Roger Waters mit "The Wall" in München
Roger Waters insziniert "The Wall" in der ausverkauften Olympiahalle in München. Für die grandiose Show erhielt er frenetischen Beifall.
Am Ende ist es fast so, als wäre einem diese riesige Mauer auf den Kopf gefallen und hätte den Verstand unter Steinen begraben: Diese Show ist wahrhaft erschlagend. Nach mehr als zwei Jahrzehnten hat Roger Waters noch einmal den kalten Monolithen unter den Pink Floyd-Alben auf die Bühne gestellt und „The Wall“ als das inszeniert, was es schon immer war, als überdimensionalen Waters-Egotrip. In der ausverkauften Olympiahalle bekam er dafür das, was er sich verdient hat, nämlich frenetischen Beifall.
Diese Show wird wohl sein Vermächtnis werden, denn der 67-jährige Bassist und Sänger hat angedeutet, dass nun langsam Schluss sei mit dem Touren. Was sollte auch noch groß kommen? Spektakulärer wird es nimmer. Diese Mauer ist sein Denkmal. Fast im Alleingang hat Roger Waters dieses sperrige Werk geschrieben, seine Mitmusiker zu Hilfsarbeitern degradiert und damit das Ende der schon bröckelnden Pink Floyd heraufbeschworen. Auch wenn noch ein unbedeutendes Album unter seiner Regie folgen sollte, so war „The Wall“ die Vollendung des Bandkonzepts der immer gigantischeren Inszenierungen von noch mehr Pomp und Technik, noch mehr ätzender Gesellschaftskritik und noch mehr Psycho-Pein.
Auf dem 1979 erschienenen Album hatte er sich ganze Berge von der Seele geschrieben: den Verlust des Vaters im Zweiten Weltkrieg, die gescheiterte Ehe, die zunehmende Entfremdung von sich selbst, von seiner Band und auch von den Fans – 1977 hatte er in Montreal im Zorn einen Zuhörer angespuckt. In Waters’ semiautobigrafischer Rock-Oper mutiert er als Rockstar Pink zum faschistischen Diktator, nachdem er um seine Seele eine Mauer gebaut hat. Fast ein Fall von Selbstironie, denn Waters galt als ungenießbarer Kontrollfreak und Groß-Egomane. Ein Mitarbeiter sagte damals über ihn: „Wer geht schon gerne mit Josef Stalin auf Tour?“
Nach mehr als 30 Millionen verkauften „The Wall“-Alben zieht er nun erstmals mit der (Papp-)Mauer um die Welt. Damals war sie wegen des großen Aufwands nur in New York, London, Los Angeles und Dortmund zu sehen. 1989 ließ Waters dieses Gesamtkunstwerk aus Schmerz, Verzweiflung und Einsamkeit auf dem ehemaligen Todesstreifen in Berlin aufführen. Jetzt ist die Show kompakter geworden, aber nicht minder überwältigend.
Auf der während des Konzerts Stein für Stein empor wachsenden Mauer flimmern nicht nur die etwas angejahrten Trickfilmsequenzen aus dem „Wall“-Film von Alan Parker, sondern gestochen scharfe Bilder mit allerneuester Projektionstechnik. Aufgefahren wird die ganz große moderne Überwältigungsmaschinerie, um Neurosen und Psychosen zu Bildern zu formen und den Krieg im Allgemeinen anzuprangern.
Schon zu Beginn zündet Waters in der Halle ein Feuerwerk, das dem Silvester-Spektakel einer mittleren Kleinstadt Ehre gemacht hätte; wie bei der „Animals“-Tour 1977 fliegt ein Riesenschwein durch die Arena; per Videoeinspielung singt er zusammen mit seinem jüngeren Ich aus dem Jahr 1980; er lässt die vom Cartoonisten Gerald Scarfe entworfenen berühmten Riesenpuppen von Horrorlehrer, Horrormutter, Horrorgattin tanzen und führt eine gruselige Faschistenwerdung seines Protagonisten Pink auf.
Das ist ein atemraubendes Event, bei dem die streckenweise schwer genießbare Musik fast zum Beiwerk gerät. Doch auch die hat ihre Höhepunkte: „Another Brick In The Wall“ und das beste Stück der Platte, „Comfortably Numb“ mit einem derart beseelten Gilmour-Solo des jungen Gitarristen Dave Kilminster, dass man ihn dafür umarmen möchte. Und natürlich König Roger für die Über-Show.
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