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Berlin
20.04.2018

Im Revier von Papa Afrika

Souleymane Sow, genannt Solo, kennt alle Jungs, die im Görlitzer Park in Berlin rumhängen. Er arbeitet als einer von vier Parkläufern – und sieht sich selbst als Kulturdolmetscher.
Foto: Marlene Gawrisch

Der Görlitzer Park in Berlin steht für Drogenkriminalität und Politikversagen. Jetzt setzt man dort auf Sozialarbeit - Parkläufer Souleymane Sow macht´s vor.

Guinea liegt im Görlitzer Park. Es ist eine Bank. Mamadou und David* haben sie in Beschlag genommen. Der eine ein Hipster mit Hornbrille, der Löcher in den Boden starrt. Der andere ein Riese mit Rastafarizöpfen, der sich die Sonne ins Gesicht scheinen lässt. Zwischen ihnen steht ein Rucksack. Links und rechts haben sie Jacken ausgebreitet. Es sieht aus, als würden sie hier wohnen.

Sow kennt den Görlitzer Park sehr gut

Der Görli ist ihr Zuhause, 14 Hektar, ein Kinderbauernhof, ein Grillplatz, eine Liegewiese. Eine grüne Oase mitten in Kreuzberg. Einerseits. Ein Symbol für Drogenkriminalität und Politikversagen. Andererseits. Daran wird man erinnert, wenn man in Berlin die Falckensteinstraße in Richtung Görli entlangschlendert. Es ist ein Spießrutenlauf, besonders für Frauen, vorbei an zwei Dutzend Jungs aus Afrika. Sie haben sich vor dem Eingang aufgebaut, Markenturnschuhe an den Füßen und bunte Basecaps auf den Köpfen. Sie stehen da wie Türsteher. Ein Blick, und sie haben jeden Besucher gescannt. Anwohner oder Tourist? Kunde oder Spaziergänger? Kohle oder keine Kohle? Plötzlich raunt einer: "Hey, Lady, willst du was kaufen?"

Souleymane Sow, 45, kennt die Jungs fast alle mit Namen. Er weiß, woher sie kommen und was sie hier suchen. Mamadou zum Beispiel, der Hipster von der Parkbank. "Der stammt aus demselben Land wie ich, aus Guinea. Er kommt jeden Nachmittag nach dem Unterricht in der Sprachschule. Er will studieren." Solo, wie Sow genannt wird, gibt ihm ein High-Five und wechselt ein paar Worte mit ihm in seiner Muttersprache Fula.

Die Jungs aus Afrika hören auf ihn

Er hat ihre Hautfarbe. Er spricht ihre Sprache. Er sagt ihnen, wo es langgeht. Das ist sein Job. Solo ist einer von vier Parkläufern, die der Bezirk probehalber engagiert hat. Einen Kulturdolmetscher, so nennt er sich selber.

Sein Revier galt lange als No-go-Area. Drogenhandel. Schlägereien. Diebstähle. So sah noch bis vor zwei Jahren der Alltag im Görli aus. Berlins damaliger Innensenator Frank Henkel (CDU) ging mit aller Härte gegen die Dealer und ihre Konsumenten vor. Das Problem löste er damit nicht. Die Männer gingen ja nicht weg. Sie wichen nur in die umliegenden Straßen aus. Der neue Senat hob die Null-Toleranz-Politik wieder auf. Dialog statt Repression. Vermittlung statt wegsehen. Das ist die neue Strategie.

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Der Görli hat jetzt einen Parkmanager, Cengiz Demirci. Er hat sein Büro in einem Bauwagen vor dem Café Edelweiß, außen Graffiti, innen Möbel vom Sperrmüll. Hier berät er die Männer bei ihrem Asylantrag. Hier hat er auch ein Konzept entwickelt, damit der Ort wieder ein Ort für alle wird. Er will, dass sie zusammen in einer Sporthalle trainieren. Er will, dass die Männer in einer Werkstatt lernen, Fahrräder zu reparieren oder Möbel zu bauen. Alles besser als dealen.

Seit seinem 13. Lebensjahr ist Solo in Berlin

Solo ist seine rechte Hand. Ein Mann mit der Statur eines Boxers und dem Schalk im Blick. Er sagt: „Ich kann alle Sprachen, die die Jungs sprechen. Mandinka, Susu, Fula, Malinke, Jula und Bambara.“ Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch spricht er auch. Aber vielleicht ist die Sprache gar nicht das Wichtigste. Solo war noch ein Teenager, als er 1986 mit dem Flugzeug nach Berlin kam, ganz allein, mit einem Touristenvisum im Gepäck. Er sagt: "Mein Weg war also nicht viel anders als der der Jungs. Bloß, dass ich nicht gedealt habe."

Es ist einer der ersten warmen Tage in diesem Jahr. Solo steigt die Treppe zum Bauwagen hoch. Er setzt sein Basecap ab und schlüpft in seine Dienstjacke, eine knallgrüne Fleecejacke. "Parkläufer" steht auf dem Rücken. Aber muss man im Görli noch erklären, wer Solo ist?

Geboren 1973 in Conakry, der Hauptstadt von Guinea, als Sohn des Chefs der Kriminalpolizei. Mit 13 Ausreise nach Berlin. Es ist der Traum vieler Afrikaner, nach Europa zu gehen. Die einen wollen studieren, die anderen das schnelle Geld verdienen, um es der Familie nach Hause zu schicken. Im Görli trifft man eher den zweiten Typ Afrikaner.

Chance auf eine bessere Zukunft lockte ihn nach Deutschland

Solo gehörte der ersten Gruppe an. Er, der Sohn aus gutem Hause, soll die Schule in Berlin zu Ende machen und studieren. Das ist sein Traum. Er will Diplomat werden. Heute lacht er über sich selber, wenn er sich daran erinnert, wie naiv er war, als er nach Deutschland kam. "Ich dachte, hier wachsen die Geldscheine an den Bäumen." Ein Junge, der keine Ahnung hatte von dem Dschungel der Bürokratie, der ihn hier erwartete. "Papa und Mama haben ja alles für mich gemacht."

Dennoch hatte Solo damals bessere Startbedingungen als viele Afrikaner heute. Einer seiner Cousins war schon in Berlin, der studierte Informatik und kümmerte sich um ihn. In den achtziger Jahren war es leichter, Jobs zu finden. Solo hat alles Mögliche gemacht, arbeitete auf dem Bau, schleppte Möbel für ein Umzugsunternehmen.

Fünf Jahre kämpft er um das, was sie im Görli ehrfürchtig „Aufenthalt“ nennen. Drei Hochzeiten und drei Scheidungen pflastern seinen Weg. Dann erst bekommt er einen deutschen Pass. Der Traum vom Studium ist da schon geplatzt. Er macht eine Ausbildung zum Personenschützer. Er sitzt zwölf Stunden am Tag im Büro von Amazon. Mitarbeiterausweise aktivieren und deaktivieren. Er wohnt mit seiner 17-jährigen Tochter zusammen. Als alleinerziehender Vater. Er sagt, etwas Besseres als der Job als Parkläufer hätte ihm nicht passieren können. Der Görli ist seine Bühne.

Guinea, Gambia, Ghana, Mali, Nigeria: Im Görli sind die Reviere nach Parkbänken aufgeteilt. Mamadou und David kommen aus Guinea.
Foto: Marlene Gawrisch

Wenn er mit seinem türkischen Kollegen Özcan durch den Park streift, winken ihm viele schon von Weitem zu. "Yo, Brother" oder "Wie geht’s?" rufen sie. Eine eigenartige Verwandlung geht dann mit den Afrikanern vor. Sie, die eben noch in sich zusammengesunken auf Bänken hockten oder ihr Revier verteidigten, entspannen sich. Die Worte sprudeln aus ihnen hervor. Es ist, als hätten sie einen verschollen geglaubten Verwandten wiedergetroffen. Liebling Görli oder Papa Afrika.

Das klingt harmonischer, als es ist. Denn die Männer kommen und gehen. Aber die Reviere bleiben dieselben. Solo hat sie auf einer Karte vom Görli eingezeichnet. Guinea gibt es gleich drei Mal, es sind drei Parkbänke rund um das Café Edelweiß herum. Gambia liegt an der Falckensteinstraße. Ghana, Mali und Nigeria markieren den Weg zur Skalitzer Straße. Am Eingang des Parks brannte früher regelmäßig die Luft. Dort, wo Araber aus Marokko, Tunesien, Algerien und Libyen aufeinanderprallten.

Solo sieht sich nicht als Polizist

Solo steckt seine Karte wieder weg. Es ist nicht seine Aufgabe, dem Drogenhandel einen Riegel vorzuschieben. Er sagt, er sei Sozialarbeiter, kein Polizist. "Man muss den Leuten irgendwie helfen. Man kann nicht sagen, ich mach die Tür für dich auf, aber du darfst hier nicht arbeiten. So fördert man doch Kriminalität." Aber das zu ändern, sei die Aufgabe der Politik. Sie verschließe die Augen vor diesem Problem. Und hier im Görli muss er die Folgen ausbaden. Er muss den Dealern immer wieder die Regeln einbläuen. Sich nicht vor den Eingängen zu postieren. Keine Frauen belästigen. Kinder in Ruhe lassen.

Er muss sich aber auch zwischen sie stellen, wenn Krieg ausbricht, weil Drogendealer die unsichtbaren Ländergrenzen überschritten haben und in fremden Revieren wildern. Ist das nicht frustrierend? Solo seufzt. Er sagt, die meisten Jungs seien zwar schon über 20, aber viele noch Kinder. Und manchmal erkennt er sich in ihnen wieder. "Ich war früher genauso dickköpfig."

Papa Afrika wird dringend gebraucht

Aber sein Verständnis hört dort auf, wo die Jungs das Gesetz mit den Füßen treten. Und das passiert immer wieder. Auf dem Weg zum Kinderbauernhof mit den Streicheltieren trifft er Amadou aus dem Senegal. Er sitzt auf einer Bank in der Sonne, ein Mittvierziger mit Turban auf dem Kopf. Er ist mit einer Deutschen verheiratet. Er fühlt sich als Kreuzberger. Er passt auf. Er erzählt Solo, was er am Abend zuvor beobachtet hat. Dass nämlich ein Junge aus Guinea in der Wiener Straße eine Autoscheibe zertrümmert und einen Laptop gestohlen habe.

Solo kennt den Jungen. Er kann nur mit Mühe seine Wut unterdrücken. Er sagt, den werde er sich vorknöpfen: "Der muss sich stellen. Sonst kriegt er ein Problem!" Business as usual. Nach anderthalb Jahren zieht der Bezirk zwar eine positive Bilanz. Es heißt, neben den Straftaten sei die Zahl der Beschwerden von Anwohnern zurückgegangen, auch dank regelmäßiger Polizeistreifen. Aber das friedliche Miteinander, von dem Parkmanager Cengiz Demirci träumt, liegt noch in weiter Ferne. Papa Afrika wird dringend gebraucht. Solo könnte sich darüber freuen. Aber es macht ihn auch traurig. Er sagt, wenn er Urlaub in Guinea mache, warne er die Jungs: "Bleibt hier!" Überzeugen kann er sie nicht. "Sie fragen dann, wenn es nicht toll ist, warum fliegst du dann wieder zurück?"

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