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Sommermärchen
18.08.2018

Sommermärchen in Martinszell: Ein Bahnhof, der Halt gibt

Engagiert für ihre Heimat: Rosa Felkner, Richy Richter, Claudia Lau, Elke Hermann, Wolfgang Lau, Desiree Frey (v. l.).
5 Bilder
Engagiert für ihre Heimat: Rosa Felkner, Richy Richter, Claudia Lau, Elke Hermann, Wolfgang Lau, Desiree Frey (v. l.).
Foto: Michael Schreiner

Wie engagierte Bürger im Allgäu in Eigenregie einen Fahrplan entwickelt haben, mit dem ihr Dorf nicht den Anschluss verpasst.

Wenn ich wie im Märchen auf die gute Fee warte, dann passiert nichts“, sagt Claudia Lau und blinzelt gegen die tief stehende Sonne über den Bahngleisen. „Märchen muss man machen.“ Wir sitzen mittendrin in diesem Märchen, auf selbst gezimmerten Hockern. Eben donnerte der Eurocity nach Zürich vorbei, jetzt ist wieder Allgäugrünstille. Man könnte jetzt ein paar Schritte zum gut bestückten Bücherschrank gehen, der da vorne unterm Bahnhofsvordach an der lindgrün gestrichenen Fassade steht, sich einen Roman herausnehmen und in Ruhe lesen, bis mal wieder ein Zug kommt und die Seiten flattern lässt.

Vom Bahnhof Martinszell, den die Bahn nur noch als Haltepunkt mit Wartehäuschen und Fahrkartenautomat betreibt, sind es mit dem Zug in die eine Richtung nur ein paar Minuten bis Kempten und in die andere bloß ein paar Minuten bis Immenstadt. Größere Orte eben, in denen es alles gibt, was es in den nebeneinanderliegenden Allgäuer Dörfern Oberdorf und Martinszell für die knapp 2000 Einwohner nicht mehr gibt: Wirtshäuser, Geschäfte, Nahversorgung, Kulturangebote.

Ein Bahnhof setzt eine ganze Gemeinde in Bewegung

Nicht mehr gegeben hat, müsste es korrekterweise heißen. Denn das ist ja das Märchen, das Claudia Lau und viele andere angepackt haben. Das Bahnhofsprojekt, das so viel in Bewegung gesetzt hat. Es hat das Gemeindeleben verändert – und mindestens so sehr auch die Menschen, die Märchenmacher von der IG OMa, der Interessengemeinschaft der dörflichen Entwicklung in Oberdorf und Martinszell. Leute wie Richy Richter, Wolfgang Lau, Rosa Felkner, Elke Hermann und Claudia Lau, die an diesem Augustabend erzählen, was man gemeinsam schaffen kann. Und dass manche Märchen immer fortgeschrieben werden. Zum Beispiel mit dem Naturgarten und dem Amphitheater vorm Bahnhof, fertig geworden in diesem Sommer.

Aber jetzt ein bisschen Ortskunde und Vorgeschichte. Martinszell ist das alte Dorf, mit Kirche, Friedhof, Pfarrsaal. Es liegt nahe am Niedersonthofener Weiher. Martinszell ist von Oberdorf, der nach dem Krieg gewachsenen neueren „Siedlung“, getrennt durch die Autobahn Kempten–Oberstdorf. Der Bahnhof liegt in Oberdorf, heißt aber Martinszell. Beide gehören zur Gemeinde Waltenhofen. Vor Jahrzehnten gab es einmal fünf Wirtschaften, eine Reihe von Tante-Emma-Läden und sogar einen Drogeriemarkt in Martinszell/Oberdorf. Als der letzte Gasthof, der Adler, dichtmachte und klar war, dass auch der letzte noch verbliebene kleine Edeka-Markt bald schließen würde, beschlossen ein paar Leute: Wir wollen nicht zusehen, wie das Dorf langsam stirbt. In Niedersonthofen, das auch zu Waltenhofen gehört, kannten sie einen vitalen Dorfladen – das war ein bisschen das leuchtende Vorbild. So ein Wir-Gefühl wollten sie auch erzeugen.

Aber was wollen die Leute eigentlich? Um das herauszufinden, starteten die Freunde eine Fragebogenaktion und bestückten jeden Briefkasten in Oberdorf und Martinszell. 400 kamen zurück. Ergebnis: die Leute wollen gesicherte Nahversorgung, einen Treffpunkt, ein Café oder einen Ort, wo man abends mal zusammen ein Bier trinken kann. Die Fragebogenaktion, so sagt es Claudia Lau, habe „einen Denkprozess ausgelöst“. Es meldeten und trafen sich nun Leute, die man vorher gar nicht kannte.

Jeder aus dem Dorf brachte sein Talent ein

Und dann stießen die Aktivisten von der im Februar 2014 als Verein gegründeten IG OMa irgendwann auf das Bahnhofsgebäude, das seit 15 Jahren stillgelegt war, mit Brettern vernagelt, von Vandalismus gezeichnet. Kaufen? Womit? Ein Mitglied des Vereins erwarb das Gebäude schließlich von der Bahn, richtete sich oben eine Wohnung ein – und überließ das Erdgeschoss der IG OMa zur Miete. 100 Quadratmeter. Das war im Mai 2014. Märchenzeit. „Wir fingen einfach an zu renovieren“, meint Richy Richter. Aus ihren Kellern brachten die Leute, was noch an Farbeimern herumstand, und dann strichen sie die Fensterrahmen. Kein Masterplan, sie machten einfach. Die Idee mit dem Dorfladen ließ sich nicht realisieren. „Wir hatten keine Ahnung, was es werden sollte“, sagt Elke Hermann, die Vorsitzende der IG OMa. Es ging einfach weiter: Als ein Bauernhof in der Nachbarschaft abgerissen wurde, sicherten sie sich die Holzbretter für den Bahnhofshallenboden.

 Ein 80-Jähriger aus dem Dorf schlug mit dem Vorschlaghammer Wände ein, „plötzlich gab es für jedes Gewerk einen Fachmann“. So ein Dorf hat kluge Leute, sagen sie, „ein Pool von Wissen und Kompetenz“. Es fand sich ein Grafiker fürs Logo, einer, der die Website gestaltete, Experten für die Küche … Man kann das abrufen, wenn das Märchen gut erzählt wird. Im Sommer 2014 machten sie ein Fest im Bahnhof – außer dem Klo war noch nichts fertig. Motto der Party: So schön wie das Klo wird alles einmal! Im Bahnhof ist jedes Stück selbst gemacht, selbst zusammengetragen. 36 Stühle beispielsweise stammen aus dem Nachlass einer ehemaligen Kammersängerin, die Hauskonzerte veranstaltete.

Aus dem Bahnhof wird ein kultureller Brennpunkt

„Dass dieser Bahnhof einmal ein kultureller Brennpunkt wird, hätte nie einer gedacht“, sagt Eva Hermann heute. Inzwischen haben sie Preise bekommen für ihren Bahnhof, der ein wunderbar gemütliches Wirtshaus, ein Treffpunkt, ein Aktionsraum und mehr ist. Sie veranstalten Vorträge hier, Ausstellungen, internationale Kochabende mit jungen Asylbewerbern, die drüben im alten Gasthof Adler in Martinszell untergebracht sind. Bei Konzerten wird es eng, 80 Leute, manchmal auch etwas mehr, drängen sich dann vor der winzigen Bühne, die aus Europaletten zusammengenagelt ist.

Es gibt jeden Donnerstag einen inzwischen längst etablierten Wochenmarkt draußen vor der Türe, eine Fahrradwerkstatt und ein Backhaus haben sie eingerichtet auf dem Grundstück, das sie der Bahn samt Nebengebäuden zwischenzeitlich abgekauft haben. Sonntags gibt’s im Bahnhof Kaffee und Kuchen, mittwochs treffen sich die Kunsthandwerker, Donnerstag ist Kneipenbetrieb – und inzwischen haben sie drei angestellte Hilfskräfte auf 450-Euro-Basis und 200 Vereinsmitglieder. Eine davon ist Desiree Frey, die vorm Bahnhof sitzt und lange nur zuhört an diesem Abend. Ein Zug rauscht vorbei, dann spricht sie: „Am wichtigsten ist der Zusammenhalt. Ich bin eine alleinerziehende Mutter, und ich bin vor drei Jahren hierhergezogen. Dieser Bahnhof, der gibt mir ganz viel …“ Und dann sagt sie etwas, was nicht in den IG-OMa-Broschüren steht: „Man erfährt ganz viel Liebe und Freundschaft hier.“

Nur gemeinsam kann das Projekt funktionieren

Das Projekt ist organisch gewachsen. „Der Erfolg kam, als wir aufhörten, alles penibel bis zum Ende zu denken. Einfach machen, anfangen und vertrauen“, meint Claudia Lau. Gruppendynamisch nicht immer harmonische Sitzungen, Zweifel, neuer Mut: Alles das haben sie erlebt und überstanden. „Zum Glück haben nie alle gleichzeitig den Blues“, sagen sie. Was ist denn nun das Märchenhafte aus Sicht der IG OMa? Claudia Lau blickt ein paar Sekunden in den Himmel über den Gleisen, bevor sie antwortet. „Dass da vier bis fünf Leute sind, die sich nie abbringen lassen. Und dass das in einem Dorf funktioniert, dem jeder jeden Dorfgemeinschaftsgeist und Zusammenhalt abgesprochen hat.“

Es ist ja so: Es gab zwar 34 Vereine in Oberdorf und Martinszell und eine Mehrzweckhalle. Doch es fehlte der übergreifende Ort, der Platz für alle, der Platz, der offen ist für alle. „Wir“ ist das Wort, das am häufigsten fällt. Der Bahnhof ist die Energiezelle, der Motor der etwas anderen Entwicklung, die eine urbane Note ins Dorf gebracht hat. Hier im Bahnhof entsteht der „Fahrplan fürs Dorf“. Der aber wird immer improvisiert: „Eingefahrene Gleise sind ausgefahrene Gleise“, steht auf einem Flyer der Allgäuer Initiative. Stillstand kann die IG OMa nicht. „Dinge zu erhalten ist deutlich anstrengender, als Neues zu machen“, finden die Freunde – weshalb sie sich über ihr Sommermärchen 2018 so freuen: den naturnahen, barrierefreien Bahnhofsgarten, den eine geschwungene Reihe großer Felsblöcke zum Amphietheater macht.

An Bahnhof kommt der gesamte Ort zusammen

Rosa Felkner hat die Anlage entworfen. 200 Leute waren zur Einweihung da. „Ein Energieschub.“ Sie haben einzelne Sitz-Steine symbolisch für 99 Euro verkauft – und 6000 Euro eingenommen. Jetzt blinken an vielen Blöcken aufgeschraubte Namensschildchen. Am 1. September findet hier ein Nachtflohmarkt statt. Im Backhaus im alten Stellwerk, wo alle zwei Wochen Brot gebacken wird, werden sie wieder Pizza backen und verkaufen. Ein neues Thema ist jüngst aufgetaucht in den letzten Gesprächsrunden: altersgerechtes Wohnen auf dem Dorf. Davon wird man irgendwann mehr hören aus Oberdorf … So wie der Bahnhof übrigens auch „die Kommandozentrale“ des Widerstands gegen eine Skischaukel am Riedberger Horn war, wie Richy Richter irgendwann einstreut.

Das Bahnhofsprojekt zieht längst auch Interessenten von außenhalb an. Aus Pfronten war eine Delegation da. Dort überlegt die Gemeinde, den Bahnhof zu kaufen und zum Dorfzentrum zu machen. In Oberdorf am Gleis 1 sehen sie das skeptisch. „Wenn die Gemeinde alles bezahlt, kann das Bürgerengagement eher erstickt als angestachelt werden.“ Dann kommt der Regionalexpress aus Lindau. „Schnell. Der Zug wartet nicht, Sie müssen einsteigen!“ Aus dem Zugfenster ein letzter Blick zurück auf den Bahnhof. Da stehen sie – und wenn nicht alles täuscht, sind es gute Feen, die dem Zug nachwinken.

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