Philippe Jaroussky brilliert mit Kastraten-Arien
Hamburg (dpa) - Wem es bisher nicht vergönnt gewesen ist, den himmlischen Gesang von Philippe Jaroussky live zu hören, dem sei als angemessener Ersatz sein aktuelles Album "La dolce fiamma" empfohlen - mit Kastraten-Arien von Johann Christian Bach, mit denen der französische Countertenor besonders brilliert.
In der Laeiszhalle in Hamburg gab der Franzose am Sonntag (22. November) bei einem Konzert mit dem Concerto Köln eine umjubelte Kostprobe seiner Kunst, auch wenn Sänger und Orchester nicht gleich überzeugten. Das hoch gelobte Concerto Köln, das einen festen Platz in der ersten Reihe der Orchester für historische Aufführungspraxis inne hat, hatte nicht seinen besten Tag erwischt, was nicht allein den Hornisten anzulasten war. Der späte Nachmittag mit Händel und Bach-Sohn gestaltete sich dann aber doch zu einem umjubelten Erfolg. Counter sind Pop, und so wird der Sänger auch gefeiert: Mit Getrampel, vielen Bravos und nicht enden wollenden Beifall.
Die Sympathie ist dabei gegenseitig, denn der 1978 geborene Star-Counter tritt gern in Deutschland auf: "Das deutsche Publikum ist musikbewandert. Ich habe den Eindruck, dass klassische Musik viel akzeptierter ist. Man geht in ein Klassikkonzert, so wie man in ein Rock- oder Jazzkonzert geht", sagte er in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. In Frankreich habe das Klassikkonzert dagegen immer einen elitären Geschmack.
Und das Publikum in Hamburg zeigte sich von dem herausragenden Gesang Jarousskys hingerissen, der fast vergessenen Arien wieder Leben einhaucht. Mit strahlenden Tönen füllt er die Verzierungen aus. Seine Stimme ist samtig rund und metallisch klar, nie scharf oder schrill, wie sonst so oft beim Falsett. Die Worte gestaltet er vernehmbar deutlich, wird in tiefen Lagen aber sichtlich leiser, manchmal verhangen und gepresst.
Ein gesanglicher Höhepunkt des Konzerts war die Arie "Cara la dolce fiamma", die sich neben drei weiteren Bach-Kompositionen des Konzerts auf dem aktuellen Album findet, und auch den Titel der CD vorgab. "Die süße Flamme" ist eine Sammlung mit Arien für Kastraten, allesamt Werke des von den Bach-Biografen so lange geschmähten Johann Christian (1735-1782). Zu Lebzeiten war der "Londoner Bach" als Nachfolger Händels in London allerdings ein Starkomponist, dem auch der junge Mozart seine Referenz erwiesen hat.
Jaroussky hat bereits mehrfach sein Faible für fast vergessenes Repertoire bewiesen und sich damit eine große Gruppe von Bewunderern geschaffen, die nicht nur aus den Reihen der Fans der angesagten Barockoper kommen. Männliche Soprane wirken inzwischen nicht mehr so befremdlich wie noch vor einigen Jahren.
Mit dem Ensemble Le Cercle de l'Harmonie lässt der Echo-Preisträger von 2008 nun auch das vernachlässigte Opernschaffen von Johann Christian Bach in neuem Glanz erstrahlen und gibt eine Ahnung von der geheimnisumwitterten Kunst der Kastraten. Nur wenige Stimmen schaffen es, die für diese Legenden geschaffenen hochvirtuosen Opernpartien wiederzubeleben, und von denen ist Jaroussky der derzeit angesagteste, auch wenn er bekennen musste: "La dolce fiamma war schwieriger als ich dachte."
Einem echten Kastraten kann aber keiner das Wasser reichen, gestand der gefeierte Star aus Frankreich bereits im März in der "Zeit": "Es gibt viele Arien für sie, die wir (Countertenöre) nicht singen können, sie sind zu hoch." Philippe Jaroussky ist 2009 noch in der Philharmonie Köln (26.11.), in München im Herkulessaal (28.11.), in Remagen (16.12.) und Bad Kissingen (29.12.) zu bewundern.
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