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Exklusiv
31.03.2018

Philosoph Wilhelm Schmid: "Können nicht immer positiv denken"

Im Bild sitzt er in seinem Wohnzimmer in Charlottenburg – die Heimat des Philosophen Wilhelm Schmid aber ist nicht Berlin.
Foto: Paul Zinken, dpa

Philosoph Wilhelm Schmid äußert sich in seinem neuen Buch über das Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Er sagt, warum es gut ist, auch mal negativ zu denken.

Sie haben sich in Ihrem neuen, kleinen Buch mal wieder einem großen und virulenten Thema angenommen: dem Verhältnis zu sich selbst, der „Selbstfreundschaft“. Bloß, dass Sie vor 14 Jahren schon mal darüber geschrieben haben, „Mit sich selbst befreundet sein“, hieß das damals. Was hat sich seitdem verändert?

Wilhelm Schmid: Geändert hat sich, dass seither die Selbstliebe Karriere gemacht hat. „Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest“, ist ein berühmter Buchtitel geworden. All das hat zum gesteigerten Narzismus in der Gesellschaft beigetragen, sodass man fast sagen kann, der Slogan heißt heute: „Liebe dich selbst, und es ist egal, was du kaputtmachst.“ Alles nur um des Ichs wegen. Selbstfreundschaft ist deutlich etwas anderes. So wie ja auch Liebe und Freundschaft zwischen Menschen deutlich unterschiedlich sind.

Sie nennen das Problem „Ichismus“.

Schmid: Wir leben in einer Zeit, in der sich Menschen stärker auf sich selbst besinnen müssen. Denn es gibt keine einzige Beziehung mehr, die nicht in Gefahr stünde. Es kommt also sehr viel stärker auf den Einzelnen an als in den Jahrzehnten zuvor, wo Menschen noch umsorgt wurden, vom Staat, auch von der Wirtschaft. Heute kann ja keiner mehr sicher sein, dass er morgen seinen Job noch hat. Als Reaktion stellen sich Menschen stärker auf die eigenen Füße. Was grundsätzlich sinnvoll ist. Aber dabei schlägt offenbar das Ich stärker durch, als es gut ist für das Ich selber.

Ein zentraler Begriff heute ist „Disruption“: Unsere Welt befindet sich durch rasante Entwicklungen wie der Digitalisierung in einem weit reichenden und tief greifenden Wandel, und keiner kann genau sagen, wozu das alles führen wird. Erhöht diese Situation den Druck auf das Ich noch einmal?

Schmid: Das ist ganz sicherlich so. Und zugleich fühlen Menschen sich schwach mit ihrem Ich. Die starke Betonung des Ich lässt ja nicht auf Ich-Stärke schließen, sondern auf Ich-Schwäche. Menschen fühlen sich nicht genug gerüstet für das, was auf sie zukommt, und das sind große Herausforderungen. Ich stelle mir gerne vor: Was hätten Menschen über unsere Zeit gedacht, vor 100 Jahren, wenn sie gewusst hätten, was da kommt: Weltkriege, das Internet, die Infragestellung von Familie, die Infragestellung von jeglicher Beziehung. Den Menschen wäre angst und bange geworden. Heute ahnen die Menschen eben auch, dass das, was kommt, mit allem bricht, was zuvor war. Das ist die Grundstruktur der Moderne, aus der können wir nicht einfach austreten, wir können uns nur rüsten dafür. Und das tun wir sinnvollerweise mit einer Stärkung des Ich – aber mit einem Ich, das sich vernetzt mit anderen Menschen.

Ein entscheidender Unterschied zwischen Selbstliebe als Selbstfreundschaft?

Schmid: Ja, so wie in einer Freundschaft sich die Menschen ja auch mit anderen verbinden, aber nicht so stark wie in der Liebe. Liebe neigt dazu, ihren Gegenstand besitzen zu wollen, neigt dazu, den anderen Perfekt haben zu wollen, wenig Distanz zu haben. Und alles das stimmt auch für die Selbstliebe. Menschen, die sich selbst zu sehr lieben, haben zu wenig Distanz zu sich, wollen sich gerne perfekt haben und schließen sich ein in sich, haben keinen Blick mehr für das Drumherum.

Manche Menschen wollen sich gerne selbst perfekt haben

Das überfordert aber den Einzelnen und verunmöglicht das Wir?

Schmid: Dass ich auf andere zugehe, das ermöglicht die Selbstfreundschaft. Sie bedeutet: Sich selbst so weit zu stärken, dass ich auf andere zugehen kann; in sich Konflikte regulieren, so dass wir gut mit uns selber leben können, auch mit unseren eigenen Widersprüchen, mit unseren Schwächen, negativen Seiten. Das verändert ja auch den Blick auf den anderen. Menschen, die nicht mit sich selber klarkommen, können nicht auf andere zugehen.

Ein zentraler Begriff dafür ist bei Ihnen die Selbstkenntnis, statt der klassischen Selbsterkenntnis.

Schmid: Selbsterkenntnis ist wie alle Erkenntnis ein zu hoher Anspruch. Wir erkennen im Grunde niemals etwas wirklich. Das, was wir erwerben, sind Kenntnisse. Und aufgrund dieser Kenntnisse orientieren wir uns – in der Welt wie in Bezug auf uns selbst. Selbsterkenntnis: Da schwingt immer mit, sich irgendwann einmal durchschauen zu lernen – aber das werden wir niemals erreichen. So wie wir auch die Welt niemals vollkommen durchschauen werden. Der bescheidenere Anspruch der Selbstkenntnis bedeutet: Ich kenne mich so weit, dass ich mit mir gut umgehen kann. Und dieser Prozess ist immer offen.

Ein Plädoyer für mehr Realismus im Umgang mit sich selbst?

Schmid: Mehr Realismus, mehr Pragmatismus, mehr Nachsichtigkeit mit sich selber. Ich muss kein perfekter Mensch sein. Mehr Nachsicht mit dem eigenen Körper, der hat nicht nur positive Seiten. Mehr Nachsicht mit den eigenen Gefühlen: Das sind nicht immer nur gute, wie die Glückshysterie uns glauben macht. Und mehr Nachsicht mit unserem Denken: Wir können nicht immer nur positiv denken, es ist sinnvoll, auch mal negativ zu denken.

Welche Rolle spielt dabei die Selbstoptimierung?

Schmid: Dieser Begriff nimmt heute den Platz ein, den zuvor „Neoliberalismus“ eingenommen hat, der jetzt 20, 30 Jahre lang als Grundübel der ganzen Welt gegolten hat. Aber Selbstoptimierung hat etwas mit dem Optimum zu tun. Optimum hat etwas mit dem Besten zu tun. Und das Beste wollen wir doch wohl aus uns machen. Oder wollen wir einfach so dahinplätschern in diesem Leben? Und wofür leben wir dann, wenn wir nicht das Beste aus uns machen? Das war immer auch Anspruch des Humanismus. Und daran möchte ich gerne festhalten – gegen den Anspruch des Transhumanismus, der uns heute aus dem Silicon Valley entgegenkommt und der darin besteht, den schadhaften Menschen überwinden zu wollen zugunsten eines künftigen, technisch gestützten, perfekten Menschen. Den brauchen wir nicht. Das aber wäre nicht Selbstoptimierung, sondern Selbstperfektionierung.

Den "schadhaften Menschen" wollen manche loswerden

Ähnlich mit der Selbstverwirklichung?

Schmid: Genau. Der Begriff bedeutet: Dem Selbst eine Wirklichkeit zu geben und nicht in der Möglichkeit zu bleiben. Viele Menschen träumen von besseren Verhältnissen, auch für sich selber. Träume sind gut, um uns eine Richtung zu geben, in die wir uns entwickeln wollen. Aber Träume sind nicht gut, wenn sie nur Träume bleiben, wenn sie nur im Möglichkeitsfeld bleiben. Dem Selbst eine Wirklichkeit zu geben, Sinn und Fülle, heißt allerdings auch: etwas mit sich zu machen, ganz konkret. Und das artet manchmal in Arbeit aus. Wer das scheut, kein Problem, das muss nicht sein, man kann auch einfach vor sich hinleben, es ist ja das Leben jedes Einzelnen, eine freie Entscheidung.

Und die Selfie-Gesellschaft?

Schmid: Ich bin völlig einverstanden mit der Selfie-Gesellschaft – ich schlage nur vor, die Selfie-Techniken etwas zu erweitern. Nicht immer nur mit dem Handy ein Selfie zu machen, sondern auch Selbstreflexion zu betreiben, sich auf sich selbst zu besinnen: Wo stehe ich, wo will ich eigentlich hin, wie komme ich da hin? Und wie kann ich den Weg gemeinsam mit anderen gehen? Denn ich kann keinen einzigen Weg ganz allein gehen. Da überfordert sich der Mensch. Dieses Ich-Modell hat ausgedient.

Durch die Vernetzung?

Schmid: Ja. Sie mag uns zwar mitunter überfordern, aber sie ist aus der Welt nicht mehr wegzudenken. Und sie ist neu. Weil sie keine Zwangsvernetzung mehr ist. Das, was es mal gab, große Familienstrukturen zum Beispiel, das waren Zwänge und zu denen wollen wir nicht zurück.

Ist Ihr Modell der Selbstfreundschaft und der Vernetzung auch auf Staaten und Nationen und deren problematische Ichismen übertragbar?

Schmid: Ja, die einzelnen Staaten sollen für sich selber eine Stärke entwickeln. Aber aus dieser Stärke heraus dann unbedingt die Vernetzung suchen – sonst können sie die anstehenden Herausforderung ohnehin nicht meistern. Im Grunde der Weg, der in der Europäischen Union auch gegangen wird. Ich komme gerade aus Indien zurück, dort lernt man, dass wir uns nichts vorzumachen brauchen: Global können wir als Europa auftreten, aber nicht als einzelne Nation.

Die vernetzte Welt prallt auf den "Ichismus"

Wer das nicht so sehen muss, sind aber die Supermächte, in denen man ja auch Tendenzen zum Ichismus ausmachen kann, nach dem Motto: Vernetzung nur da, wo sie uns nützt.

Schmid: Das ist tatsächlich Ichismus als Staat. Sie werden im Prozess der Selbstkenntnis erfahren, dass sie damit nicht weit kommen in einer vernetzten Welt. Denn sie müssen ja auch mit anderen Geschäfte machen – und das heißt automatisch, auf sie eingehen zu müssen. Wir Europäer haben das gelernt, insofern sind wir sicherlich der Kontinent der Selbstfreundschaft. Wir haben uns befreunden gelernt, mit all den Widrigkeiten, die das nach wie vor bedeutet. Und andere, größere Nationen werden das noch lernen müssen.

Aber es gibt ja auch in Deutschland Bewegungen, die Identität vor allem an eine Abgrenzung knüpfen – und das Programm scheint anzukommen.

Schmid: Das ist so. Aber das Gute daran ist: Das zeigt dann auch die Grenzen des Programms auf. Identität heißt immer „gleichbleibend“, von lateinisch „idem“, gleich – und sobald man versucht, gleich zu bleiben, lernt man, dass das gar nicht geht. Dem stehen die Veränderungen entgegen, die sich automatisch ergeben durch den Lebensprozess, durch die Begegnung mit anderen … – durch die Herausforderungen werden wir nun mal zu anderen. Daher mein Vorschlag: Ersetzen wir den Begriff der Identität doch durch den Begriff der Integrität. Beim Einzelnen heißt das: Jeder muss sich selber integrieren, mit seinen Unterschieden, seinen Widersprüchen, seinen verschiedenen Erfahrungen – aber sich nicht abverlangen, identisch zu sein. Und das können wir auch übertragen auf die Nation. Ja, es soll Nationen geben, aber als Integrität, die integrieren kann, das Andere, das Fremde, immer in dem Maß, wie wir es gut verkraften können. Wir müssen uns nicht überfordern mit diesem Prozess. Aber es geht um Integrieren und nicht um Identität.

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