
Und als wäre die (ministerielle) Unsicherheit nicht groß genug, welche Kenntnisse in welchem Zeitraum zu vermitteln sind, gibt es immer neue Forderungen: dass etwa, wie in Estland und Finnland, mit den White Boards im vernetzten, jahrgangsübergreifenden Klassenzimmer schon in der Grundschule Programmieren und Codieren vermittelt werden müsse. Als käme es auf solcherlei an, wenn von der Zukunftsfähigkeit des Nachwuchses die Rede ist.
Dabei beweist die Forschung des weltweit einflussreichsten Bildungsforschers das Gegenteil. Der Australier John Hattie hat aus Daten von über 250 Millionen Schülern entscheidende Bildungsfaktoren herausgefiltert – alles, was an der Spitze der Liste auftaucht, lässt sich in einem zusammenfassen: im Faktor Mensch. Aber weder durch die Disziplin eines Lehrer Lämpel bei „Max und Moritz“ noch durch die Coolness eines Elyas M’Barek als Hilfslehrer in „Fack ju Göhte“. Sondern durch Kommunikation, Motivation und Kritikfähigkeit, durch die Offenheit und positive Erwartung des Lehrers. Wenn die schulischen Strukturen es ihm und dem Schüler denn ermöglichen …
Schule prägt uns alle
So kann man an die Figuren wunderbarer Erzählungen denken wie Robin Williams im „Club der toten Dichter“ oder Erich Kästner und sein „Fliegendes Klassenzimmer“. So können sich aber vielleicht auch viele selbst erinnern. Als John Hattie jedenfalls kürzlich in Augsburg mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet wurde, fragte er in den gut gefüllten Saal, ob denn nicht jeder, der hier säße, es dank eines bestimmten Lehrers täte – da nickten alle. Und als der Philosoph Wilhelm Schmid im Augsburger Theater-Foyer von seinem erstaunlichen Werdegang über den zweiten Bildungsweg zum Professor und Bestseller-Autor erzählte, nannte er drei Gründe für ein gelingendes Leben, das auf Bildung fuße: „Erstens der Lehrer, zweitens der Lehrer und drittens der Lehrer.“
Schule prägt uns alle. Wer von Beginn an am Lernen Freude entwickelt, wird es leichter haben im Leben. Wer auf begeisternde Lehrer trifft, wird mehr über sich erfahren und seinen Weg besser finden. In einer solchen Schule werden vermeintliche Lernhindernisse wie soziale Herkunft und Migrationshintergrund schnell unwichtiger. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass eine Gesellschaft die dafür wichtigsten Menschen sorgfältig auswählt und ausbildet. Aber wer an seine Schulzeit zurückdenkt oder auf das jetzige System blickt, wird womöglich zu dem Schluss kommen, dass er Lehrern Dank schuldet, die es trotz System und Ausbildung geschafft haben, positiv prägende Gestalten zu werden.
Wenn er an seine Schüler glaubt, kann ein Lehrer viel bewirken
Darum, zum Schluss, noch eine andere Geschichte. Eines Tages kam Thomas Edison von der Schule nach Hause und gab seiner Mutter einen Brief. Er sagte: „Mein Lehrer hat mir diesen Brief gegeben und sagte mir, ich solle ihn nur meiner Mutter zu lesen geben.“ Die Mutter las dem Sohn mit Tränen in den Augen laut vor: „Ihr Sohn ist ein Genie. Diese Schule ist zu klein für ihn und hat keine Lehrer, die gut genug sind, ihn zu unterrichten. Bitte unterrichten Sie ihn selbst.“
Viele Jahre nach dem Tod der Mutter, Edison war längst einer der größten Erfinder, durchsuchte er Familiensachen und stieß in einer Schreibtischschublade auf ein gefaltetes Blatt Papier. Er öffnete es, da stand: „Ihr Sohn ist geistig behindert. Wir wollen ihn hier nicht mehr haben.“ Edison weinte stundenlang und schrieb in sein Tagebuch: „Thomas Alva Edison war ein geistig behindertes Kind. Durch eine heldenhafte Mutter wurde er zum größten Genie des Jahrhunderts.“
Man braucht aber kein Genie zu sein, um zu erfahren, dass der Glaube an einen Schüler manchmal Berge versetzen kann. Und keine Mutter. Bloß ein guter Lehrer.
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