Merci, Udo Jürgens
Zum Tod von Udo Jürgens, der über Jahrzehnte das Lebensgefühl vieler Deutscher in Lieder übersetzt hat, trauern viele Fans. Seine Musik jedoch, bleibt.
Er hat Klatschtanten humorvoll in den Sahnetod geschickt und griechischen Wein zum Ohrwurm gemacht. Er hat Spießigkeit und Heuchelei in ehrenwerten Häusern entlarvt. Immer, immer wieder hat Udo Jürgens die Hoffnung und die Liebe hochleben lassen. Jetzt ist der große Entertainer im Alter von 80 Jahren gestorben. Hits mit klugen Texten zu wunderbaren Melodien waren sein Markenzeichen – und sind nun als Evergreens sein Vermächtnis.
So schrieb unser Musik-Experte Rupert Huber aus Anlass seines 80. Geburtstags in diesem Jahr: „Man konnte dem Mann nicht auskommen, über 50 Jahre war ein Leben ohne Udo Jürgens nicht vorstellbar. Wer in die Wirtschaftswunderjahre hineingeboren wurde, für den gehört der Sänger und Entertainer zum Soundtrack seines Lebens – auch seiner sinnlich-frohen Seiten.“
Udo Jürgens hat sich nicht vor dem Tod gefürchtet
Und manchmal, so hielt unser Experte in seinem Geburtstagsartikel fest, halte Jürgens Zwiesprache mit sich. So philosophierte der Sänger darüber, nachdem er auf einer Tournee wieder im weißen Bademantel seinen Auftritt beendet hatte („meine Marotte“), dass sein Freundeskreis aus biologischen Gründen immer kleiner werde. Das stimmte ihn nachdenklich, auch wenn er, wie der Sänger einräumte, den Tod nicht als schreckliches Ereignis gefürchtet hat. In einem Interview mit dem ZDF sprach der bekennende Atheist noch in diesem Jahr bei Sonnenschein hoch über dem Zürichsee von dem, was ihn nach seinem Tod erwarte: „Stille, unendliche Ruhe und Dunkelheit“ – und ein „Bewusstsein, das in allem, in jedem Gegenstand, in jedem Menschen aufgeht.“ Damals schrieb er unter eine schnell angefertigte Zeichnung: „Merci und basta!“
Doch was für ein an Erfolgen pralles Leben: Jürgens komponierte in einer mehr als ein halbes Jahrhundert umspannenden Erfolgskarriere über 1000 Songs, von denen etliche Superhits wurden. Er spielte mehr als 50 Alben ein und verkaufte mehr als 100 Millionen Tonträger. Seine Live-Auftritte mit Hits wie „Es wird Nacht, Señorita“, „Aber bitte mit Sahne“, „Griechischer Wein“ oder „Immer wieder geht die Sonne auf“ waren einfach Kult. Bei Tourneen durch fast ganz Europa erlebten Millionen Udo Jürgens auf der Bühne – samt seiner legendären Zugaben – natürlich im Bademantel.
Udo Jürgens verfügte über ein "unstillbares Harmoniebedürfnis"
Schon als Junge spielte der 1934 in Klagenfurt geborene Sohn der großbürgerlichen deutsch-österreichischen Familie Bockelmann Mundharmonika und Akkordeon, bald auch Klavier. Doch beinahe wäre in der ungeliebten Hitlerjugend die Musikerkarriere des Udo Jürgen Bockelmann verhindert worden: Damals bekam das junge Talent eine so brutale Ohrfeige, dass dadurch seine Hörfähigkeit auf einer Seite vermindert wurde.
Krieg und Nachkriegszeit seien auch für ihn bedrückende Jahre gewesen, berichtete Jürgens 2004 in seinem Bestseller „Der Mann mit dem Fagott“. Damals entstand wohl schon jenes „unstillbare Harmoniebedürfnis“, zu dem Jürgens sich stets bekannte.
Manch anderen in der Unterhaltungsbranche hätte so ein Grundgefühl zu watteweichem Schmusekitsch verleiten können. Jürgens hingegen bewies als „Chansonnier deutscher Sprache“, dass Popmusik und geistiger Anspruch keineswegs Gegensätze sein müssen. Dafür verlieh ihm die Republik Österreich 1985 den Berufstitel „Professor“ – und das, obwohl Jürgens längst in die steuerfreundliche Schweiz umgezogen war, wo der Millionär zuletzt in einer Villa am Zürichsee wohnte.
„Als Komponist und Textdichter ist es Udo Jürgens gelungen, unvergessliche Melodien mit mal heiteren, mal nachdenklichen und philosophischen Texten zu vereinen“, hieß es in der Laudatio, als er 2014 in Berlin für sein Lebenswerk vom Musikrechteverwerter Gema geehrt wurde. Den internationalen Durchbruch hatte sich Jürgens 1966 bei seiner dritten Teilnahme am Eurovision Song Contest (damals noch: Grand Prix Eurovision) mit einem Lied ersungen, das auf der langen Liste seiner Evergreens weit oben steht: „Merci, Chérie“. Diese wunderbaren Lieder des großen Sängers werden bleiben. (AZ, dpa)
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