Klavierfestival Ruhr muss abspecken
Essen (dpa) - Wer die wirklich Großen am Klavier von Daniel Barenboim, Alfred Brendel und Martha Argerich bis Chick Corea live erleben will, kommt seit Jahren am Ruhrgebiet nicht vorbei.
In den Konzertsälen und ehemaligen Industriebauten zwischen Dortmund und Duisburg treten die Stars der Szene im Sommer fast vollzählig an, das Festival mit seinen rund 80 Konzerten gilt in der Fachwelt als weltweit führend. Dennoch will der "Initiativkreis Ruhr" mit den großen Industriekonzernen der Region als Sponsoren die Förderung drastisch zusammenstreichen. In der Krise müsse mehr Geld für Bildung des Nachwuchses und Forschungsförderung angelegt werden, meinen viele Bosse. Festival-Intendant Franz Xaver Ohnesorg muss sich künftig externe Förderer suchen, wenn er das Festival im bisherigen Umfang erhalten will.
Die überraschende Absage an das renommierte Festival mitten im Kulturhauptstadtjahr hat auch persönliche Gründe. "Ohnesorg hat es einfach überrissen", sagt ein Mitarbeiter aus dem "Initiativkreis Ruhr". Während Mitgliedsfirmen wie RWE, ThyssenKrupp und Evonik teils Milliardenverluste und schmerzliche Sparprogramme vertreten mussten, habe Ohnesorg in den Diskussionen jede Kürzung für sein Festival abgelehnt. Der Initiativkreis fördert aber nicht nur die Musik, sondern ist unter anderem dabei, eine Internationale Schule im Ruhrgebiet zu gründen, engagiert sich für Lehrstellen für Hauptschüler und stiftet einen 50 000-Euro-Forschungspreis. Für all das schrumpfte der Gesamtetat 2010 spürbar von insgesamt 3,1 im Vorjahr auf 2,6 Millionen Euro - nur das Klavierfestival erhält mit insgesamt rund 1,3 Millionen Euro auch 2010 praktisch den gleichen Betrag.
Mitte Dezember vergangenen Jahres platzte dem Evonik-Chef Klaus Engel der Kragen. Der Initiativkreis bewege sich von seiner eigentlichen Kernaufgabe weg, das Ruhrgebiet für Investitionen attraktiv zu machen, schrieb er an den Moderator des Kreises, E.ON- Chef Wulf Bernotat. Die "lokal mittlerweile durchaus anerkannten Musikveranstaltungen", schrieb Engel, seien das "falsche Zeichen der Ruhrwirtschaft an die Menschen in der Region".
Heftige interne Diskussionen und eine Sitzung des Führungsgremiums der Sponsoren folgten auf den Brief. Kritiker des Festivals im Sponsorenkreis verwiesen auf das kulturelle Großangebot in der Region mit allein sechs großen Theatern, zahlreiche Opern- und Musikhäusern, Ruhrfestspielen und Ruhrtriennale. "Noch mehr Kultur bringt uns nicht weiter, wir müssen die Jugendlichen ausbildungsfähig machen und brauchen mehr Patente", fasst ein Initiativkreis-Mitarbeiter die Stimmung zusammen. Andererseits wollte niemand das Festival insgesamt infrage stellen.
Schließlich wurde eine gesichtswahrende Formel gefunden: Der Initiativkreis entwickele ein "neues Strukturmodell für das langjährig und international angesehene Erfolgsprojekt Klavierfestival Ruhr", teilten die Sponsoren vergangene Woche offiziell mit. Ziel sei es, externe Sponsoren und weitere Förderer stärker einzubinden. Im Klartext: Das Festival, das bisher Teil und größter Einzelfinanzposten des Initiativkreises ist, wird ausgegründet - möglicherweise in Form einer Stiftung. Die Ruhr- Sponsoren zahlen weiter ein - vom Jahr 2011 an aber deutlich weniger als bisher und in den Folgejahren abnehmend. "Von uns aus tut es auch eine Martha Argerich weniger", sagt ein Förderkreis-Mitglied. "Und wenn Ohnesorg mehr will, muss er das Geld halt selbst besorgen."
Seinen bisherigen Posten als Initiativkreis-Geschäftsführer wird der 61-jährige Ohnesorg voraussichtlich verlieren und stattdessen Intendant des neu organisierten Festivals werden. Am 6. März sollen bei einer Sitzung des Initiativkreises erste Entscheidungen fallen. Ohnesorg sucht die guten Seiten an der Entwicklung. Eine Stiftung würde endlich langfristige Planungssicherheit bringen, sagt er. Da Spitzenmusiker zwei bis drei Jahre im Voraus engagiert werden, habe ihn die GmbH-Konstruktion mit jährlich neu geplanten Haushalten ohnehin eingeengt. Weitermachen will er auf jeden Fall, auch mit weniger Geld: "Erfolg hängt doch nicht an der Zahl der Konzerte."
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