„Richard Wagners Humor ist böse“
Erstmals inszeniert ein Regisseur mit jüdischen Wurzeln „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf dem grünen Hügel. Das hat etwas zu bedeuten.
Dass – bislang – alle glücklich scheinen in Bayreuth bei den Proben für "Die Meistersinger von Nürnberg", dies ist die eine Meldung vom Grünen Hügel für die Neuinszenierung und Eröffnungspremiere 2017 am 25. Juli. Dass dann aber, ab 16 Uhr, etwas eminent Spannungsgeladenes stattfinden wird, bei dem es schon vor dem Finale dieser komischen Oper um das deutsche Volk und Reich geht und um "welschen Dunst" und "welschen Tand" und um eine Karikatur der jüdischen Figur Beckmesser, das ist die andere, substanziellere Nachricht aus dem fränkischen Richard-Wagner-Heimstadion, einst von den Nazis vereinnahmt und instrumentalisiert.
Barrie Kosky: Diebstahl eines deutschen Liedes
Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, ist der Regisseur der neuen "Meistersinger". Er ist der erste Regisseur jüdischer Abstammung, der in Bayreuth inszenieren wird. Man würde diesem Umstand kaum Augenmerk schenken, würde der Australier Kosky nicht selbst hin und wieder über seine familiäre Herkunft sprechen – und würde sein Bayreuth-Debüt jetzt annonciert werden als reine unpolitische Mittelalter-Komödie.
Wird sie aber nicht. Barrie Kosky spricht viel mehr über all das Bedenkliche in Wagners Geisteshaltung – und wie sie sich äußert: dass sich der Komponist als Prophet und Messias empfand, dass er einer antisemitischen Einstellung anhing und dass sein Humor – speziell Beckmesser betreffend – böse und gemein war. Dieser Beckmesser nämlich stehle ein deutsches Lied, das er im jüdischen Kauderwelsch nicht so vortragen könne, damit er sich, wie beabsichtigt, das Mädchen Eva bei einem Gesangswettbewerb zur Braut singend erringen kann. In diesem Beckmesser verdichteten sich die antisemitischen Ressentiments vieler Deutscher im 19. Jahrhundert – auch die eines Richard Wagner.
Johannes Martin Kränzle singt den Beckmesser
Wer aber wird diesen versagenden Meistersinger Beckmesser in Bayreuth geben? Es ist der 1962 in Augsburg geborene Johannes Martin Kränzle. Und das kommt alles andere als von Ungefähr. Kränzle sang den Beckmesser einspringend an der Oper Frankfurt, "Lunte riechend, dass diese Rolle meine Partie werden könnte". Er sang ihn dann in Köln zur Eröffnung einer Intendanz, was "überregionale Wahrnehmung" brachte. Er sang ihn in Glyndebourne mit DVD-Produktion; er sang ihn an der Metropolitan Oper New York, was dem Bariton einen Publikumspreis einbrachte.
Und nun also Bayreuth, wo’s der Kunst gilt, wie es in den "Meistersingern" heißt. Kränzle sieht seine besondere Affinität zu Beckmesser im Vermögen, ihn als "ambivalente Figur darzustellen", zwischen Komik und Tragik. Barrie Kosky gibt sich schon in den laufenden Proben begeistert über Kränzle, ebenso über Michael Volle als Hans Sachs und Klaus Florian Vogt als Stolzing: "Sie sind wunderbare Kollegen. Das ist eine pure Freude." Dirigieren wird Philippe Jordan, Chef der Pariser Oper und der Wiener Symphoniker. Er debütierte 2012 in Bayreuth, im "Parsifal" des Regisseurs Stefan Herheim.
Letztmalig: Castorfs "Ring des Nibelungen"
2017 des Weiteren im Bayreuth-Programm: "Tristan und Isolde" mit Christian Thielemann als Dirigenten, "Parsifal" mit Hartmut Haenchen am Pult sowie letztmalig in der Inszenierung von Frank Castorf: "Der Ring des Nibelungen" mit Marek Janowski als musikalischen Leiter.
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