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Survival-Sommer
04.08.2017

Die Aufgabe: Ernähr dich nur von dem, was du draußen findest!

Redakteurin Lea Thies beim Kochen in der Wildnis.
Foto: Heike Koch

Die Heimat als Abenteuerroman - geht das noch? Aber ja! Wir haben uns für den "Survival-Sommer" ein paar Aufträge erteilt.

Die Aufgabe: Rausgehen in die Natur und einen Tag nur essen, was Wald und Wiese hergeben. Na dann los!

Weltuntergangswetter, wie passend! Der Himmel ist grau verhangen, Dauerregen, Menschen verkriechen sich in ihren Häusern und hoffen, dass das da draußen irgendwie schnell vorbei geht. Ich auch beim Aufstehen, und doch bin ich neugierig aufgeregt. Dass die Redaktionsaufgabe hart ist, sich nur von Wald und Wiese zu ernähren, war sofort klar. Dass es gleich so authentisch wird, konnte eine Woche zuvor bei der Terminabsprache niemand ahnen. Vielleicht hätte ich doch Stefan Kochs Angebot vom Vorabend annehmen sollen, das Ganze um ein paar Tage zu verschieben, bis die Megadusche der Natur vorbei ist. Vielleicht hätte ich auch einfach laut mit meinem Körper sprechen sollen, wie es Heike Koch mir später am Tag raten sollte. "Das hilft, um durch extreme Situationen zu kommen." Hinterher ist man halt immer schlauer.

"Achtung, Starkregen an den Steiglagen des Allgäus", warnt die Nachrichtensprecherin im Radio fast viertelstündlich, während ich die Komfortzone Stadt verlasse. Die Scheibenwischer sind jetzt schon auf höchster Stufe mit all dem Wasser überfordert – und in etwa einer Stunde muss ich da raus. Zum Glück habe ich Goretex-Klamotten an. An einem solchen Tag ein wahrer Luxus. Wie abhängig ich von den Errungenschaften der Zivilisation bin, spürte ich gleich in der Früh. Kein Kaffee. Mmpf. Mein Frühstück: ein Glas Wasser, ein Apfel vom Baum und ein paar Blätter Klee. Ich ahne, wie weit mein Leben sich von der Natur wegentwickelt hat, wie abhängig ich von der modernen Infrastruktur bin und wie viel ich verlernt habe oder noch nie wusste. Ich weiß aber: Ohne Hilfe bin ich auf Nahrungssuche in freier Wildbahn aufgeschmissen. Mir fällt da die traurige Geschichte des 24-jährigen Christopher McCandless ein, die in "Into the Wild" verfilmt wurde. Ein junger Mann, der Anfang der 1990er Jahre in der Wildnis Alaskas die Freiheit suchte und das Experiment nicht überlebte. Vergiftet, verhungert. Die Natur ist lebensgefährlich, wenn man sich nicht auskennt. Daher erlaubten die Kollegen netterweise auch zwei Begleiter, die aufpassen, dass ich nicht aus Versehen eine Tollkirsche esse.

Wenn die Welt untergeht, möchte man Heike und Stefan Koch an seiner Seite haben

Links neben der Straße taucht plötzlich eine wild tosende, braune Suppe auf, die eindrucksvoll ins Tal rauscht. Die kleine Breitach sieht durch den Starkregen wie der Coloradoriver aus, auch das noch. Ich bin froh, gleich auf Heike und Stefan Koch zu treffen, die mich Stadtmensch hoffentlich ein bisschen vor der wilden Natur beschützen – und mir hoffentlich auch sofort sagen werden, was ich essen darf.

Sie warten schon in der Ortsmitte von Tiefenbach bei Oberstdorf unter zwei Regenschirmen. Sofort ist klar: Wenn die Welt untergeht, möchte man Heike und Stefan Koch an seiner Seite haben. Dann ist bestimmt vieles gar nicht so tragisch. Sie strahlen etwas aus, das man in der Stadt lange suchen muss: Ruhe und Erdverbundenheit. Zwei Menschen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und sich in der Natur zurechtfinden wie andere im Supermarkt. Sie Logopädin und Kräuterführerin, er Wildnispädagoge. 2005 gründete Stefan Koch die Wildnisschule Allgäu, in der er nun zusammen mit seiner Frau Menschen hilft, der Natur und einer natürlicheren Lebensweise wieder näher zu kommen. Sie sind Lehrer für Wurzelsucher – auch im übertragenen Sinne. Über ihre Homepage wildnisschule-allgaeu.de finden auch ein paar Menschen ins Allgäu, die lernen möchten, in Krisenzeiten in der Natur zurechtzukommen. Aber zu diesen "Preppern" (von englisch "prepare" für vorbereiten) später mehr.

Mit mir wollen Heike und Stefan Koch nun also essbare Wurzeln und andere Pflanzenteile suchen. Wir gehen von der Tiefenbacher Ortsmitte einen Hang in Richtung Sulzburg hinauf und biegen links auf einen Weg zwischen zwei ungemähten Wiesen ab. Hier gibt es etwas zu essen? Würde mir Heike Koch nun Bilder von Pflanzen zeigen, die ich in dem saftigen Grün finden soll, käme das einem Wimmelbuchsuchspiel gleich. Möglicherweise hätte ich auch gleich die harmlose Butterblume mit dem lebertoxischen Jakobskreuzkraut verwechselt. Beides knallgelb, wenngleich mit sehr unterschiedlichen Blütenblättern. Städter hätten verlernt, genau hinzuschauen, meint Heike Koch.

Ich wäre auch nie im Leben darauf gekommen, die Pflanze zu essen, deren Blüte doldenartig aus der Wiese emporragt: "Das ist ein Wiesenbärenklau, nicht zu verwechseln mit dem Riesenbärenklau", erklärt Heike Koch und geht einen Schritt auf die Wiese, um mir die haarigen, gezackten Blätter besser zu zeigen. "Daraus kann man einen Spinat kochen, gute Blattsubstanz", sagt sie. Beim Pflücken müssten empfindliche Menschen aufpassen: Die Härchen können die Haut reizen. Aber bei weitem nicht so stark wie beim großen Bruder "Riesenbärenklau". Im an die Wiese angrenzenden Bauernhaus beobachtet inzwischen eine Frau, was wir da tun. "Wiesen dürfen zurzeit eigentlich nicht betreten werden", erklärt Stefan Koch, und wir gehen auf der Straße weiter. Seine Frau zupft noch ein Blattstück vom Wiesenbärenklau ab und reicht es mir zum Kosten. Und was ist mit Fuchsbandwurm? "Panikmache", sagt Stefan Koch, "darüber kannst du gleich mal schreiben. Bundesweit gibt es jedes Jahr weniger als 100 Fälle. Von keinem ist erwiesen, dass der Bandwurm über Lebensmittel aufgenommen wurde", resümiert Stefan Koch verschiedene Studien. Auf der Internetseite von Internisten im Netz", die ich am Vorabend gelesen hatte, heißt es auch: "Bislang gibt es noch keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Sammeln und Essen von Beeren oder Pilzen die Infektionsgefahr erhöht." Außerdem wäscht der Starkregen gerade die Natur ordentlich durch.

Schon ist das Blatt im Mund. Schmeckt etwas wie Spinat. Satt macht so etwas aber nur in großen Mengen. "Und an diese Faserstoffe muss sich dein Körper auch erst einmal gewöhnen", sagt Stefan Koch, der vielleicht schon gesehen hat, wie ich nach weiteren Blättern Ausschau gehalten habe. "Hast du etwas Wiesenthymian gepflückt?", fragt er seine Frau. "Was man hat, das hat man", sagt er dann. Ich ahne: Survival hat auch etwas mit Kraft schonen zu tun, was mir heute sehr zusagt.

Am liebsten würde ich das gleich in Zeitraffer ausprobieren

Wir gehen weiter bergauf und ich merke, dass ein Hang sich mit fast nüchternem Magen wesentlich schwerer bezwingen lässt. Vor unseren Füßen taucht etwas Essbares auf: Breitwegerich. "Lecker", sagt Heike Koch, und ehe ich mich versehe, hat sie sich schon gebückt, einen Halm abgebrochen, die kleinen Samen in ihre Hand gestreift und in den Mund gesteckt. "Im Reformhaus geben die Leute viel Geld für Flohsamen aus. Das hier ist genauso gut", erklärt sie. Ihr Mann erklärt: Breitwegerichsamen lassen sich trocknen, mahlen, zu Teig vermischen und Fladen backen. Am liebsten würde ich das gleich in Zeitraffer ausprobieren. Klingt jedenfalls sättigend. Ich lerne: Wegerichgewächse sind Survival-Food, denn diese Pflanzen wachsen überall auf der Welt und man kann sie überall essen. Disteln übrigens auch. Und Springkraut.

Ein paar Breitwegerichblätter wandern in das Körbchen, in dem wir Zutaten für einen Survival-Eintopf sammeln. Und weil die Samen wirklich lecker nussig sind, nehme ich noch ein paar für meine Kollegen mit. Sogar ein ganz dickes Blatt mit dicken Fasern. Vielleicht möchte ein Kollege nachher ja noch einen anderen Survival-Trick ausprobieren: Breitwegerichfasern als Zahnseideersatz. Quasi Notfall-Zahnpflege.

Womit wir wieder beim Thema Weltuntergang oder Krise wären. Als vor rund zehn Jahren immer häufiger vom Maya-Kalender und dem dort für 2012 angekündigten Ende der Welt die Rede war, bekamen Kochs vermehrt Anfragen für Überlebenskurse. "Als die Welt dann doch nicht unter ging, war erst einmal Ruhe", sagt Stefan Koch und schnitzt im Handumdrehen aus einem Stock ein Werkzeug zum Graben, das er mir "für gleich" in die Hand drückt. Seitdem die Welt aber in Zeiten von Trump und Putin, von Hackerangriffen und nordkoreanischen Atomtests vielen unsicherer scheint, steige das Interesse an Überlebenskursen wieder. Prepper wollen von Kochs lernen, wie sie in der Wildnis überleben, wie sie Feuer machen und Unterschlüpfe bauen, wie sie einen Fluchtrucksack packen und welchen Pflanzen sie essen können. Manche wollen auch Tiere töten.

Wir gehen weiter bergauf und ich merke, dass ein Hang sich mit fast nüchternem Magen wesentlich schwerer bezwingen lässt. Vor unseren Füßen taucht etwas Essbares auf: Breitwegerich. "Lecker", sagt Heike Koch, und ehe ich mich versehe, hat sie sich schon gebückt, einen Halm abgebrochen, die kleinen Samen in ihre Hand gestreift und in den Mund gesteckt. "Im Reformhaus geben die Leute viel Geld für Flohsamen aus. Das hier ist genauso gut", erklärt sie. Ihr Mann erklärt: Breitwegerichsamen lassen sich trocknen, mahlen, zu Teig vermischen und Fladen backen. Am liebsten würde ich das gleich in Zeitraffer ausprobieren. Klingt jedenfalls sättigend. Ich lerne: Wegerichgewächse sind Survival-Food, denn diese Pflanzen wachsen überall auf der Welt und man kann sie überall essen. Disteln übrigens auch. Und Springkraut.

Ein paar Breitwegerichblätter wandern in das Körbchen, in dem wir Zutaten für einen Survival-Eintopf sammeln. Und weil die Samen wirklich lecker nussig sind, nehme ich noch ein paar für meine Kollegen mit. Sogar ein ganz dickes Blatt mit dicken Fasern. Vielleicht möchte ein Kollege nachher ja noch einen anderen Survival-Trick ausprobieren: Breitwegerichfasern als Zahnseideersatz. Quasi Notfall-Zahnpflege.

Womit wir wieder beim Thema Weltuntergang oder Krise wären. Als vor rund zehn Jahren immer häufiger vom Maya-Kalender und dem dort für 2012 angekündigten Ende der Welt die Rede war, bekamen Kochs vermehrt Anfragen für Überlebenskurse. "Als die Welt dann doch nicht unter ging, war erst einmal Ruhe", sagt Stefan Koch und schnitzt im Handumdrehen aus einem Stock ein Werkzeug zum Graben, das er mir "für gleich" in die Hand drückt. Seitdem die Welt aber in Zeiten von Trump und Putin, von Hackerangriffen und nordkoreanischen Atomtests vielen unsicherer scheint, steige das Interesse an Überlebenskursen wieder. Prepper wollen von Kochs lernen, wie sie in der Wildnis überleben, wie sie Feuer machen und Unterschlüpfe bauen, wie sie einen Fluchtrucksack packen und welchen Pflanzen sie essen können. Manche wollen auch Tiere töten.

Ich zupfe die Samen ab, stecke sie in den Mund. Nussig, lecker

Aber da stellen Kochs, beide Vegetarier, schon auf ihrer Homepage klar: Das gibt es nur im äußersten Notfall, niemals beim Training. Ein Glück muss ich also keine Regenwürmer braten, Eichhörnchen schlachten oder Kellerasseln kauen. Es reicht schon zu wissen, dass man dies alles tun könnte – allein der Gedanke daran fühlt sich unangenehm an. Kochs wäre es lieber, wenn mehr Menschen vegetarisch leben würden.

Zu Preppern hat das Ehepaar ein ambivalentes Verhältnis. Zum einen verdienen Kochs mit Survival-Kursen einen Teil ihres Geldes. Zum anderen passen manche dieser Menschen aber gar nicht in ihr Konzept. "Unser Antrieb ist die Liebe zur Natur, deren Antrieb ist die schiere Angst", sagt Stefan Koch. Er habe schon Kursteilnehmer gehabt, die sich nicht darum kümmerten, was sie hinterließen, ob irgendetwas zerstört wurde. Und manche entwickelten einen regelrechten Survival-Ehrgeiz. Den sollte ich bald am eigenen Leib erfahren.

Zunächst aber gibt es eine kleine Löwenzahnknospe "to go" (süßlich saftig) und dann stehen wir vor einem Brennnesselfeld. Superfood. Vitaminbomben. Nährstoffreich. Ich zupfe die Samen ab, stecke sie in den Mund. Nussig, lecker – ich pflücke und pflücke, esse und esse, mein Hunger bleibt. Ich erzähle von meiner Oma, die im Nachkriegs-Berlin Brennnesseln aß, weil es sonst nichts gab. "Sind wir mal ehrlich. Für uns ist hier genug da. Wenn aber alle Augsburger kämen, würde das vorne und hinten nicht reichen", sagt Stefan Koch. Seine Frau drückt es so aus: "Wenn etwas passiert, dann wird man aussortiert. Die Natur ist so." Und da ist wieder der Gedanke vom "Was wäre wenn …", der mich schon den ganzen Tag begleitet. Was würde man tun, wenn Elektrizität und Wasserversorgung dauerhaft ausgefallen wären? Wenn die zivile Ordnung zusammengebrochen wäre? Würde ich dann einen Supermarkt überfallen? Oder versuchen, die Familie aus der Stadt rauszubringen? Wo würden wir Wasser herbekommen? Das allerwichtigste Nahrungsmittel überhaupt! Dann wäre ein Regen wie heute ein Segen. So aber nervt mich das Wasser von oben langsam. Alles klamm und mir wird kalt. Es hat 13 Grad. Im Hochsommer!

Wir gehen an ein paar Bäumen vorbei, in denen es wuselt. Vögel und Eichhörnchen tummeln sich hier, weil Kochs sie füttern. Damit möchten sie der Umwelt etwas zurück geben und einem traurigen Trend entgegenwirken. "In den letzten 20 Jahren sind rund 80 Prozent der Insekten verschwunden, weil der Mensch die Umwelt manipuliert hat", erklärt Stefan Koch. Weniger Insekten, weniger Vögel. Ein Weltuntergang im Kleinen, um den sich viele nicht scheren. Dank Kochs Initiative hat sich hier aber ein Mikrokosmos zurückgebildet. Wo Vögel und Futter sind, da sind auch Mäuse, Dachse und Füchse. Auch die Nachbarn freuten sich, dass wieder mehr Vogelgezwitscher zu hören ist, sagt Koch und unterbricht sich selbst: "Vorsicht, ein Schnecki." Seine Frau zieht sofort ihren Fuß über dem Gehäuse einer Weinbergschnecke hoch. Ein Prepper würde jetzt denken: Essen!

Langsam bekomme ich Kopfschmerzen

Wir betreten eine Kuhweide, auf der Schätze wachsen. Eine Pflanze mit zitronig schmeckenden kleinen gelben Blüten: Odermennig, gut für die Leber. Dann wieder weiße Dolden: "Das ist eine Wilde Möhre, der Vorgänger unserer Möhren. Die hat einen schwarzen Punkt in der Dolde", sagt Heike Koch. Mit den Fingernägeln kratzt sie die Erde ab und hält mir die Kinderfingerdicke Wurzel unter die Nase, die wirklich nach Karotte riecht und etwas nach Karotte schmeckt. Gekocht soll das eine sättigende Mahlzeit sein.

Ich versuche also, mit dem Grabestock Wilde Möhren zu ernten. Die erste flutscht förmlich aus dem feuchten Boden. Die zweite will nicht. Der Stängel bricht ab, die Wurzel bleibt in der Erde stecken. Ich halte sie schon in meinen Händen, ziehe, spreche mit ihr, "komm schon, hab dich gleich, noch ein Stückchen" – Heike Koch sieht mir zu und sagt: "Siehste, jetzt weißte, wie das mit dem Ehrgeiz ist." Sie hat recht. Ich lasse die Wurzel stecken und stapfe hinter ihr durch das nasse Gras, dessen jungen Triebe auch essbar wären. Vorbei an ein paar Melde-Pflanzen (schmecken mild), immer weiter, über eine Straße und eine andere Kuhwiese hinauf. Langsam bekomme ich Kopfschmerzen. Ob’s am leeren Magen liegt, am Wetter, am Koffeinentzug oder am ungewohnten Blattwerk im Bauch?

Unter ein paar großen Bäumen spannt Stefan Koch eine Zeltplane als Regenschutz. Mindestens genauso schnell hat er mit Holz aus seinem Rucksack ein Feuer gemacht und Wasser gekocht, in das wir nun die kleingezupften Blätter und die Blütendolden werfen. Auf einem zu einem Suvivalbrett umfunktionierten Holzschnitz schneide ich die selbst gesammelte Wurzel klein und werfe sie ins heiße Wasser. "Man könnte mit Wiesenthymian und Majoran würzen. Und als Salzersatz Buchenasche nehmen", sagt Heike Koch.

Nach etwa zehn Minuten zückt ihr Mann drei selbst geschnitzte Holzlöffel und wir probieren unseren Wildniseintopf. Die Wärme tut gut. Die Dolden schmecken karottig. Das Springkraut fast fruchtig. Die gekochte Wurzel ist nicht mein Fall. Bitter und hungrig – unschöne Kombination. Ich bekomme nichts mehr hinunter. Insgeheim wünsche ich mir einen Brombeerstrauch. Oder ein Feld mit Champignons. Vielleicht hatte ich wie im Comic Brombeeren in den Augen, vielleicht kann Koch auch Gedanken lesen. Vielleicht habe ich auch vor Hunger was von Brombeeren gefaselt und wieder vergessen. Jedenfalls sagt Koch: "Beeren und Pilze sind kein Survivalfood. In Beeren steckt nur Zucker, in Pilzen nur Zellstoff und etwas Fett. Die Verwechslungsgefahr ist zu groß." Lecker wär’s jetzt aber trotzdem!!

So eine Grenzerfahrung schärft aber auch den Blick

Dass die Ausbeute nicht sonderlich üppig sein wird, das hatte Stefan Koch am Telefon schon angekündigt. Nach der Sommersonnwende zieht sich die Natur schließlich langsam wieder zurück. Ich habe zwar noch einen Extraapfel eingepackt, allerdings auf das Anfängerglück gesetzt, etwas Sättigendes zu finden. Ganz falsch war das nicht, wie ich am Lagerfeuer lerne. Eine positive Lebenseinstellung, ein klarer Kopf seien in Notsituationen überlebenswichtig, sagen Kochs, während ich ein Gefühl davon bekomme, wie schwer das sein kann. Denn: nass, kalt und hungrig – das zermürbt.

So eine Grenzerfahrung schärft aber auch den Blick. Auf dem Rückweg fallen mir am Straßenrand plötzlich überall Doldenblütler auf. Ich fahre zu schnell, als dass ich kleine, schwarze Punkte erkennen könnte. Aber es könnte Essen sein. Am Abend, nachdem eine heiße Badewanne, eine Kopfschmerztablette und eine Breze mich wieder in der Zivilisation empfangen haben, fällt mir zum ersten Mal auf, welch wilde Schätze in den Fugen der Terrasse wachsen, die ich am Morgen noch übersehen hatte: Löwenzahn und Breitwegerich – jetzt weiß ich: alles Rüstzeug für Krisenzeiten.

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