"Momo" auf der Opernbühne: Wo bleibt die Magie?
Am Münchner Gärtnerplatz wird Michael Endes Kinderklassiker als Oper uraufgeführt. Erwachsene wie Kinder werden hier durchaus unterhalten.
„Momo“ als Oper: Natürlich wollten Komponist Wilfried Hiller und Librettist Wolfgang Adenberg damit vor dem fabelhaften Michael Ende den Hut ziehen. Ob sich der empfindsame Autor von „Jim Knopf“ und „Unendliche Geschichte“ daran erfreut hätte? Man darf es bezweifeln. Mit den diversen Bühnen- und Filmadaptionen seines Erfolgsromans war er nie glücklich.
Doch der Schwabe Hiller, der sich mit Ende schon manches Musiktheater ausgedacht hat, wollte es noch mal wissen. Ebenso Intendant Josef Köpplinger, an dessen Münchner Gärtnerplatztheater Endes und Hillers Mär vom Waldschrat „Goggolori“ Jahrzehnte der Zuschauerhit war. An diesen Coup kann „Momo“ nicht anknüpfen. Und das hat weniger mit Adenbergs eher fadem Libretto zu tun und schon gar nicht mit Hillers versierter Musik.
Die Geschichte um ein Mädchen, das den Menschen bedingungslos und mit unendlich viel Zeit zuhört, lässt sich im auf Kurzweil konditionierten Theater letztlich nicht adäquat umsetzen. Konsequenterweise ist Hillers Momo eine Sprechrolle (Anna Woll). Dass der „Kleine Hexe“-Verschnitt Kinder wie Erwachsene anzieht, will sich allerdings nicht erschließen. Um ihre Gabe zu unterstreichen, fällt dem 77-jährigen Hiller nichts Bezwingendes ein, wenngleich die für ihn typische Dominanz des Rhythmus’ ja zum Stück passt: Das Ticken der Uhr, der Pulsschlag ist allgegenwärtig.
Das Grundthema von Momo ist topaktuell
Diesen Takt heizen die grauen Herren an, um ihre „Zeitsparkasse“ zu füllen. Und wenn ihr androgyner Anführer Ilia Staple auf der Kolloratur-Achterbahn in aberwitzige Höhen steigt, mag sowieso keiner mehr widersprechen. Schließlich muss der Tagesplan der einst so gemütlichen Kleinstadtbewohner durchorganisiert werden. Bloß keine Zeit verlieren: Das Grundthema der „Momo“ von 1973 ist ja topaktuell, vom Fastfoodgebrösel bis zum Coffee-to-go.
Dennoch hält sich Regisseurin Nicole Claudia Weber von den Unbilden des digitalen Zeitalters fern. Das hebt die Inszenierung ins Allgemeine, auf der anderen Seite wirkt manches doch betulich. Die Zeitspekulanten mit ihren neongrell blinkenden Halskrausen (Kostüme: Tanja Hofmann) bringen horrorgestählte Kinder heute kaum mehr zum Gruseln. Dafür ist mit dem Zahnrad-verbrämten Reich des allzu exaltiert tanzenden Meisters Hora (Matteo Carvone, Choreografie Roberta Pisu) eine eindrucksvolle Schaltzentrale der Zeit entstanden (Bühne: Karl Fehringer, Judith Leikauf). Übrigens mit auffallend asiatischem Touch, das hätte dem 1995 gestorbenen Ende sicher behagt.
Erwachsene wie Kinder werden hier durchaus unterhalten. Wenn etwa der anfangs noch wie ein Gondoliere schmetternde Fremdenführer Gigi (Maximilian Mayer) zum blondierten Schlagerfuzzi im Glitzeranzug mutiert, hat das Witz. Und Hiller kramt tief in seiner Klangkiste aus Klassik, Weltmusik und Orff, gönnt den Sängern schöne Arien, Streichern und Holz sogar ein bisschen Sehnsucht. Das bringen die Solisten und das Gärtnerplatzorchester (Leitung: Michael Brandstätter) famos auf dem Punkt. Selbst die mausgrauen Taktzähler hätten daran ihre Freude. Aber Magie will bei alledem diese geraffte Geschichte um die Zeit eben doch nicht entfalten. Da bleibt am Ende wieder nur: das Buch, das von seinem Reiz tatsächlich nichts verloren hat.
Weitere Aufführungen am 20., 21. und 28.12., 3., 4., 9., 10. und 18.1.; Karten unter Tel. 089/2185 1960
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