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Exklusiv-Interview
03.06.2018

Schriftstellerin Thea Dorn beklagt Verfall der Debattenkultur

Autorin Thea Dorn warnt im Interview vor einem Verfall der Debattenkultur und sieht die Demokratie in Gefahr.
Foto: Maurizio Gambarini, dpa

Autorin Thea Dorn warnt Medien vor „Lust am Krawall“. Warum die 47-Jährige einen Zerfall der Demokratien befürchtet - und mehr Patriotismus fordert.

Frau Dorn, was würden Sie sagen: Wie geht es Deutschland?

Thea Dorn: Nicht so schlecht, wie diejenigen meinen, die Deutschland kurz vor dem Flüchtlingskollaps oder der Islamisierung sehen. Allerdings auch nicht so gut, wie die politisch desinteressierten Lifestyle-Kosmopoliten glauben. Unser Grundgesetz ist kein Naturgesetz, sondern eine mühsam errungene gesellschaftliche Vereinbarung. Wenn es nicht mehr genügend Bürger gibt, die sich für diese Vereinbarung einsetzen, wird es heikel.

Vor zehn Jahren hätten Sie wohl auch nicht für möglich gehalten, dass Sie mal ein Buch wie nun schreiben würden, das ziemlich inbrünstig mit dem Text der Nationalhymne endet…

Dorn: Mein Umdenken in Sachen Deutschland hat vor acht Jahren begonnen. 2010 war ich längere Zeit in den USA – und dort wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich viel deutscher bin, als ich bis dahin wahrhaben wollte: Ich vermisste die deutsche Sprache, „meinen“ Eichendorff, „meine“ Matthäus-Passion. Ich war die Einzige am College, die wirklich jeden freien Nachmittag zum Wandern ging. Von meinen Eltern hatte ich die Haltung übernommen: Dafür, dass man Deutscher ist, schämt man sich. Wenn wir in den 70ern nach Frankreich gefahren sind, hätten sie am liebsten das Nummernschild verhängt. Und nach wie vor bin ich überzeugt, dass es sich nicht gehört, sich breitbeinig auf einen Marktplatz zu stellen und zu brüllen: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein!“ Mir geht es nicht darum, die Deutschen zu einem Hurra-Patriotismus zu ermutigen. Ich will nur zeigen, dass es in den meisten Fällen eine wohlfeile Selbsttäuschung ist, sich für ach so kosmopolitisch zu halten. Und ich will deutlich machen, warum das freiheitlich-demokratisch verfasste Deutschland es verdient, von uns geliebt und gestärkt zu werden.

Selbstverherrlichung oder Selbstverneinung – müssen die Deutschen ihr historische Dilemma überwinden, um eine akut drohende, gefährliche Spaltung der Gesellschaft zu überwinden?

Dorn: Unbedingt. Die gesellschaftliche Spaltung ist bei uns noch nicht so weit fortgeschritten wie in den USA, wo die Fronten mittlerweile extrem verhärtet sind. Aber der Prozess hat auch bei uns begonnen. Ich selbst habe in den letzten eineinhalb Jahren die bedrückende Erfahrung gemacht, dass Freunde, die in Islamismus und Migration die zentralen Bedrohungen unserer Zeit sehen, nur noch die Ausschnitte der Wirklichkeit wahrnehmen, die sie in ihren Ängsten bestärken. Die Anhänger der Willkommenskultur hingegen sind geneigt, die bedrohlichen Aspekte von Massenmigration zu verharmlosen oder ganz zu leugnen. In einer Demokratie muss es unterschiedliche Parteien geben. Aber diese Parteien müssen in der Lage sein, miteinander zu diskutieren – und sich unserer Wirklichkeit in all ihrer Komplexität stellen. Wenn sich jeder hinter seiner Weltanschauung wie in einem Bollwerk verschanzt und die Wirklichkeit nur noch durch seine schmale Schießscharte wahrnimmt, zerfallen Demokratien.

Besondere Bedeutung kommt für Sie in Ihrem „Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ der Bildung zu, dem Bekenntnis zu Deutschland als Kulturnation. Lieber „Odyssee“ und „Faust“ als „Harry Potter“ und „Tschick“. Was macht den Unterschied aus? Und sollten die Schulen also einen bildungsbürgerlichen Kanon vermitteln?

Dorn: Gerade in Deutschland mussten wir im letzten Jahrhundert die niederschmetternde Erfahrung machen, dass Bildung allein eine Gesellschaft nicht davor bewahrt, sich in die Barbarei zu verrennen. Andererseits halte ich es für einen Fehlschluss zu glauben, dass mündiger Bürgergeist ohne Bildung auskommt. Verfassungspatriotismus und Kulturpatriotismus dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssen sich ergänzen. Bildung bedeutet für mich in erster Linie: die Erziehung zu kritischem, komplexem Denken; das Gegenteil von Parolengläubigkeit; die Fähigkeit, Phänomene in einem größeren historischen Kontext betrachten zu können; sich auch mit Gedanken, Texten und Kunstwerken auseinanderzusetzen, die einen auf den ersten Blick abstoßen.

Was denken Sie über den Vorschlag, Flüchtlingskinder sollten in Deutschland verpflichtend einen Wertekunde-Unterricht besuchen?

Dorn: Ich halte einen solchen Unterricht für unerlässlich. Allerdings darf er nicht so aussehen, dass die europäischen Werte als eine willkürliche Hausordnung beigebracht und abgefragt werden. Es muss gelingen zu vermitteln, warum wir in Europa an die Freiheit und Verantwortlichkeit jedes Einzelnen glauben, warum Emanzipation und Gleichberechtigung Gebote der Humanität sind.

Und was halten Sie vom Kreuzerlass in Bayern? Der CSU-Politiker Peter Gauweiler sagte im Gespräch mit dieser Redaktion, das Kreuz sein eine „gesellschaftlicher Violinschlüssel“ …

Dorn: Ein Kreuzzug weckt noch keinen kritischen Geist. Viel wichtiger wäre es, die Geschichte von antiker Philosophie, Christentum, Renaissance, Humanismus und Aufklärung zu erzählen.

Ihr Buch ist auch ein Plädoyer, sich differenzierter mit den wesentlichen Fragen auseinanderzusetzen – statt dem Wechsel der Empörungswellen hinterherzulaufen. Auch ein Problem der neuen Medien? Haben sich die klassischen Medien zu sehr davon anstecken lassen?

Dorn: In der Tat scheint mir die fortschreitende Hysterisierung ein gewaltiges Problem zu sein. Die Anhängerinnen der #MeToo-Bewegung verwischen die Unterschiede zwischen sexueller Gewalt und ärgerlichen Belästigungen. Die Anhänger von Pegida sind bereit, in jedem dunkelhäutigen Menschen einen Sozialschmarotzer, potenziellen Vergewaltiger oder Terroristen zu sehen. Und permanent fühlt sich irgendwer beleidigt. Deshalb plädiere ich für eine robuste Zivilität. Die klassischen Medien tragen nur dann zur Stärkung solch einer robusten Zivilität bei, wenn sie ihre Leser auch mit Informationen und Positionen konfrontieren, die diesen nicht in den Kram passen könnten. Die Angst vor dem „Shitstorm“ ist das Ende einer seriösen Publizistik. Gleichzeitig sollten sich die klassischen Medien davor hüten, der Lust am Krawall nachzugeben. Ich halte es für fatal, wenn Debatten erst dann in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, sobald sich „Skandal“ darüberschreiben lässt.

Die deutsche Identität ist Ihnen wichtig für den Zusammenhalt der Gesellschaft – aber nicht als eine irgendeine Essenz des Deutschseins, sondern als durch die Geschichte geprägtes Muster an Charakteristika. Dass sie sich wandelt, gehört demnach wesentlich zu ihr. Aber wann ist die Identität in Gefahr?

Dorn: Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Grundbedingung für ein kulturelles Identitätsgefühl ist es, die eigene Geschichte zu kennen und sich zu ihr in Beziehung zu setzen. Von Hölderlin stammt der schöne Satz: „Aber das Eigene muss so gut gelernt sein wie das Fremde.“ Denjenigen, die aktuell befürchten, dass die deutsche Identität bedroht sei, weil sie zu vielen fremden Einflüssen ausgesetzt ist, entgegne ich: Nur was innerlich ausgehöhlt ist, kann von außen deformiert werden.

Muss sich, wer in Deutschland lebt, mit Deutschland identifizieren?

Dorn: Auf der staatsbürgerlichen Ebene müssen wir Loyalität verlangen. Wenn türkischstämmige deutsche Nationalspieler eher die Neigung verspüren, eine Ergebenheitsgeste in Richtung Erdogan zu machen, als vor Fußballspielen die deutsche Nationalhymne mitzusingen, ist das falsch. Auf der kulturellen Ebene kann niemand gezwungen werden, sich für Deutschland zu interessieren. Allerdings würde ich jedem Eingewanderten raten: Es fällt leichter, sich in einem neuen Land heimisch zu fühlen, wenn man Aspekte von dessen Kultur für sich entdeckt.

Der afrikanische Denker Achille Mbembe hat in dieser Redaktion gewarnt: Wenn wir uns jetzt zu viel Gedanken über nationale Identität machen, verlieren wir entscheidende Zeit bei der Bewältigung der großen globalen Probleme. Was antworten Sie?

Dorn: Dass wir uns erst einmal darüber verständigen müssten, was wir für die großen globalen Probleme halten. Ich halte für die gefährlichsten Tendenzen unserer Zeit: die Bedrohung des freiheitlichen, demokratischen Geistes durch wiedererstarkendes autoritäres Denken und die gleichzeitige Bedrohung der menschlichen Autonomie durch fortschreitende Algorithmisierung. Die schlimmste Vorstellung, die ich mir von der Zukunft machen kann, wäre eine Ausweitung des chinesischen Prinzips nach Europa: digitaler Überwachungsstaat; Hightech-Totalitarismus; Ausschaltung der individuellen Urteilskraft; kapitalistischer Optimierungswahn kombiniert mit Unterwerfung unters Kollektiv. Ich bin überzeugt, dass sich eine widerständige, mündige individuelle Identität nur im Wechselspiel mit einer nationalen Identität ausbilden lässt. Eine globale Identität wäre eine Überforderung bzw. läuft auf inhaltsleere Oberflächlichkeit hinaus. Kulturell heterogene, aber eben nicht beliebige, freiheitlich verfasste Nationalstaaten scheinen mir derzeit der einzige Rahmen zu sein, in dem sich Individualität in einem triftigen Sinn entwickeln kann.

Europa – ob als Vereinigte Staaten oder als ein Bund der Regionen – ist für Sie keine Perspektive. Sie setzen auf den Nationalstaat. Brauchen wir gar keine größeren Visionen? Reicht das bessere Funktionieren des Bestehenden für eine gelingende Zukunft?

Dorn: Ich bin sehr dafür, das Projekt einer tatsächlichen europäischen Vereinigung intensiver zu betreiben als in der Vergangenheit. Angesichts der von mir skizzierten Bedrohungen werden wir nur etwas ausrichten können, wenn wir als Europäer enger zusammenrücken. Damit dies passieren kann, müsste sich die EU allerdings zuerst einmal von ihrem Selbstverständnis verabschieden, voranging ein Wirtschafts- und Währungsverein zu sein. Europa kann nur zusammenwachsen, wenn wir mit Herz und Geist Europäer werden, uns unserer historisch gewachsenen, europäischen Besonderheit bewusst werden. Hier kommt abermals die Bildung ins Spiel. Denn selbstverständlich plädiere ich nicht für eine bornierte deutsche Bildung, die kann es gar nicht geben. Deutsches Denken und deutsche Kultur sind nur im Zusammenhang mit europäischem Denken und europäischer Kultur zu verstehen. Eins der hervorstechendsten Merkmale der deutschen Kultur ist ja, dass sie sich stets im Kräftefeld von West und Ost entwickelt hat. Oft genug hat Deutschland dazu beigetragen, Europa zu spalten, oft genug hat es Europa verwüstet. Im letzten Jahrhundert mussten wir gleich zweimal erkennen: Wenn Deutschland durchdreht, büßt am Ende der ganze Kontinent dafür. Deshalb sind wir noch stärker als andere Länder dazu verpflichtet, die irrationalen Kräfte nicht von der Leine zu lassen, sondern die Nerven zu behalten. Wir sind Europas Mitte. Und wenn die Mitte ausflippt, zerreißt es das Ganze.

Sie schreiben: „Es ist eine Befreiung des Menschen, wenn kein Gott und kein Vaterland ihn mehr zur Selbstaufopferung zwingen dürfen. Aber ist es nicht ein Verlust, wenn die befreiten Individuen erkennen müssen, dass sie keine Ideale, keine Werte mehr kennen, für die sie im Extremfall sogar zu sterben bereit wären?“ Für welche Werte würden Sie Ihr Leben geben?

Dorn: Sollte der Tag kommen, an dem unser Grundgesetz autoritär umgerüstet werden soll, finden Sie mich auf den Barrikaden.

Zur Person: Eigentlich heißt Thea Dorn ja Christiane Scherer und stammt aus Offenbach. Der Künstlername der studierten Philosophin referiert auf den Denker Theodor W. Adorno. Dorn wurde durch viele Romane bekannt (zuletzt „Die Unglückseligen“), als Theater- und Filmautorin und durch das Literarische Quartett des ZDF. Sie tritt am Dienstag, 5. Juni um 19 Uhr in Augsburg (Rokokosaal im Fronhof 10) mit einem Vortrag auf.

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