Reinhold Beckmann und der Schinken
Der bekannte Moderator tritt mit seiner Band im Spectrum in Augsburg auf. Er hat starke Lieder im Gepäck, aber auch einige platte Witzchen.
So was kann natürlich schief gehen und peinlich werden, von Anfang an: Ein Endfünfziger, der noch einmal die Lederjacke auspackt und den unangepassten Rebellen gibt. Aber dann hat Reinhold Beckmann gar keine Lederjacke an, sondern ein schwarzes Sakko, und es dauert bis zum dritten Lied, ehe es zum ersten Mal wirklich peinlich wird. Beckmann kündigt den Song an, es geht um eine gewisse Charlotte, seine erste Liebe, eine Metzgerstochter. Die sei „im Schatten des Hackebeils aufgewachsen“ und habe „immer eine tolle Auslage“ gehabt. Hohoho.
Der ganze Song ist dann ein einziges müdes Altherrenwitzchen, „Charlotte, du mein Schnitzel“, singt Beckmann, „was ist ein Schinken neben deinem Dekolleté?“ Kein guter Start für ein Konzert, kein guter Start für Beckmann & Band im Augsburger Musikklub Spectrum. Der Fernsehmoderator macht jetzt Musik und ist auf Tournee. Genau genommen macht er schon sehr viel länger Musik, aber das mit der Band ist noch recht frisch: Vor fünf Jahren war Beckmann bei Inas Nacht zu Gast und gab eine Gesangseinlage, danach fragte ihn Helge Zumdieck, der Schlagzeuger von Ina Müller, ob er sich nicht vorstellen könne, mit anderen Musikern eine Band zu gründen. Und so lief es dann auch. Seit drei Jahren tritt die Gruppe in kleineren Kulturhäusern und Theatern auf. Im März diesen Jahres erschien das erste Album mit dem Titel „bei allem sowieso vielleicht“, seitdem konzentriert sich der Moderator auf die Musik, ehe er im Frühjahr zurück ins Fernsehen kommt.
Beckmann ist als singender Moderator kein Einzelfall. Klaas Heufer-Umlauf hat vor einem Jahr ein Album herausgebracht, seine Indie-Rock-Formation nennt sich „Gloria“. Barbara Schöneberger hat schon seit 2007 ein Album namens „Jetzt singt sie auch noch“ auf dem Markt. Und nun eben Beckmann, der sich als Liedermacher einsortieren lässt und auch Reinhard Mey als musikalisches Vorbild nennt. Einige Songs haben aber auch Blues-Anleihen, andere sind leicht jazzig, wiederum andere drehen sich um Schinken und Dekolletés.
Viele Lieder sind schnell wieder vergessen, aber der Auftritt ist, sobald Beckmann auf die augenzwinkernden Witzchen einmal verzichtet, durchaus gelungen. Denn manches meint er ernst. Da ist „Da sein“, in dem es um einen verstorbenen Freund geht. Da ist das melodiöse „Sei mein Lächeln“. Und da ist vor allem „Bremen“, eine Ballade, die einmal mehr von einer Jugendliebe handelt, aber eben nicht augenzwinkernd, nicht witzelnd, sondern nachdenklich, melancholisch. Es ist das mit Abstand stärkste Lied der Band und auch der Moment, in dem die Stimmung im Saal kippt. Plötzlich ist da nicht mehr Reinhold Beckmann auf der Bühne, der Moderator, den jeder kennt. Der charmant durch Abende führt, auch durch diesen, dessen einstudierte Ansagen zwischen den Songs jederzeit allen klar machen, dass hier ein Kommunikationsprofi am Werk ist.
Plötzlich ist da ein Singer-Songwriter auf der Bühne, der eine Geschichte erzählt, die vielleicht authentisch ist, die sich aber in jedem Fall authentisch anhört und einen wirklich guten Pop-Song ergibt. Es hilft, dass Beckmanns Bandkollegen allesamt ausgezeichnete Musiker sind, die Melodie einprägsam ist, und ja: Beckmann singen kann. Es ist ein starker Moment des Abends. Schade, dass es nicht viele mehr davon gab.
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